- Neue Handelsströme, neue Probleme
Russland hat es bisher geschafft, trotz der westlichen Sanktionen seine Exporte aufrechtzuerhalten. Doch weil sich der Handel jetzt verstärkt auf asiatische Länder fokussiert, treten massive Probleme mit der Infrastruktur in den Vordergrund.
Russland ist es gelungen, sein Exportvolumen im Jahr 2022 trotz der westlichen Sanktionen gegen das Land aufrechtzuerhalten – und trotz aller damit verbundenen logistischen Schwierigkeiten. Denn die Verluste im Handel mit Europa wurden durch einen verstärkten Handel mit Asien ausgeglichen. Ob durch die Schaffung von Parallelimporten oder durch den Aufbau neuer Handelsbeziehungen mit Ländern, die den Westen nicht unterstützen – die Umgehung der Sanktionen hat für Moskau eindeutig Priorität.
Es gibt jedoch Grenzen dafür, wie weit sich Russland wirklich nach Ost- und Südasien umorientieren kann. Es stimmt, dass einige Länder die Verhängung von Sekundärsanktionen befürchten, und es stimmt auch, dass die Zahlungen kompliziert sind, selbst wenn sich die Volkswirtschaften der Länder ergänzen. Aber das größte Hindernis ist die unzureichende Infrastruktur. Die Waren, die früher nach Europa, heute aber nach Ost- und Südasien gingen, müssen durch ganz Russland transportiert werden, um ihren Bestimmungsort zu erreichen, und es gibt wachsende Befürchtungen, dass die Transportinfrastruktur bald an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen wird. Einfach ausgedrückt, wird es für Russland schwierig sein, den Handel mit seinem derzeitigen System zu steigern.
Deutlich mehr Handel mit China
Im Jahr 2022 gelang es Russland, erhebliche Mengen an Öl und Kohle nach China und Indien umzuleiten, vor allem weil es die Lieferung dieser Güter an westliche Länder eingestellt hatte. Chinesische Unternehmen wiederum erhöhten ihre Exportlieferungen nach Russland drastisch und nutzten den Rückzug vieler westlicher Unternehmen vom russischen Markt. Infolgedessen stieg der russische Handel mit China im Vergleich zum Vorjahr um 28 Prozent. Auch der Handel mit den Mitgliedern der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sowie mit der Türkei, über die Russland Zugang zu sanktionierten Waren erhält, hat zugenommen.
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Das neue Handelsportfolio Russlands hat den gesamten Verkehrssektor verändert – von den Verkehrsverbindungen bis hin zur Struktur und zur Richtung der Frachtströme. Statt über die Schwarzmeerhäfen oder die Eisenbahn in den Westen zu gelangen, fließen die russischen Waren nach Süden und Osten, durch das russische Festland. Immer mehr Güter werden vom Suezkanal zu den Häfen im Fernen Osten Russlands transportiert. Auch der direkte Bahntransport über die Grenzübergänge zu China, Kasachstan und der Mongolei hat erheblich zugenommen.
Doch die neuen Handelsströme haben neue Probleme geschaffen. Die Grenzanlagen und die inländische russische Infrastruktur waren für die Abwicklung des zunehmenden Handels mit dem übrigen Asien schlecht gerüstet. Die Häfen im Fernen Osten, auf die der Großteil der derzeitigen Ein- und Ausfuhren entfällt, sind bereits zu 100 Prozent ausgelastet. Als sich die Europäische Union im August vorigen Jahres weigerte, russische Kohle zu kaufen, erreichten die Kohleexporte nach China einen Fünfjahreshöchststand, wobei fast die Hälfte der russischen Eisenbahnkapazitäten durch Kohleexporte belegt war, was die Verschiffung von Gütern mit höherem Mehrwert erschwerte, die Russland zu nutzen versucht, um die sanktionsbedingten Verluste auszugleichen. Lastwagen reichen nicht aus, um die Engpässe zu umgehen; die Staus haben zugenommen, ebenso wie die Zeit, die die Waren brauchen, um China zu erreichen. Ähnliche Probleme traten auch im Kaukasus auf.
