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Röttgen gegen Laschet: Das sanfte Duell
Die CDU in Nordrhein-Westfalen wählt einen Nachfolger für ihren scheidenden Landeschef Jürgen Rüttgers. Um sein Amt bewerben sich Bundesumweltminister Norbert Röttgen und der ehemalige Landesminister für Familie und Integration, Armin Laschet. Im Kampf um den Landesvorsitz geht es vor allem um eines: Einfluss in der Bundespartei.
Wenn am Sonntag die knapp vierwöchige Mitgliederbefragung zur Nachfolge Jürgen Rüttgers endet, dürfte der nächste CDU-Landesvorsitzende in Nordrhein-Westfalen bereits feststehen. Offiziell wird der zwar erst auf dem Landesparteitag am 6. November gewählt, doch nach einem sehr unerfreulichen Jahr für die Partei mit Sponsoringaffäre, Machtverlust und Intrigen in der Staatskanzlei können es sich die Christdemokraten in NRW schlicht nicht leisten, das Votum der Mitglieder erst zu erbitten und dann zu missachten. Die Partei braucht Einigkeit.
Zu diesem Schluss sind auch Armin Laschet und Norbert Röttgen gekommen und lieferten sich bei ihrer mehrwöchigen Tour durch die Parteibezirke eher ein Kandidatencasting als einen echten Wahlkampf: Viele Allgemeinplätze, wenig inhaltliche Auseinandersetzung, keine persönlichen Attacken. Die Parole lautete: Als Partei geschlossen auftreten und Rot-Grün schnellstmöglich abwählen. Fast hätte man in den letzten Wochen den Eindruck gewinnen können, es sei den beiden Kandidaten zweitrangig, unter welchem Vorsitzenden das geschieht. Bei genauerem Hinsehen erweist sich diese Sicht allerdings als trügerisch. Tatsächlich steht für beide Anwärter persönlich viel auf dem Spiel.
Zum einen geht es um die institutionelle Macht in Land und Bund. Mit dem Vorsitz über die Landespartei ist in der Regel auch die Spitzenkandidatur für das Amt des Ministerpräsidenten verbunden - wohlgemerkt im bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesland. Der Einfluss über den Bundesrat ist erheblich. Doch Ministerpräsident wird in NRW derzeit nur, wer die rot-grüne Landesregierung zu Fall bringt. Jüngsten Umfragen zufolge ist das momentan nicht sehr wahrscheinlich: Schwarz-Gelb scheint auf längere Zeit keine Option mehr für die Wähler zu sein. Die einzig absehbare Chance auf die Macht liegt für die CDU in der Spaltung von Rot-Grün und der Bildung einer schwarz-grünen Koalition. Nach viel bösem Blut im jüngsten Wahlkampf ist diese Variante tatsächlich - wenn überhaupt - nur mit einem Ministerpräsidenten Röttgen denkbar. Es ist daher nur konsequent, wenn dieser sich als personifizierten Neuanfang in der NRW-CDU positioniert. Was allerdings passieren muss, damit die Grünen tatsächlich aus der bestehenden Koalition mit Hannelore Kraft ausscheren, kann man sich nur schwer vorstellen. Momentan besteht daher lediglich eine theoretische Chance, dass die CDU in absehbarer Zeit den Ministerpräsidenten im Land stellen wird.
Zum anderen geht es um die bundesparteilichen Auswirkungen des Landesvorsitzes: Nordrhein-Westfalen stellt mit über 160.000 Mitgliedern den größten Landesverband der Christdemokraten. Dem neuen Landeschef ist damit ein Sitz im Bundesvorstand der Partei so gut wie sicher. Im Gegensatz zu Laschet ist Röttgen bislang noch nicht in diesem Entscheidungsgremium vertreten. Mit dem Ausscheiden von Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers müssen auf dem CDU-Bundesparteitag Mitte November in Karlsruhe gleich drei der vier Stellvertreterposten um Parteichefin Angela Merkel neu besetzt werden. Der Sieger in NRW hat daher gute Chancen, nicht nur in den Bundesvorstand, sondern sogar in das Parteipräsidium, das oberste Exekutivorgan der CDU, vorzustoßen und damit die eigene Position in der Partei erheblich zu stärken.
Den unverkennbaren Chancen, die ein Abstimmungssieg am Sonntag eröffnet, stehen allerdings nicht unerhebliche Risiken im Falle der Niederlage gegenüber. Erst vor wenigen Wochen verlor Armin Laschet eine Kampfabstimmung um den Fraktionsvorsitz im Düsseldorfer Landtag gegen seinen ehemaligen Regierungskollegen Karl-Josef Laumann. Ob ein Parteichef Röttgen Laschet in seine Führungsmannschaft integrieren oder auf Distanz gehen würde, ist ungewiss - insbesondere aufgrund Laschets Nähe zu erklärten Röttgen-Gegnern. Nicht zuletzt wegen des geltenden Länderproporzes ist außerdem fraglich, ob Laschet nach einer Niederlage erneut einen Sitz im Bundesvorstand der CDU erringen könnte. Damit steht seine unmittelbare Verankerung in der Bundespartei auf dem Spiel.
Norbert Röttgen geht mit seiner Kandidatur ein nicht minder großes Risiko ein. Sowohl Fraktionschef Laumann als auch Generalsekretär Andreas Krautscheid haben sich klar auf die Seite Laschets gestellt. Verliert er die Abstimmung, könnte es für Röttgen auch auf Bundesebene eng werden: Ob er ohne den Rückhalt eines wichtigen Landesverbandes und in Gegnerschaft zum jetzigen Präsidiumsmitglied Laumann zum Stellvertreter Merkels gewählt würde, ist zweifelhaft. Im schlimmsten Fall bliebe Röttgen ohne eigene Machtbasis innerhalb der Partei zurück. Genau die braucht er aber, um sich mittelfristig aus dem Windschatten seiner Parteichefin lösen zu können. Ein bisher stabiles Direktmandat und das Amt des Umweltministers dürften dazu auf Dauer nicht ausreichen.
Wer am Sonntag das Rennen machen wird, ist derzeit noch völlig offen. Eine Umfrage des Focus unter den 54 amtierenden CDU-Kreisvorsitzenden sieht Armin Laschet im Vorteil. Ob er am Ende aber tatsächlich Landeschef wird, lässt sich daraus nicht sicher ableiten: Die Entscheidung darüber liegt schließlich nicht bei ihnen, sondern bei allen 160.000 Parteimitgliedern im Land.
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