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Kinderbetreuung - Gleichberechtigung ist ein Luftschloss

Kolumne: Stadt, Land, Flucht. Männer können sich genauso gut wie Frauen um Kinder kümmern. Sie tun es nur selten. Auch, weil Frauen naturgemäß zu ihrem Glück gezwungen werden. Bauen wir mit unserem Wunsch nach Gleichberechtigung an einem Luftschloss?

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Eine skurrile Studie hat in der vergangenen Woche eine ernsthafte Debatte entfacht. Es geht um Mütter, die es bereuen, Kinder in die Welt gesetzt zu haben. 23 Frauen haben der israelischen Soziologin Orna Donath Einblick in ihr intimstes Gefühlsleben gewährt und damit weltweit Beachtung ausgelöst: Die Mütter beschreiben unter #regrettingmotherhood ihre Rolle im Nachhinein als belastend, „als Albtraum“ und die Geburt der Kinder als eine Entscheidung, die sie um jeden Preis rückgängig machen würden, wenn sie denn könnten.

Man hätte erwarten können, dass diese nicht repräsentative Studie mit den Einzelschicksalen weniger Frauen schnell in der wissenschaftlichen Versenkung verschwindet. Stattdessen schlagen den Frauen weltweit Sympathien entgegen, ihre Bekenntnisse treffen einen Nerv. Die Diskussion um Kinder- und Lebensplanung wird heute mit einem ganz anderen Impetus geführt, wie sich dieser Tage an der erneuten Debatte um das Betreuungsgeld ablesen lässt. Der gesellschaftliche Anspruch ist, dass Frauen Mütter werden, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und gleichzeitig die eigene „Befreiung“ vorantreiben. Das Ziel: Väter und Mütter, die sich gemeinsam und erfolgreich um Haus, Kinder und Karriere kümmern. Dass wir mit diesem Wunsch einer Schimäre aufsitzen, würde niemand öffentlich zugeben.

Dabei ist die Nachricht, dass das Elterngeld keine Gleichberechtigung schafft, nicht neu. 80 Prozent jener Männer, die überhaupt Elternzeit nehmen, entscheiden sich für die „Light-Version“ mit 2 Monaten.  Ende des Jahres 2014 waren 94,7 Prozent der Bezieher des Betreuungsgeldes Frauen, schreibt die Süddeutsche Zeitung und schaut nach Finnland und Schweden, wo es doch so wunderbar mit der Gleichberechtigung funktionieren soll. Aber auch hier zementiert sich statt der propagierten Wahlfreiheit seit Jahren die Ungleichheit zwischen Männern und Frauen.

Mit Sicherheit können Männer kleine Kinder genauso liebevoll und kompetent umsorgen wie Frauen. Mit ebensolcher Klarheit können wir aber konstatieren: Sie tun es selten. Auch, weil Frauen dazu neigen, die Kinderbetreuung an sich zu reißen. Schuld daran aber ist nicht nur eine chauvinistische Arbeitsatmosphäre oder moralisierende Gesellschaften, sondern vielmehr die naturgemäße Tatsache, dass frau durch Schwangerschaft oder Stillen zunächst einmal enger mit dem Nachwuchs verbandelt ist. Sie wird also zu ihrem Glück gezwungen. Oder zu ihrem Pech, wie die Resonanz um #regrettingmotherhood vermuten lässt.

Lebenslange Narben eines unterbrochenen Karrierewegs


Vielleicht sind jene, die sich jetzt zu Wort melden, müde von all den schönen Versprechungen der großen Gleichstellung geworden. Vielleicht ahnen sie, dass die Realität eine andere ist: Mutterschaft beinhaltet den Verlust von Zeit, Kontrolle und Freiheit – von Teilen des eigenen Selbst. Das ist die bittere Wahrheit. Selbst das Lächeln eines geliebten Kindes kann nicht immer alles kitten, was sein Schreien zuvor angerichtet hat. Trotz Teilzeitregelungen, flexiblem Elterngeld, trotz Kitaplatzausbau und Kindergelderhöhung: Die Narben einer ein- bis mehrfach unterbrochenen Berufslaufbahn sind ein Leben lang zu sehen.

Aber kaum ein Politiker spricht aus, dass dies auch in Zukunft so sein wird. Zu groß ist die Angst mit einem veralteten Frauenbild als reaktionär und konservativ dazustehen. Man überlässt diese hässlichen Worte lieber der CSU, die oberhalb Würzburgs sowieso niemand mehr ernst nimmt, wenn sie von Wahlfreiheit durch die Herdprämie palavert.

Frauen aber, die sich im Nachhinein ein kinderloses Dasein wünschen, führen all diese Bestrebungen radikal ad absurdum. Weil sie das undenkbare Denken: Dass es unmöglich ist, Frauen zu „befreien“, solange sie Kinder bekommen. Dass sich Mutterschaft und ein erfülltes Arbeitsleben ausschließen. Weil der Konkurrenzkampf mit Kinderlosen und Männern immer auf einer ungerechten Ebene geführt wird.

Die Generation der jungen Eltern ist bekannt als abgebrüht, differenziert, pragmatisch, unaufgeregt. All die Ideologiefragen mit denen sich unsere Eltern abgequält haben, stellen wir uns nicht mehr. Was aber die Frauenfrage angeht, so haben wir uns verrannt. Noch immer basteln wir an einem Luftschloss mit Namen Gleichberechtigung – und merken nicht, wie ihm langsam aus Tausenden kleinen Löchern die Luft entweicht.

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