- Anklage auf Mord in zehn Fällen
Im NSU-Prozess in München könnte am dritten Verhandlungstag die Vernehmung der Anklagen beginnen. Zuvor wurde Beate Zschäpe die Mittäterschaft an allen Verbrechen der Terrorzelle vorgeworfen. Was geschah im Gericht?
Der Prozess um die Verbrechen der rechtsterroristischen NSU ist auch am zweiten Verhandlungstag zunächst nur schleppend vorangekommen. Mit immer neuen Anträgen verzögerten die Verteidiger der Hauptangeklagten Beate Zschäpe am Dienstag die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht in München, bis es am Nachmittag erstmals um die Strafsache selbst ging, als der Anklagesatz verlesen wurde. Zschäpe blieb auch vor Gericht bei ihrem Schweigen. Als der Vorsitzende Richter Manfred Götzl die Personalien der Angeklagten abfragte, blieb sie stumm.
Zschäpe habe gemeinsam mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach dem Gang in den Untergrund beschlossen, „sich auf Dauer zu einem organisierten Verband zusammenzuschließen mit dem Ziel, aus der Illegalität heraus durch Mord- und Sprengstoffanschläge ihre nationalsozialistisch geprägten, völkisch-rassistischen Vorstellungen von einem ,Erhalt der deutschen Nation' zu verwirklichen“, sagte Bundesanwalt Herbert Diemer beim Vortrag des 35-seitigen Anklagesatzes gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Carsten S., Holger G. und André E. Zschäpe folgte den Worten ohne Regung.
Die Bundesanwaltschaft wirft ihr vor, als Mittäterin an allen Verbrechen der NSU-Terrorzelle beteiligt gewesen zu sein. Der NSU hat zwischen 2000 und 2007 neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft getötet sowie eine Polizistin in Heilbronn. Außerdem verübten Mundlos und Böhnhardt zwei Sprengstoffanschläge in Köln, bei denen mehr als 20 Menschen verletzt wurden. Bei 15 Raubüberfällen erbeuteten sie mehr als 600.000 Euro.
Nach dem Konzept „Taten statt Worte“ hätten die NSU-Mitglieder Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe Menschen „vornehmlich türkischer Herkunft“ willkürlich ausgewählt und „durch hinrichtungsgleiche Erschießungen getötet“. Durch die Verwendung ein und derselben Schusswaffe sollten diese Taten in der Öffentlichkeit „bewusst als serienmäßige Hinrichtungen wahrgenommen werden“. Zu diesem Zweck soll sich das Trio über die Mitangeklagten Wohlleben und Carsten S. 1999 oder 2000 die Pistole Ceska 83 mit einem Schalldämpfer beschafft haben. Bundesanwalt Diemer zählte alle Taten des NSU auf und nannte die Namen aller ermordeten Opfer. Die Mordanschläge hätten „die arg- und wehrlosen Opfer, denen stets aus kürzerer Entfernung in den Kopf geschossen wurde, völlig überraschend in einer Alltagssituation“ getroffen.
Die Tatvorwürfe gegen Wohlleben und Carsten S. lauten auf Beihilfe zum neunfachen Mord. Holger G. soll dem Trio geholfen haben, sich mit falschen Dokumenten zu tarnen. André E. hat laut Bundesanwaltschaft unter anderem das Wohnmobil gemietet, mit dem Mundlos und Böhnhardt Ende 2000 nach Köln fuhren, um dort den ersten Sprengstoffanschlag zu verüben.
Bevor der Anklagesatz verlesen wurde, war Zschäpes Verteidiger Wolfgang Heer mit Richter Götzl aneinandergeraten. Götzl und seine Kollegen wiesen einen Antrag auf Aussetzung des Prozesses zurück. Außerdem weigerte sich der Senat, Heer einen weiteren derartigen Antrag vor der Verlesung des Anklagesatzes vortragen zu lassen. In der vergangenen Woche hatten die Verteidiger bereits vergeblich zwei Befangenheitsanträge gestellt.
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