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() Männerdomäne Deutsche Bank
Frauenquote : Vom Tisch, aber nicht aus den Köpfen

Die Kanzlerin hat die Frauenquote kassiert. Der Chefinnenmangel in den größten deutschen Unternehmen bleibt. Während die linke Opposition seit Jahren auf die Quote pocht, scheinen Wirtschaft und FDP zwei Rezepte zu haben: Kita Plätze ausbauen und auf Zeit setzen. Laut Infratest-Umfrage wünschen sich fast vier von fünf Deutschen mehr weibliche Führungskräfte.

Kein einziges Dax-Unternehmen wird von einer Frau geführt. Trotzdem ist die gesetzlich verordnete Frauenquote in Unternehmensvorständen vorerst vom Tisch. Am Mittwoch erteilte die Kanzlerin dem Vorstoß von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen eine Absage. Von der Leyen wollte die Führungsriege deutscher Wirtschaftsunternehmen dazu verpflichten, ihren Frauenanteil auf mindestens 30 Prozent zu steigern. „Es wird keine gesetzlich verpflichtende Quote geben“, ließ die Kanzlerin von ihrem Sprecher Steffen Seibert verkünden. Die Entscheidung trifft die Stimmung der Bürger: Nur jeder Fünfte ist für die Quote, so die Ergebnisse einer Infratest-Umfrage. Dennoch: Knapp 79 Prozent der Deutschen will mehr Frauen in deutschen Chefetagen sehen. „Wir müssen den Finger in der Wunde lassen“, sagt trotz des Neins von der Kanzlerin die frauenpolitische Sprecherin der FDP Nicole Bracht-Bendt im Gespräch mit Cicero Online. Die Wirtschaft könne sich der Diskussion nicht mehr entziehen. Die Möglichkeit, den Frauenanteil in ihren Führungsstäben selbst zu erhöhen, bot deutschen Unternehmen in den vergangen 10 Jahren eine freiwillige Selbstverpflichtung. „Diese Vereinbarung ist krachend gescheitert“, sagte von der Leyen kürzlich dem Spiegel: „für die Frauen hat sich kaum etwas bewegt“. Nur 3,2 Prozent der Führungsposten in den 200 größten deutschen Firmen besetzen Frauen, so eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). In den Dax-Unternehmen liegt der Frauenanteil sogar nur bei 2,2 Prozent. Der Männerüberschuss in der Top-200 der Konzerne ist in den vergangenen fünf Jahren um grade mal zwei Prozentpunkte gesunken. Laut DIW hat die Finanzkrise Vorstände und Aufsichtsräte massiv umgewälzt. Krisen bieten Chancen – die Hoffnung, dass sich durch den Führungswechsel auch der Frauenanteil erhöhen würde, habe sich laut DIW aber nicht erfüllt. „Das ist nicht befriedigend“ sagt Bracht-Bendt von der FDP: „Aber eine gesetzliche Frauenquote ist mit mir nicht zu machen.“ Wie die Mehrheit der Bundesbürger ist auch Familienministerin Kristina Schröder gegen eine feste Quote. Trotzdem wünscht sie sich verbindliche Regeln für mehr Frauen in Führungspositionen. Während die Mehrzahl der Bundesbürgerinnen, 58 Prozent, mit der Ministerin darüber übereinstimmt, lehnt 66 Prozent der deutschen Männer jede Verbindlichkeit ab. Schröder will, nachdem die freiwillige Selbstverpflichtung gescheitert ist, die Unternehmen nun zur Selbstverpflichtung verpflichten. Müssten die Bürger zwischen den Methoden von Schröder und von der Leyen wählen, wären nur 19 Prozent für die feste Quote, 70 Prozent für die Selbstverpflichtung. Mit dieser Idee könnte auch Bracht-Bendt leben. In manchen Branchen sei der Zulauf von Frauen sehr gering. Im Schiffbau gehe eine feste Quote von 30 Prozent schlicht an der Realität vorbei. Dies berücksichtige auch der Vorschlag von Schröder. Trotzdem sei sie, als Liberale, grundsätzlich dagegen, in die Personalpolitik der Privatwirtschaft einzugreifen. Der zweite Schritt im Stufenplan Als Mittel gegen die männliche Übermacht in Top-Unternehmen sieht die Regierung im Koalitionsvertrag einen Stufenplan vor. Darin heißt es: „Der Stufenplan setzt in einer ersten Stufe auf verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen.“ Diese Pflicht, über das Geschlechtergleichgewicht im Unternehmen zu informieren, gebe es schon seit zehn Jahren, räumte die Bundestagsabgeordnete Bracht-Bendt ein. Wie der nächste Schritt im Stufenplan aussehe? Der müsse an die kommenden Entwicklungen in den Unternehmen angepasst werden. Ein richtiger Plan sieht anders aus. Statt auf eine festgelegte Quote setzte die FDP auf Rahmenbedingungen, die es auch Frauen mit Kindern ermöglichen in Spitzenpositionen aufzusteigen, erklärt Bracht-Bendt. Dabei fallen Schlagworte wie Kinderbetreuung und Qualifizierungsmaßnahmen. Ein weiteres Mittel scheint Abwarten zu sein. Bis 2013 schlägt FDP-Generalsekretär Christian Lindner vor. Dann würden viele Unternehmen ihre Führungsposten neu besetzen. Was, wenn sich auch dann nichts ändert? „Dann müssen wir neu denken“, lautet die Antwort der FDP-Frauensprecherin Bracht-Bendt. Bleibt abzuwarten, ob die jetzige Koalition dann noch als Regierung „neu denken“ kann, oder der Wähler sie auf die Oppositionsbank verwiesen hat. Gegen die Quote spricht, dass weibliche Führungskräfte als Quotenfrauen stigmatisiert werden könnten. Bei der Frage, wer geeignet ist ein Unternehmen zu führen, sollte nicht das Geschlecht ausschlaggebend sein – da ist man, aber auch frau sich einig. Wer will schon wegen einer Quote engagiert werden? Das würden vermutlich auch Männer in der Kosmetikindustrie nicht wollen. