Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Regisseurin Feo Aladag - "In Afghanistan ist es als Frau einfacher"

Feo Aladag hat das Bundeswehr-Drama "Zwischen Welten" in Afghanistan gedreht. Im Gespräch mit Cicero Online erzählt sie von den Dreharbeiten unter Geheimdienst-Schutz, über die Vorteile, als Frau in Afghanistan zu arbeiten und die Reaktion von Politikern auf den kontroversen Film 

Autoreninfo

Björn Eenboom ist Filmkritiker, Journalist und Autor und lebt im Rhein-Main-Gebiet.

So erreichen Sie Björn Eenboom:

Cicero Online: Frau Aladag, ihr neuer Kinofilm „Zwischen Welten“, der diesen Donnerstag in die Kinos kommt, thematisiert den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Was hat Sie an dem Thema Afghanistan so fasziniert?
Feo Aladag: So vieles hat mich daran gereizt und fasziniert. Im Kern hat mich die Frage nach Verantwortung und nach einem wahrhaften sich einlassen in Begegnungen und Auseinandersetzungen interessiert. Zwischenmenschlich wie politisch. Wo stehen wir auf der Skala eines historisch nachvollziehbarerweise traumatisierten Selbstverständnisses einem kämpfenden, deutschen Soldaten gegenüber? Wie steht Deutschland zu den Ortskräften in Afghanistan, mit denen sie zusammen versuchen, das Land zu stabilisieren? Fühle ich mich als letzte Entscheidungsinstanz den Regeln der Gesellschaft, aus der heraus ich agiere, verpflichtet oder meinem eigenen Gewissen? All das waren Fragen und Gefühle, denen ich nachgehen wollte.

Wie hat die Politik auf Ihren Film reagiert?
Im Vorfeld skeptisch - und dennoch interessiert. Nach Fertigstellung bisher sehr positiv und – immer noch sehr interessiert an den Fragen, die im Film aufgeworfen werden.

Sie drehten den Film gar an Originalschauplätzen in Afghanistan. Wie wichtig war Ihnen dieser Aspekt und wie schwierig gestaltete sich die Realisierung?
Dieser Aspekt war mir immens wichtig. Mir war von Anfang an klar, entweder drehe ich den Film vor Ort in Afghanistan oder ich drehe ihn gar nicht. Das hat einerseits mit meinem eigenen Anspruch an Authentizität in Bezug auf das Erzählte und die Umsetzung zu tun und andererseits mit dem Wunsch nach einer Signalwirkung im kulturellen Bereich, was eine gelungene Zusammenarbeit zwischen Menschen aus Afghanistan und aus Deutschland angeht. Die Realisierung war insgesamt herausfordernd und auch sehr bereichernd.

In Afghanistan herrscht bekanntlich Krieg. Wie gefährlich waren die Dreharbeiten?
Sicherheit stand immer an oberster Stelle. Wir wurden sowohl durch die ANP, die afghanische Polizei als auch durch den afghanischen Geheimdienst gesichert. Die Bundeswehr war zu jedem Zeitpunkt über unseren Aufenthaltsort informiert. So hatten wir quasi eine Dreifachsicherung.

War die afghanische Bevölkerung dem Filmprojekt gegenüber freundlich gesinnt oder gab es auch Ablehnung?
Wir haben natürlich nicht unbedingt da gedreht, wo wir von einer Ablehnung wussten oder eine solche gespürt haben. An den meisten Orten fühlten wir uns sehr warmherzig und mit viel Neugierde aufgenommen. Klar, es gab auch Dörfer, in denen eine andere Stimmung fühlbar war. Aber das kann dir auch hier in Deutschland in manchen Ecken passieren, wenn du Ali Hassan heißt. Wir sind nicht bewusst in jene Dörfer gegangen, in denen eine extreme Haltung gegenüber Ungläubigen oder allgemein gegenüber Medien herrschte. Schon gar nicht mit einem größeren Team. Generell haben wir alle in Afghanistan unendlich mehr Freundlichkeit und mehr Begeisterung gespürt als alles andere.

