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Abschaffung des Entwicklungsministeriums - Die Entwicklungshilfe gehört ins Auswärtige Amt

Die FDP will das Entwicklungsministerium abschaffen und ins Auswärtige Amt eingliedern. Eine Forderung, die Praktiker mit Erfahrung in Entwicklungsländern schon lange stellen. Im Sinne deutscher Interessen und einer echten Hilfe zur Selbsthilfe.

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Autoreninfo

Volker Seitz ist Botschafter a.D. und Autor des Bestsellers „Afrika wird armregiert“, dtv (11. Auflage).

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Die FDP will offenbar das Entwicklungsministerium (BMZ) abschaffen und ins Auswärtige Amt eingliedern. Das geht aus einem internen Papier der Fraktion hervor, das dieser Tage bekannt wurde. Dies ist eine Forderung, die Praktiker mit Erfahrung in Entwicklungsländern seit Jahren stellen. Aber erst jetzt nach den vielen bekannt gewordenen Fehlleistungen wird in der Öffentlichkeit diskutiert, dass Entwicklungshilfe oft ohne jeglichen Bezug zu deutschen Interessen geleistet wird. Dabei meine ich nicht nur die Radwege in Peru. Viele wenig begüterte Wähler in Deutschland, zum Beispiel im flutversehrten Ahrtal, betrachten die oft beliebige Auslandshilfe als Extravaganz.

Da wir vor einem Scherbenhaufen gut gemeinter, aber gescheiterter Projekte stehen, muss die Frage nach Sinn und Wirksamkeit der Hilfe häufiger und kritischer gestellt werden. Seit 60 Jahren wird nicht so geholfen, dass die Helfer möglichst bald wieder abziehen können. Es widerspricht dem Sinn der subsidiären Hilfe, jemandem etwas zu geben, was er selbst erarbeiten könnte. So werden die Menschen zur Untüchtigkeit „erzogen“. Der derzeitige gigantische Entwicklungshilfeapparat ist weit von der Wirklichkeit entfernt. Zahlreiche in Bonn oder Berlin verfasste Strategiepapiere zeugen von Unwissenheit. Trotzdem wird die Fehleranalyse weiter aufgeschoben. Vieles mag in der Theorie sinnvoll sein, weckt aber in der Praxis falsche Erwartungen.

Längst fälliger Schritt

Die Mittel (derzeit etwas gekürzt auf 11,22 Milliarden Euro) sind zu einem Zwangskorsett geworden, weil sie ausgegeben werden müssen. Wenn wir diesem Zwang weiter ausgesetzt sind, gehen wir nach dem Kartoffel-Theorem vor: „Was auf den Tisch kommt, wird gegessen.“ Während bei uns die Infrastruktur verfällt.

Die Eingliederung des BMZ in das Auswärtige Amt ist ein längst fälliger Schritt. Denn wir brauchen eine gesamtpolitische Zielsetzung, die sich auf diese Weise effizienter erreichen lässt. Die Kompetenz der Experten muss an die Botschaften verlegt werden. Alle Außenbeziehungen sind Materie des Auswärtigen Amtes. Entscheidungen über Erfolg versprechende Programme für die Ärmsten müssen dort getroffen werden. Alle Aktivitäten der deutschen Bundesregierung im Ausland gerade auch diejenigen der Entwicklungszusammenarbeit sollten sich einfügen in die oftmals komplexen Gesamtbeziehungen Deutschlands zu dem betreffenden Land.  

Einheitlich, selbstbewusst, sachkundig

Deswegen macht es Sinn, den Sachverstand des BMZ mit dem der Auslandsvertretungen zusammenzuführen. Die Entwicklungspolitik braucht eine einheitliche, selbstbewusste und sachkundige Vertretung unter Leitung des Botschafters vor Ort. Das würde den Einfluss Deutschlands auf die entwicklungspolitischen Entscheidungen des Gastlandes stärken. Die Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit mit den außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen zu verbinden, ist im Interesse des Ganzen sehr sinnvoll.

Deshalb haben europäische Staaten die Trennung in zwei unterschiedliche Ministerien beendet. Die französische Regierung hat diesen Schritt bereits 1998 vollzogen und damit eine bessere Koordination zwischen Außen – und Entwicklungspolitik statt des unsäglichen Zuständigkeitsdenkens geschaffen.

Deutsche Hilfegeber konkurrieren untereinander

Heute ist es leider so, dass fast alle Ministerien, Bundesländer und manchmal sogar Städte eine Auslandskomponente haben, über die die Botschaften nicht einmal unterrichtet werden. Die Hilfegeber scheinen sich nicht zu ergänzen, sondern machen den Eindruck, miteinander zu konkurrieren. Unser Interesse sollte aber die effektive und korrekte Verwendung der Steuermittel im Sinne der Gesamtbevölkerung des Gastlandes und die Umsetzung der versprochenen Reformen sein.