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, Unternehmen würden aus eigenem Interesse die Bestqualifizierten in ihre Führungen berufen. In der Spitze der 200 größten Unternehmen in Deutschland beträgt die Frauenquote 3,2 Prozent. Nimmt man den Generalsekretär beim Wort, müssten Frauen in Deutschland für solch einen Posten um 46,8 Prozent schlechter geeignet sein als ihre männliche Konkurrenz. Gibt es eine unsichtbare Männerquote? „Es stehen genügend qualifizierte Frauen in den Startlöchern“, so Bracht-Bendt. Wenn es so ist, gibt es dann so etwas wie eine unsichtbare Männerquote, eine, die nicht von den Gesetzen der Politik, sondern von tradierten Rollenbildern gesetzt ist? „Natürlich existiert eine sogenannte gläserne Decke“, sagt Bracht-Bendt. Gemeint ist damit, dass Frauen durchaus bis ins mittlere Management aufsteigen, in den oberen Führungsstäben aber selten anzutreffen sind. Die Forschung erklärt das Phänomen folgendermaßen: Männliche Vorgesetzte fördern vor allem männliche Mitarbeiter. Frauen werden so aus beruflichen Netzwerken ausgeschlossen. Hinzu kommt, Personalchefs gehen häufig davon aus, dass Frauen irgendwann eine Familienpause einlegen werden. Laut einer Studie der Firma Databyte aus Lübeck nimmt der Frauenanteil in Führungspositionen mit zunehmendem Alter ab. Zwischen 30 und 34 Jahren ist noch jede fünfte Führungskraft weiblich. Bei den 45- bis 49-Jährigen ist es nur noch jede Sechste. In der Altersgruppe von 60 bis 64 Jahren beträgt die Frauenquote bei Geschäftsführern und Vorständen nur 15,7 Prozent. Für Führungsposten ist das ausschlaggebend: Das Durchschnittsalter im Top-Management liegt bei 50 Jahren. Die dünne Frauendichte in deutschen Chefetagen könnte also auf ein Generationenproblem hindeuten. Laut Bracht-Bendt gelte es, mit der Diskussion das Denken zu verändern. „Ich kenne viele Frauen, die sich gegen solch eine Position sträuben“, sagt Bracht-Bendt. „Das tue ich mir nicht an“, sei die Antwort dieser Frauen, die versuchen Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen: „Ich animiere junge Frauen dazu, nicht nur BWL und Jura zu studieren, sondern auch ins Ingenieurwesen zu gehen.“ Frauen müssten sich ihrer Chancen in diesen Branchen bewusst werden. Problematisch sei aber auch das in Deutschland gängige Bild von Führungskräften. Die Bundesrepublik werde oft mit skandinavischen Ländern verglichen. Dort herrsche jedoch eine ganz andere Unternehmenskultur. In Norwegen sei es kein Problem, wenn eine Vorstandsrätin während einer Sitzung um 17 Uhr ihre Kinder aus der Betreuung abholen würden, so die FDP-Abgeordnete. Ein ähnliches Beispiel nannte auch die ehemalige Chefredakteurin der taz, Bascha Mika, die kürzlich ihr Buch „Die Freiheit der Frau“ vorgestellt hat – eine Kampfansage gegen das Bild der in Teilzeit arbeitenden Mutter, die das Risiko scheut und es sich in der Komfortzone der Mutterrolle bequem macht. Anscheinend sind selbst Frauen in Toppositionen sich nicht einig: „Die Führungs- und Arbeitskultur in deutschen Unternehmen muss sich verändern“, sagte die Präsidentin des europaweiten Managerinnen-Netzwerks, Kris Hauf. Das Netzwerk tritt seit mehreren Jahren für eine Frauenquote von 40 Prozent ein. Als „völlig kontraproduktiv“ bezeichnete hingegen die Bundesvorsitzende des Verbandes der Jungen Unternehmer, Marie-Christine Ostermann, die Vorschläge von Schröder und von der Leyen. „Als zuständige Ministerin sollte sich Frau Schröder lieber darum kümmern, den Ausbau der Kinderbetreuung voranzutreiben. Damit hilft sie den Frauen wesentlich mehr, als wenn sie die Quotenkeule schwingt, “ sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die lässt sich durch ein Machtwort der Kanzlerin nicht stoppen. Der Publizist Wolfgang Lieb hält die Debatte gar für ein politisches Manöver der Union. Der innerparteiliche Streit sei inszeniert und solle vom harten Kurs der Arbeitsministerin im Vermittlungsausschuss um die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze ablenken. Der ehemalige Bild am Sonntag Chefredakteur und Stoiber-Berater Michael Spreng wirft hingegen der CDU Heuchelei vor: In der Partei mangele es vor allem auf den unteren, für die Öffentlichkeit nicht sichtbaren Ebenen an weiblichem Fachpersonal. Eine für alle Länder der europäischen Union bindende EU-Richtlinie, wie Binnenmarktkommissar Michel Barnier ins Gespräch gebracht hat, würde das aktuelle Nein von Angela Merkel ohnehin obsolet machen. Die Quote könnte also durch die europäische Hintertür somit auch in Deutschland wieder auf der Tagesordnung stehen.

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