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David Axelrod - Vom Obama-Vertrauten zum TV-Moderator

David Axelrod hat Barack Obama zum Präsidenten gemacht. Nun kommentiert er dessen Politik im Fernsehen 

Autoreninfo

ist Autor des „Tagesspiegel“ und berichtete acht Jahre lang aus den USA. Er schrieb die Bücher: „Der neue Obama. Was von der zweiten Amtzeit zu erwarten ist“, Orell Füssli Verlag Zürich 2012. Und „Was ist mit den Amis los? Warum sie an Barack Obama hassen, was wir lieben“. Herder Verlag Freiburg 2012.

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Nun ist er wieder ein Mann der Medien. So wie vor seinem langen Ausflug in die Politik. Die 29 Jahre in der Politikberatung haben David Axelrod an Erfahrungen reicher gemacht und sein Bankkonto gefüllt. Er hat Berühmtheit erlangt als der Stratege, der Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten machte.

Die journalistische Unabhängigkeit aber, die Axelrod bis 1984 bei der Chicago Tribune genossen hatte, wird er nie wieder zurückerlangen. Wenn er jetzt mit 58 Jahren als politischer Kommentator vor die Kameras der NBC-Senderfamilie tritt, wird er als Schönfärber wahrgenommen, der nun von einem TV-Konzern entlohnt wird und nicht mehr vom Weißen Haus, der aber quasi eine „I love Obama“-Tätowierung auf der Stirn trägt.

Die Anstellung solcher „Pundits“ bei Fernsehsendern ist in Amerika nichts Ungewöhnliches. Jeder weiß, dass die Aufgabe dieser „Experten“ nicht die unabhängige Berichterstattung ist, sondern dass sie vielmehr Politik mit anderen Mitteln betreiben. Für die Republikaner besorgen das etwa Karl Rove auf Fox News und Alex Castellanos, der Bush und Romney diente, auf CNN. Für die Demokraten Bill Clintons Chefstratege James Carville auf CNN, Obamas Ex-Sprecher Robert Gibbs auf MSNBC und nun eben auch David Axelrod.

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Ein weiter Weg für jemanden, dessen beruflicher Werdegang als Student beim Hyde Park Herald in Chicago begann und seinen vorläufigen Höhepunkt in der Wahl Obamas zum Präsidenten fand. Auf den ersten Blick traute man Axelrod die Aggressivität eines Präsidenten-Machers kaum zu. Er reagiert bedächtig, redet langsam. Mit dem kräftigen Schnauzer und den dunklen, leicht melancholischen Augen erinnert er an einen Seelöwen. Als er seinen Arbeitsplatz 2009 ins Weiße Haus verlegte und sich für das erste Staatsbankett einen Frack zulegte, sah er aus, als habe er sich als Pinguin verkleidet. Das Umfeld eines Staatsoberhaupts war eine neue Welt für ihn. Nicht hingegen die Macht. Von der fühlte er sich früh angezogen.

Amerika hat immer wieder gerätselt, was ihn antreibt. Eine Antwort hat Axelrod selbst gegeben: aufrichtiger Idealismus. Eine weitere Erklärung dürfte der Wunsch nach Kontrolle sein. Wie wehrlos man sein kann, hat Axelrod als Kind wie auch als junger Vater selbst erfahren. Seine Eltern lassen sich scheiden, als er acht ist. Sein Vater begeht Selbstmord, als er in Chicago studiert – er eilt nach New York, um die Leiche zu identifizieren. Auch dem Schicksal der eigenen Tochter steht der damals 26-Jährige machtlos gegenüber. Sie ist erst wenige Monate alt, als bei ihr Epilepsie diagnostiziert wird. Jahre später wird Axelrod 2012 seinen Schnauzer verwetten, um einer Spendenaktion für Epilepsieforschung zu helfen. Da ist er wieder in seinem Element – als Macher.
 

Der Durchbruch als Politikberater kam 1987, als Harold Washington, der erste schwarze Bürgermeister Chicagos, mit Axelrods Hilfe wiedergewählt wurde. Die Herausforderung dabei war weniger, die Republikaner auf Distanz zu halten. Chicago ist fest in der Hand der Demokraten. Es kam darauf an, eine Koalition aus afroamerikanischer Unterschicht, gebildeten schwarzen Aufsteigern und liberaler weißer Oberschicht zu schmieden, die sich gegen die gut organisierten Vertreter der weißen Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht durchsetzt.

Darin lag später auch seine Leistung für Obama, der 1991 mit dem Juraexamen aus Harvard nach Chicago zurückkam, den Einstieg in die Politik suchte, aber zunächst als arrogant und zu intellektuell galt. Nach einigen Jahren in der Landespolitik in Illinois bereitete Axelrod Obamas Sprung auf die nationale Bühne vor, 2004 als Senator, 2008 als Präsidentschaftskandidat. Er verschaffte ihm das Doppelimage, ein moderner Kandidat des Wandels und zugleich traditionell genug zu sein, um bodenständige Schwarze nicht zu verlieren. Er öffnete ihm auch den Zugang zu weißen „Lakeshore Liberals“ – Millionärsfamilien mit großzügigen Häusern am Ufer des Michigan-Sees, die mit Spenden Wahlkämpfe finanzieren.

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In den Bush-Jahren, in denen Amerika unter Lagerspaltung litt, umgab Axelrod Obama mit einer Aura des Idealismus, der Versöhnung sowie der Heilung historischer Sünden wie Sklaverei und Rassentrennung. Zum Marketing gehörte neben „Hope“, „Change“ und „Yes, we can“ das Versprechen der Teilhabe. Nicht Obama sollte den Wandel bringen, sondern die Wähler, indem sie ihn unterstützen.

Mit Obamas Sieg 2008 war Axelrod auf dem Höhepunkt seines Einflusses. Danach sank seine Macht, zunächst kaum sichtbar. 2009 war er noch im engsten Kreis um den Präsidenten zu sehen. Die Wahl 2008 hatte jedoch eine neue Dynamik eröffnet: Die technische Organisation über das Internet und die sozialen Medien lief der klassischen Strategie, die auf die Identifizierung der entscheidenden Themen und die besseren Slogans setzt, den Rang ab. Axelrod aber war der Guru der alten Ära, Internet-Zauberer David Plouffe wurde zum Wunderkind der neuen Zeit. Bei der Präsidentenwahl 2012 war Axelrod zwar noch mit an Bord, spielte aber nicht mehr eine so dominierende Rolle wie noch vier Jahre zuvor.

Obama wird nie mehr zu einer Präsidentenwahl antreten, und Axelrod wird ihm nicht mehr den Steigbügel halten. Im Fernsehen aber und als Buchautor ist Axelrods Wort weiter viel Geld wert. 

Christoph von Marschall ist seit 2005 USA-Korrespondent. Von ihm erschien zuletzt „Der neue Obama. Was von der zweiten Amtszeit zu erwarten ist.“

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