Botschaften mit dem zusätzlichen Sachverstand der BMZ-Experten könnten das erheblich leichter durchsetzen. Eine Integration des BMZ in das Auswärtige Amt würde viel Reibungsverluste und Steuerzahlergeld sparen. Hilfe in der bekannten Form mindert oder behindert die Leistungs- und Reformbereitschaft und erschwert es reformwilligen Politikern, Leistungen zu verlangen und Veränderungen herbeizuführen.

Ich bin nicht gegen Hilfe, aber erst dann, wenn die Eigeninitiative an ihre Grenzen stößt. Die Welt geht nicht unter, wenn wir nicht weiter aus moralischen Gründen ungeprüft mit Milliarden um uns werfen. Kritische Afrikaner nehmen das Sendungsbewusstsein und den Moralismus längst nicht mehr ernst. Sie sagen mir, dass es den Deutschen vor allem darum zu gehen scheint, beliebt zu sein.
 

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Wilhelm Keyser | Do., 15. August 2024 - 16:27

Oder diese Aufgaben schlicht auslaufen lassen. Bald sind alle da, für die die Entwicklungshilfe gedacht war;-) Aber im Ernst: DE ist auf dem absteigenden Ast, die aktuellen Zahlen belegen das, das ist keine Augenblicksaufnahme, das ist ein Trend, und die Struktur für eine Trendumkehr, für neues Wachstum und zukünftige (werthaltige) Entwicklungen, die zerstören wir gerade selbst, allenthalben, in den Schulen, in den Universitäten, im Verkehrswesen, bei der Energieerzeugung, im produzierenden Gewerbe etc.

manfred westphal | Do., 15. August 2024 - 16:44

Die FDP sollte dann konsquent die Verschlankung des Staates fordern und angehen.
Die jetzigen 16 Bundesministerien werden auf 9 zusammengelegt, neugeordnet und aufgelöst.
Kanzleramt – Innen-- Digitales -- Heimat
Verteidigung
Finanzen
Justiz
Gesundheit
Wirtschaft – Bildung-- Forschung --Nukl.Sichh.
Auswärtiges Amt--Wirtsch. Zusammenarbeit
Arbeit – Soziales-- Familie – Senioren—Jugend--Frauen
Bauen—Wohnen—Verkehr-- Landwirtschaft --Umwelt
Einzelne Referaten werden ausgetauscht und umgegliedert, z.B. gehört der Antisemitismusbeauftragte m.E. in das Kanzleramt.
Das Bonn/Berlin-Gesetz wird aufgehoben und alle Ministerien nach Berlin verlegt.
Die Ministerien werden verschlankt und auf deren wesentliche sachlichen Aufgaben reduziert.
Entsprechend werden Bundesämter /Bundesbehörden aufgelöst, zusammengelegt und neugeordnet.
Es wird ein sofortiger Baustopp, ein Anmietungsverbot und Einstellungsstopp verfügt.

Dana Winter | Do., 15. August 2024 - 18:15

Antwort auf von manfred westphal

wäre eine drastische Reduzierung der Ministerien. Wie genau bleibt zu überlegen. Der Antisemitismusbeauftragte im Kanzleramt ist ein vernünftiger und dem Thema angemessener Vorschlag. Aber: Niemals wird das stattfinden. Solange wir aufgrund des Wahlrechts nur noch Zweier- oder Dreier-Koalitionen haben, wird es um die Verteilung der Ministerämter gehen, und deshalb wird jede Einsparung auf den Widerstand der Parteien treffen und damit scheitern. Leider.
Ich habe selbst in einem Bundesministerium gearbeitet und kann nur sagen: Da gab es viel Selbstbeschäftigung und daher viel Raum für Einsparungen.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 16. August 2024 - 09:25

Antwort auf von manfred westphal

Auf neu reduzieren wäre schon mal ein Anfang. Überflüssige Behörden auflösen oder zusammenlegen auch. So oder ähnlich wie Sie es skizzieren, wäre es mal eine Diskussionsgrundlage endlich den überbordende Bürokratismus und Personalpolitik einzuhegen. Was die FDP da vorschlägt ist ja grundsätzlich vernünftig und richtig, nur wird ihr das nicht mehr helfen bei den Wahlen. Zu spät, zu wenig und nicht glaubhaft. Aber schön, dass wir wieder mal darüber gesprochen haben. Schönes Wochenende Ihnen und allen Foristen und der Redaktion.

