- Drängen Kampfeinsätze den Terror zurück?
Frankreich versucht, den Vormarsch der Islamisten in Mali durch einen Militäreinsatz zu stoppen. Als hätte es den Krieg in Afghanistan nicht gegeben. Hat der Einsatz Chancen auf Erfolg?
Der malische Interimspräsident Dioncounda Traoré hat am Montag schon Vollzug gemeldet: Die malische Armee habe mit französischer Hilfe die drei Schlüsselstädte im Norden Malis – Gao, Timbuktu und Kidal – von den Islamisten befreit. Am frühen Nachmittag sagte der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, zwar sei die Stadt Konna, in die vergangene Woche islamistische Kämpfer eingezogen waren, von diesen wieder aufgegeben worden. Doch dafür haben die Islamisten am Montag die weiter westlich gelegene Stadt Diabali erobert.
Warum wurde das Eingreifen in Mali nötig?
Dass der Norden Malis seit gut neun Monaten unter islamistischer
Herrschaft steht, hat mehrere Gründe. Der älteste ist die
Unzufriedenheit der Tuareg mit der Grenzziehung in Nordwestafrika
nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Tuareg leben auf mehrere Staaten
verteilt. In Mali allein gab es drei Tuareg-Aufstände, mit denen
sie um mehr Selbstbestimmung und gegen die wirtschaftliche
Unterentwicklung der Wüstenregion kämpften. Vor einem guten Jahr
begann der jüngste Aufstand, nachdem ein paar hundert Tuareg gut
bewaffnet aus Libyen zurückgekehrt waren. Die malische Armee war
den Kämpfern nicht gewachsen und derart demoralisiert, dass ein von
den Amerikanern ausgebildeter Offizier, Amadou Sanogo, sich an die
Spitze eines Coups stellte und den damaligen Präsidenten Amadou
Toumani Touré aus dem Amt jagte. Obwohl sich Sanogo schnell wieder
zurückzog, zwang er kurz vor Weihnachten den Übergangs-Premier
Scheich Modibo Diarra zum Rücktritt.
Wegen der politischen Wirren in der Hauptstadt Bamako hat es bis jetzt gedauert, bis sich die westafrikanische Regionalorganisation Ecowas, die Afrikanische Union, die Europäische Union und der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darüber einig waren, dass Mali bei der Rückeroberung von etwa zwei Dritteln seines Staatsgebiets auch militärisch unterstützt werden sollte. Ecowas wollte bis September 3300 Soldaten in den Norden Malis entsenden, um an der Seite der malischen Armee zu kämpfen. Die EU wiederum versprach eine Ausbildungsmission in einem Umfang von 200 bis 250 Militärberatern.
Die Tuareg, die noch im April einen eigenen Staat in Nordmali ausgerufen hatten, wurden schon Wochen später von islamistischen Milizen von der Macht vertrieben. Drei Gruppierungen – Ansar Dine, Al Qaida im islamischen Magreb (Aqim) und Mujao – setzten einen bizarr strengen Islam durch. Vor allem aber teilen sich die drei das Geschäft mit Entführungen, Menschenhandel, Drogen- und Benzinschmuggel. Weil die Sahara kaum zu überwachen ist und sich die Staaten der Region faktisch längst zurückgezogen haben, besteht zudem das Risiko, dass dauerhaft Ausbildungscamps für potenzielle Attentäter entstehen. Die größten Risiken sind die enge Verbindung mit der organisierten Kriminalität, zum Beispiel mit der südamerikanischen Drogenmafia, und dem Nachbarstaat Algerien. Dort kommen die Islamisten her, und Algerien steht einer Intervention sehr skeptisch gegenüber – auch wenn Algier den französischen Truppen großzügig Überflugrechte zubilligte.
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Machen militärische Interventionen gegen Islamisten
überhaupt Sinn?
Eine Faustregel, dass militärische Interventionen Terrorismus
stoppen können oder genau das Gegenteil der Fall ist, gibt es
nicht. In jedem Land sind die Konditionen verschieden, deshalb
helfen die Lehren aus einem Einsatz auch nur bedingt für die
Planung des nächsten. Das herausragende Beispiel – Afghanistan –
ist allerdings eher als Warnung zu verstehen. Den US-Amerikanern
und ihren Verbündeten gelang es zwar im Jahr 2001, die Herrschaft
der Taliban zu brechen und Al Qaida weitgehend aus Afghanistan zu
vertreiben, aber der islamistische Terror nahm kein Ende. Die
Militärintervention hat „nur“ bewirkt, dass kein Anschlag in der
Größenordnung von 9/11 mehr geschah. Weder konnte Afghanistan
befriedet noch Al Qaida von weltweit schweren Attacken abgehalten
werden. Außerdem ist zu befürchten, dass nach einem Abzug der
westlichen Truppen die Taliban zumindest Teile von Afghanistan
wieder komplett unter ihre Kontrolle bringen und Terrorgruppen dort
beherbergt werden.
Aus der Vielzahl von Gründen für das Scheitern des militärischen Engagements in Afghanistan ragen zwei heraus. Die USA und ihre Verbündeten haben versucht, mit dem Einsatz auch den Aufbau eines demokratischen Staates einzuleiten. Dieses Modell passt nicht zu den „ewigen“ Traditionen Afghanistans, die geprägt sind vom Eigenleben der Stämme und Clans und von einem archaischen Islamverständnis. Zweiter Grund: der Nachbar Pakistan sabotiert den Kampf gegen den Terror. So konnten sich militante islamistische Gruppierungen in der pakistanischen Grenzprovinz Wasiristan sammeln und Strukturen festigen. Die pakistanische Armee hat nie den Versuch unternommen, die militärische Intervention des Westens in Afghanistan mit einer groß angelegten Operation in Wasiristan zu unterstützen.
Eine andere Militärintervention, die auch mit dem Kampf gegen den Terror begründet wurde, hat sogar dem militanten Islamismus den Boden bereitet. Als US-Armee und verbündete Truppen den Irak besetzt hatten, fing der Terror im Land erst an. Unter Saddam Hussein hatten Heilige Krieger nur in nördlichen Randgebieten des Landes etwas Einfluss. Als das Regime gestürzt war, blühte Al Qaida im Irak auf und daneben kaum weniger grausame Gruppierungen wie Ansar al Islam. Auch wenn die Zahl der Anschläge nicht mehr so hoch ist, bleibt der islamistische Terror im Irak präsent – und strahlt inzwischen nach Syrien aus.
In Somalia hat der Einsatz auswärtigen Militärs den islamistischen Terror zurückgedrängt, aber nicht besiegt. Kenianische Truppen eroberten 2012 die letzte von der Shabab-Miliz gehaltene größere Stadt, Kismayo. Die mit Al Qaida verbündete Gruppierung reagiert nun erst recht terroristisch. Gefechte werden gemieden, Selbstmordanschläge nehmen zu.
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