Sie durften für die Dreharbeiten in Afghanistan das ISAF-Lager der Bundeswehr in Mazar-i-Sharif nutzen. Gab es im Gegenzug für die Kooperation mit dem Bundesverteidigungsministerium eine Einflussnahme auf den Filmstoff?
Nein. Es gab zu keinem Zeitpunkt eine inhaltliche Kenntnis oder gar Einmischung seitens des Bundesministeriums der Verteidigung oder der Bundeswehr. Das war mir auch von Anbeginn an enorm wichtig. Man muss an entscheidenden Punkten dieser Kommunikation ganz klar, direkt und ehrlich sein. Ich habe von Anfang an klargestellt, dass ich den Film nicht mache, wenn es eine inhaltliche Einmischung und keine echte Unabhängigkeit gibt. Wenn der Film den Anstrich von Programmmusik hätte, dann wäre damit unterm Strich niemanden gedient. Der Sache nicht und meinem Selbstverständnis und meiner Integrität als Produzentin und Filmemacherin schon gar nicht.

Hat die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Afghanistan Ihnen zu einem besseren Verständnis der komplexen Problematik verholfen?
Mein Eindruck ist, je mehr ich über die Komplexität der Spannungsfelder lerne, umso weniger meine ich zu wissen. Je öfter ich in Afghanistan war, desto komplexer wurde das Bild und mein Blickwinkel auf alle Bereiche wurde zusehens kritischer. So veränderte sich auch meine künstlerische Perspektive im Laufe der Entwicklung des Projekts, neben einer Vertiefung im Verständnis der komplexen Spannungsfelder in bundeswehrthematischer Hinsicht, vor allem auch sehr stark hin zur afghanischen Sichtweise der Fragestellungen.

Wie wurden Sie als Frau in Afghanistan wahrgenommen?
Überraschenderweise: Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich diskriminiert gefühlt, weil ich eine Frau bin. Ich habe nicht einen Moment erlebt, in dem ich das Gefühl hatte als Frau, die blond ist, aus dem Westen kommt und keine Muslima ist, weniger respektiert zu werden. Ich habe viel darüber nachgedacht, warum das so ist und glaube, dass diese Dreierkombination mich von vornherein zu einem Wesen der dritten Art gemacht hat, so dass ich gar nicht als Bedrohung wahrgenommen wurde. Eine afghanische Filmemacherin hätte es da in ihrem eigenen Land vermutlich schwerer gehabt als ich. Als Frau hatte ich es auch im Rahmen der Recherche viel einfacher. Ich komme als Frau zum Beispiel  unkomplizierter in Häuser und kann mich mit Männern und Frauen unterhalten, während ein Mann es da viel schwerer hat. Die Frauen im Haus müssten erst mal in einen anderen Raum gebracht werden, den es bei ärmeren Familien oft gar nicht gibt. So erfahre ich manches, was Männern verschlossen bliebe.

Der Film erwähnt das afghanische Sprichwort „Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit.“ Ist das Zeitempfinden in Afghanistan ein anderes?
Im afghanischen Empfinden haben viele Systeme über die Jahre versucht, sich den Afghanen aufzudrängen. Meist ohne wirklichen Erfolg. Dadurch ist ein gewisser Fatalismus erwachsen. Gerade in der Sicht auf die Entwicklung der eigenen Gesellschaft und der Zukunft ist damit vielleicht auch ein ganz anderes, eben gelasseneres Zeitempfinden kultiviert worden. Da in Afghanistan die Politik 'da oben' keine besondere Attraktivität, Salienz und Inspiration auf die Menschen auszustrahlen scheint, werden andere Dinge nicht nur in ihrer zeitlichen Ausdehnung größer und wichtiger. So etwa die persönliche Begegnung, mit der man in Afghanistan so unglaublich viel erreichen kann. Oft mehr als mit politischen Programmen. Man nimmt sich viel mehr Zeit füreinander, hört dadurch anders zu. Die Art der gegenseitigen Begegnung von afghanischer Seite ist auf jeden Fall geprägt durch einen großen Respekt für das Gegenüber und damit von einer Großzügigkeit, die wir uns in unserer Gesellschaft leider oft nicht mehr leisten wollen.

 

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.