Romuald Veselic | Do., 15. August 2024 - 16:47

Das Ministerium des Gutgemeinten ist das Gegenteil von gut. Besonders das Deutsch-Gutgemeinte ist obsessiv negativ und unmoralisch. Wir haben genug Defizite zuhause, anstatt Kühlschränke in die Arktis zu liefern, weil die "Experten" meinen, es geht um Heizkörper.

Schade, das kein Olympia in Dummheit gibt. Dann wäre "uns" 1ne Goldmedaille immer sicher.

Ronald Lehmann | Do., 15. August 2024 - 17:27

um wirklichen Fortschritt & Erfolge verzeichnen zu können

Aber woher sollen denn die Ingenieure & Charismatiker für so ein Projekt kommen
wo doch bewusst & geplant "DUMMHEIT" kreiert & verkauft worden ist

als erstes müsste nicht nur der Hofstaat auf 50% gekürzt werden
sondern ALLE STELLEN in diesem Land
die am Tropf des STAATES hängen

aber dann hätten wir über 30% Arbeitslose
denn wer in der Privat-Wirtschaft will all diese Möchtegerne & Besserwisser einstellen

& da brauen wir nur mal bei den Medien anfangen, wo man die Pappenheimer kennt

& wenn ich alleine in Dresden die abertausende von Palästen & Villen sehe & all jene
wo ein jeder sich wichtig nimmt
weil er dies seit Kinderschuhen so gelernt hat

statt (Anstands)Regeln & Gebote zu lernen
& nach Weisheit zu streben
"
aber schon beim Wort "SELBST & STÄNDIG"
beginnt die Krise bei staatlichen Stellen
> nur das 😈-Wort HOMEOFFICE 😭

die S&S verinnerlicht hatten
sind schon lange in der Rente
wie z.B. ein Herr Wolfgang Grupp von Trigema 💓

Rainer Mrochen | Do., 15. August 2024 - 17:30

Wenn schon ins AA aber dann bitte unter qualifizierter Führung. Denn sonst kann man alles so lassen wie es ist. Geldverschwendung ist es allemal, weil der grösste Teil in Korruption und Bürokratie verschwindet. Ich frage mich gerade wo Entwicklungshilfe für diejenigen die Selbige wirklich nötig haben, bisher eigentlich wirkungsvoll war? Wenn man vom Brunnenbauen absieht wofür sind 11,22 Mrd €, immerhin 2,35% des Bundeshaushaltes, in der Vergangenheit, mit sichtbaren Ergebnissen, hingeflossen? Dafür kann man In der Wüste selbstverständlich Radwege bauen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, in einem zunehmend bedürftigen Land wie Dtl. Infrastruktur neu auszurichten. Ich weiss schon, alles Polemik. Soll mir egal sein, denn an der Realität kommt Niemand vorbei. Wie sagt es sich so schön: Die normative Kraft des Faktischen. Die Welt wird damit auch nicht gerettet. Die Fäulnis, in der sich Dtl derzeit befindet, bedarf einer schweren Desinfektion.

Dana Winter | Do., 15. August 2024 - 18:17

einen Artikel von Herr Seitz lesen zu können. Sein Buch "Afrika wird arm regiert" hat mir die Augen für die Probleme des Kontinents und der Entwicklungshilfe geöffnet. Ich fand es lehrreich und spannend. Danke, Herr Seitz!

Ich hoffe es ist ihnen bewusst das der damalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, schon vor Dekaden einen Schuldenerlass für Afrika gefordert hat. Die ungeklärten Umstände seiner Ermordung bieten reichlich Möglichkeit für Spekulation.

Ingofrank | Do., 15. August 2024 - 18:45

Und das bei keiner Budgeterhöhung für das AA.
Da hätten wir doch die paar fehlenden Milliarden für den kommenden Haushalt 25, ich fände es gut👍
Mit freundlichen Gruß aus der Erfurter Republik

Henri Lassalle | Do., 15. August 2024 - 19:22

Deutschland ein "Entwicklungsministerium" gibt.
Entwicklung gehört definitv zur Aussenpolitik, da Interessen die dominante Rolle spielen.

Hilfe zur Selbsthilfe ist die einzige Möglichkeit, den Menschen in den Ländern zu helfen. So wäre beispielsweile der Ausbau von Elektrizitätsnetzen in Afrika eine enorme Hilfe.
Geld geben ist blanker Unsinn, das fliesst in kleptokratische Hände.

