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Israel - Rivlins Einstaatenlösung ist eine Utopie

Israels Präsident Rivlin besucht Deutschland anlässlich der 50-jährigen Beziehungen beider Staaten. Er lehnt die Zweistaatenlösung ab und träumt von einem gemeinsamen Staat mit Juden und Palästinensern. Judith Hart hält das für unrealistisch

Autoreninfo

Judith Hart ist Ressortleiterin Weltbühne bei Cicero

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Es geht nicht, sagt der israelische Staatspräsident Reuven Rivlin. „Unsere Freunde versuchen, uns die Zweistaatenlösung aufzuzwingen.“ Die meisten Israelis seien ja zu vielen Kompromissen bereit, wenn es denn Frieden gäbe, sagt Rivlin in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Aber nach den Oslo-Verträgen und dem Rückzug aus Gaza, das jetzt von der Hamas regiert wird, kann man den Menschen diesen Traum nicht mehr vermitteln, ohne, dass sie einen Alptraum fürchten.“

Rivlins Bilanz ist die vieler Israelis: Wir haben uns zurückgezogen – und werden seither immer und immer wieder mit Raketen beschossen. Die Konsequenz ist: Wenn Israel auch das Westjordanland und Ost-Jerusalem räumen soll, um dort die Errichtung eines palästinensischen Staates zu ermöglichen, dann nur unter einer Bedingung: Dieser Staat darf die Existenz Israels nicht bedrohen, er muss neutral sein, „er darf keine Armee und keine Luftwaffe haben“. Es wäre ein Staat, so Rivlin, der eigentlich keiner ist. „Und das würden die Palästinenser nicht akzeptieren.“

Wenn aber nach Rivlin die Zweistaatenlösung geografisch beinahe unmöglich und politisch inzwischen eine Illusion ist, wie soll es denn dann weiter gehen im Nahen Osten? Will Rivlin, dessen Vorfahren schon vor 220 Jahren ins Heilige Land kamen, eine Einstaatenlösung, wie sie neuerdings viele Palästinenser propagieren? So weit geht Rivlin dann doch nicht. Er schlägt eine „Föderation“ vor, vielleicht sogar im Zusammenhang mit einer Initiative, die „alle Streitigkeiten im Nahen Osten lösen soll“ und an deren Ende es Israelis und Arabern gelänge, friedlich zusammen zu leben.

Nun ist gegen ein „friedliches Zusammenleben“ wirklich nichts einzuwenden. Aber unter welchen Voraussetzungen eine solche Föderation zustande kommen und wie sie genau aussehen soll, das bleibt im Dunklen. Kein Wunder. Denn was nett klingt, heißt konkret: die Fortsetzung der Besatzung unter dem neuen Label „Föderation“. Es wäre Israels Armee, die weiter in diesen Gebieten für „Sicherheit sorgt“, die Grenzen zu den Nachbarländern kontrolliert, Siedlungen schützt. Warum das friedlicher sein soll als der gegenwärtige Zustand und warum die Palästinenser eine Föderation akzeptieren sollen, das ist alles andere als klar.

Einstaatenlösung würde den Judenstaat beerdigen


Nein, die Zwickmühle bleibt die gleiche. Da kann Rivlin, der fließend Arabisch spricht und der sich immer wieder für gute Beziehungen zu den arabischen Bürgern Israels stark macht, noch so sehr von rundum harmonischen Beziehungen träumen.

Zieht Israel sich aus dem Westjordanland zurück und entsteht ein palästinensischer Staat an seiner Seite, so begibt es sich in die konkrete Gefahr beständiger Attacken. Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass Hamas auch in diesen Gebieten wie schon in Gaza erst Wahlen gewinnt und dann den politischen Gegner mit Hilfe eines Putsches beseitigt.

Zieht es sich nicht zurück, bleibt es der hässliche Besatzer, unterminiert weiterhin seine Demokratie und verstärkt seine internationale Isolation. Mit einer Einstaatenlösung aber wäre der Traum eines „jüdischen, demokratischen Staates, der sicherer Hafen ist für alle Juden dieser Welt“ ausgeträumt. Räumt es den Palästinensern des Westjordanlandes und Ost-Jerusalems gleiche Rechte ein, wird es bald keine jüdische Mehrheit geben. Das wäre das Ende Israels. Erhielten sie keine Bürgerrechte wie jetzt die etwa 25 Prozent arabischer Bürger im Kernland Israels, wäre das Land keine Demokratie mehr.

Es gibt, so schwierig er ist, wohl keinen anderen Weg als die Zweistaatenlösung. Aber in einem hat Rivlin Recht: Aufzwingen kann man sie weder den Israelis, noch den Palästinensern. Diese beiden Völker haben mit den Konsequenzen zu leben, nicht die „Freunde“ und Vermittler, seien es die USA oder Europa. Wenn Europa sich also so vehement – und auch zu recht – für eine Zweistaatenlösung einsetzt, wenn Deutschland seine „besonderen Beziehungen“ betont, dann wird es mehr tun müssen, als Druck auszuüben. Dann wird es überlegen – oder sogar konkrete Angebote machen müssen – wie aus dem Traum vom Frieden kein Alptraum wird.

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