- Ein Nachtrag von Michael Naumann
Der Artikel von Chefredakteur Michael Naumann über die Piratenpartei und das Urheberrecht, den CICERO ONLINE am Freitag unter der Überschrift „Mit vollen Segeln in die Vergangenheit“ veröffentlicht hat, ist von unseren Lesern vielfältig diskutiert und auch kritisiert worden. Nun antwortet Michael Naumann seinen Kritikern.
1. Algorithmen gleichen nicht Multiplikationstafeln, sie fallen auch nicht vom Himmeln, sondern werden in der Softwarebranche von Informatikern entwickelt. Sie sind die je spezifischen Grundlagen von Codes und Softwareprogrammen und können persönliches oder firmeneigenes geistiges Eigentum sein. Sie können patentiert werden, und viele werden es auch. Entsprechende urheberrechtliche bzw. patentrechtliche Prozesse zwischen verschiedenen Software-Anbietern z.B. in den USA sollten auch den Freunden der Piratenpartei bekannt sein.
2. Der Sachverhalt, dass die Römer kein Urheberrecht kannten, stimmt. Sie kannten allerdings die Sklaverei, die Todesstrafe und diverse andere Methoden, Recht zu sprechen, z.B. die Folter. Das moderne Urheberrecht hat eine jüngere Geschichte, die jeder der Kommentatoren bei Wikipedia studieren kann.
3. Im "informationellen Selbstbestimmungsrecht" ist die Idee "beschlossen" (also mitzudenken), dass es ein Recht auf Eigentum gibt. Dieser Eigentumsbegriff umfasst nicht nur Dinge, sondern eben auch Daten, Informationen und geistige Hervorbringungen jeder Art.
4. Der Einwand, dass die Besitzer von Nutzungsrechten (wie zum Beispiel Verlage) die Besitzer von Urheberrechten angeblich übervorteilen, und dass darum die Idee von geistigem Eigentum prinzipiell abzuschaffen sei, geht zu Lasten beider Seiten. Sie wird in ihrer Radikalität dadurch begründet, dass diese Aufhebung oder Abschaffung im Internet bereits Realität sei. Aber das Internet, und das scheint irgendwie nicht bekannt zu sein, ist in seiner derzeitigen Form ein Marktplatz, auf dem Geschäfte abgewickelt werden zu Gunsten von Microsoft, Apple, Facebook, Google, Ebay etc.: Auf dem also Marktprozesse ablaufen, in denen geistiges Eigentum ebenso gehandelt wird (gegen Entgelt) wie andere Tausch- und Kaufgeschäfte getätigt bzw. ermöglicht werden. Die Vorstellung der Piratenpartei, unter Verzicht auf das Urheberrecht eine neue Öffentlichkeit zu gestalten, spielt in Wirklichkeit denen in die Hände, die die Urheber (Künstler, Schriftsteller oder Journalisten) enteignen wollen, damit sie fortan mit dem frei verfügbaren, nicht mehr urheberrechtlich geschützten Werken ihr eigenes Eigentum (und ihren Besitz) vermehren können. Die Giganten der Software- und Internetbranche wird es freuen.
Zum Artikel „Mit vollen Segeln in die Vergangenheit“ von Michael Naumann
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