Zu wenige Straßen und Schienen
Die südlichen und östlichen Verkehrswege stehen folglich vor drei Problemen: Sie sind zu wenige, zu schlecht gewartet und zu klein, um ein höheres Frachtaufkommen zu bewältigen. Abgesehen von Pipelines sind Straße und Schiene die einzigen Möglichkeiten, Güter durch Russland zu transportieren. Von den beiden ist die Schiene natürlich wichtiger; das riesige Territorium, der fehlende Zugang zu den Seehandelswegen und das raue Klima machten dies erforderlich.
Obwohl der Transport über Schienen und Straßen teurer ist, ist die Binnenschifffahrt aufgrund der kurzen Fahrzeiten und des generellen Fehlens von Flüssen in West-Ost-Richtung keine vernünftige Alternative. Für den Osthandel sind die beiden regionalen Autobahnen die einzigen brauchbaren Transportwege. Für den Handel im Süden kommen nur die Ausbaustraßen entlang des Kaspischen Meeres, die Р-217, die an Aserbaidschan grenzt, die A-161, die nach Georgien führt, und die A-164 nach Südossetien in Frage, die aber aufgrund der schlechten Witterung und des bergigen Geländes ständig gesperrt ist.
Ein weitaus größerer Wandel
Die regionalen Unterschiede in der Infrastruktur sind auf die geografischen Gegebenheiten zurückzuführen. Der Süden und Osten entwickelten sich viel langsamer als der Rest Russlands, weil das Gelände und das Klima schwierig und rau sind und weil die Bevölkerung mit geringer Bevölkerungsdichte so weit von den wichtigsten Verbrauchszentren entfernt lebte. Die Transportwege konzentrierten sich daher auf den europäischen Teil Russlands, wo ein bedeutender Teil der einkommensstärkeren Bevölkerung lebt. Hier gibt es einen viel größeren Absatzmarkt für Waren, eine größere Nähe zu den europäischen Märkten und weniger geografische Hindernisse. Nahezu alle wichtigen Straßen verlaufen radial von Moskau und St. Petersburg aus. Europa ist daher seit jeher der größte und wichtigste Handelspartner Russlands, auch wenn sich die konkreten Handelspartner im Laufe der Jahre geändert haben.
Ein weitaus größerer Wandel vollzog sich in den 2010er Jahren, als China zu einer bedeutenderen Handelsmacht wurde. Damals begann Moskau seine Hinwendung zu Asien, um seinen Einfluss im Osten zu stärken, sein Außenhandelsportfolio auszubalancieren und die Auswirkungen der seit 2014 verhängten Sanktionen abzuschwächen. Auf die Mitglieder der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation entfielen 33 Prozent des gesamten russischen Handels – ein deutlicher Anstieg, aber immer noch ein geringerer Prozentsatz als bei Europa, auf das fast 36 Prozent entfielen. Die Zunahme des Handels hat sich jedoch nie wirklich in einer Verbesserung der Infrastruktur niedergeschlagen. Moskau verließ sich weiterhin auf die bestehenden Straßen- und Schienennetze sowie auf den Suezkanal und den Schwarzmeerhafen Noworossijsk.
Steigende Zahl an Verkehrsunfällen
Der derzeitige Zustand der östlichen und südlichen Verkehrssysteme ist daher vergleichsweise schlecht. Die Fahrzeuge werden stark beansprucht – und sie beanspruchen Straßen, die reparaturbedürftig sind. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist auf mehreren Autobahnen um bis zu 80 Prozent gestiegen, da immer mehr Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind.
Von den Preisen ganz zu schweigen. Eines der größten Probleme für den Transport in Containern sind die hohen Zölle, die den Handel mit China auf der Schiene erschweren. Die Kosten sind hoch, und die Lieferzeiten, die unzureichende Kapazität der Containerzüge und der Mangel an Containerausrüstung machen die Sache noch schlimmer. (Russland ist in hohem Maße von Containern abhängig, und viele Containerunternehmen haben Russland nach der Verhängung der Sanktionen verlassen).