Reinhold Schramm | Do., 15. August 2024 - 23:30

Der Steindamm im Hamburger Stadtteil St. Georg ist für viele Afghanen offenbar ein Tor in die alte Heimat, zum Hindukusch: Im Umkreis weniger Hundert Meter befinden sich hier gleich mehrere Reisebüros, die für Menschen aus Afghanistan, die in Deutschland Schutz suchten und bekamen, Reisen in die alte Heimat organisieren.

Doch wie ist eine Heimreise nach Afghanistan als Geflüchteter möglich? Wer organisiert diese Reisen? Wer weiß Bescheid? Wie groß ist die Industrie, die dahintersteckt? Wer profitiert? Und warum unternehmen die deutschen Behörden nichts dagegen?

* Nach Deutschland geflüchtete Afghanen nutzen Pass-Trick für heimlichen Heimaturlaub - n-tv.de

Frage: Braucht es ein rasches Ende der Aufnahme von Afghanen und eine ebenso rasche Rückführung von mehr als 600 000 Afghanen nach deren Heimat?

Fazit: Überfällig ist ein Ende der Migration und des Asyls im erträumten deutschen Konsumparadies!
Kosten in Höhe von Milliarden Euro aus den Sozialkassen der Erwerbsbevölkerung!

Ferdinand Schulze | Fr., 16. August 2024 - 06:58

Die FDP hat schon einmal "gefordert", das Ministerium für Entwicklungshilfe abzuschaffen. Ein gewisser Dirk Niebel von der FDP machte es sich dann doch auf dem Posten bequem. Was soll man dieser Partei überhaupt noch glauben?
Ansonsten schätze ich die Artikel von Herrn Seitz sehr, auch bei achgut.com.

S. Kaiser | Fr., 16. August 2024 - 09:51

„Die Welt geht nicht unter, wenn wir nicht weiter aus moralischen Gründen ungeprüft mit Milliarden um uns werfen. Kritische Afrikaner nehmen das Sendungsbewusstsein und den Moralismus längst nicht mehr ernst. Sie sagen mir, dass es den Deutschen vor allem darum zu gehen scheint, beliebt zu sein.“
Sehr schön die Scheinheiligkeit aus dem AA und dem BMZ auf den Punkt gebracht, oder neudeutsch gesprochen, das hohle ‚virtue signalling“ entlarvend, dass leider auch mit einer erheblichen Geldverschwendung einhergeht.
Dank des Internets kann man sich heutzutage problemlos selbst ein Bild davon machen, denn es gibt auch jede Menge afrikanischer YT-Kanäle, die genau diese westliche Doppelmoral (auch ihnen gegenüber) anprangern.

Mirko | Fr., 16. August 2024 - 11:57

... wenn unsere BRD bald Entwicklungshilfe braucht?! Welches Ministerium eines anderen Landes ist dann zuständig? (Ironie off)

Dietmar Philipp | Fr., 16. August 2024 - 13:02

Sicherlich kann man streiten was wohin gehören könnte. Aber, eigentlich sind die wahren Gründe einzusparen. Da ist nichts zu schade, kürzen bei allen Ministerien. Es geht schließlich darum, die Kriegstüchtigkeit national und international zu finanzieren. Jetzt will Deutschland von den USA Abwehrsysteme kaufen im Wert von etwa 40 Milliarden. Das ist nicht einmal für eine Führungsmacht wie Deutschland angemessen, es muss weiter gehen, bis zum Ruin und Volksaufstand!!!

Albert Schultheis | Fr., 16. August 2024 - 13:47

Entwicklungshilfe ist nichts anderes als eine verspätete Form des Kolonialismus und des Rassismus.
Wir hier in Deutschland, dekadente Söhnchen und Töchter aus unseren post-modernen Städten mit keinerlei Bezug mehr zu einem "analogen" Leben, sagen den "armen unterentwickekten" Leuten dort wo's langgeht! Das ist einfach lächerlich, eine Farce. Ich lebe seit 7 Jahren auf einer ehemals armen kanarischen Insel, betreibe Landwirtschaft. Obwohl ich ursprünglich vom Bauerhof komme, lerne ich von meinen Nachbarn, wann und wie man anpflanzt, sät, bewässert, düngt und erntet. Die Leute haben hier für alles eine Lösung, es ist ein kompletter, runder Microkosmos, aber die Dinge funktionieren anders als bei uns.
Hört auf euch mit viel Geld aufzuspielen, ihr macht mehr kaputt, als ihr heil machen könnt. Fangt lieber an Entwicklungshilfe IN Deutschland zu betreiben - dort haben die Menschen den Bezug zur Realität verloren, sind entfremdet von sich und dem realen Leben und seinen Anforderungen.