Der Kreml ist verständlicherweise besorgt, dass seine bestehende Infrastruktur bei einer Verschärfung der Sanktionen nicht mehr in der Lage sein wird, seine langfristigen Wirtschaftspläne zu verwirklichen. Seine infrastrukturellen Beschränkungen könnten die Versorgung von Verbrauchern und Unternehmen mit notwendigen Gütern aus Drittländern erheblich verlangsamen und Russland daran hindern, genügend Waren an das übrige Asien zu verkaufen, um die sanktionsbedingten Ausfälle auszugleichen.
Der Kreml ist sich bewusst, dass es sich hierbei um ein langfristiges Problem handelt, und hat daher bereits eine Reihe ehrgeiziger Projekte geplant, um diese Situation zu lösen. In den nächsten sieben Jahren kann Russland 30,8 Milliarden Dollar für den Ausbau der Eisenbahnverbindungen mit China bereitstellen, wozu auch die Einrichtung von drei neuen Kontrollpunkten entlang der russischen Grenze sowie die Verlegung von 369 Kilometern Gleisen in Russland und 3.000 Kilometern Schienen in Kasachstan, der Mongolei und China gehören. Die Russischen Eisenbahnen kündigten an, in diesem Jahr 7,5 Milliarden Rubel (87 Millionen Euro) in den Ausbau von Kontrollpunkten und hinteren Terminals im Fernen Osten zu investieren. Diese Projekte erfordern jedoch viel Zeit und Geld, beides ist in Russland Mangelware.
Das bringt den Kreml in eine schwierige Lage. Moskau muss dringend neue Infrastrukturen schaffen, um die Hinwendung zu Asien zu erleichtern, aber das ist ohne die erhöhten Handelseinnahmen schwierig. Gelingt dies nicht, könnten die Pläne der Regierung, neue Handelsbündnisse zu schmieden, in Frage gestellt werden.
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Wer hat die denn tatsächlich? Russland oder die EU, die ihre Sanktionen verpuffen sehen. Mag ja sein, dass die kurzfristig Probleme haben werden, aber das werden die Russen letztlich genauso meistern, wie die vielen anderen zum Teil herbeigeredeten Probleme, die sich im Nachhinein nur als pures Wunschdenken des Westens entpuppten. Jedenfalls haben wir mehr Probleme mit den Sanktionen als es Russland hat. Und der asiatische Raum ist groß genug, den Ausfall der EU zu kompensieren. Und egal wie der UA-Krieg ausgehen wird, es wird Russland sein, die bestimmen am Ende ob und mit wem und in welchem Umfang sie künftig im Westen Handelt treiben werden. Ich kann deshalb die "Befürchtungen" nicht ohne Zweifel teilen, weil eben schon so viele Propaganda vom Untergang Putin, des Rubels, der Wirtschaft, einem bevorstehenden Kriegsverlust usw. fabuliert wird, dass ich egal von wem, nichts aber auch gar nichts mehr bereit bin zu glauben. Für mich zählen einzig Fakten und die liefert derzeit keiner.
kann ihnen nur zustimmen.
Die stimmen dann schon.
Ein schönes Sätzchen, weil so wunderbar abenteuerlich:
...egal wie der UA-Krieg ausgehen wird, es wird Russland sein, die bestimmen am Ende ob und mit wem und in welchem Umfang sie künftig im Westen Handel treiben werden..
Wobei wir wieder bei der von einem anderen Foristen ständig "proklamierte" Unbezwingbarkeit Russlands wären.
Das, so verstehe ich diesen Kommentar - unabhängig vom Kriegsausgang (!) - selbstverständlich eine Art "natürliche Überlegenheit" gegenüber dem Westen behält.
Und im Übrigen glaubt der geehrte Forist ja sowieso nur, was genehm ist.
Da passt eine russische Niederlage nicht dazu. Denn schliesslich, so ein anderer großer Vorsitzender namens Bernd Hoecke, ist Russland doch unser natürlicher Partner.
Das ist natürlich zum großen Teil schlicht Käse. Der asiatische Raum wird seinen Handel garantiert nicht an Putins Wünschen ausrichten, gegenüber China sind die Russen jetzt schon Juniorpartner. Und nicht Russland, China bestimmt....