Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
Anja Stiehler/Jutta Fricke

Frau Fried fragt sich - ...ob Teilen wirklich glücklich macht

Ist das Teilen besser als das Besitzen?

Autoreninfo

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft

So erreichen Sie Amelie Fried:

Beim Blick in unseren Keller ( circa eine Million Gegenstände, davon 999 000 unbenutzt ) befällt mich jedes Mal die große Konsumverweigerungseuphorie, und ich finde die Idee großartig, Dinge mit anderen zu teilen. Die Bohrmaschine, die ich nur alle Jubeljahre mal brauche, das Ruderbötchen, mit dem ich einmal pro Sommer rumschippern möchte, das Auto, das die meiste Zeit nur herumsteht – wie großartig wäre es, sich das alles nur noch auszuleihen, statt es selbst zu kaufen und Haus und Hof damit zuzumüllen. Auch mein Öko-Gewissen jubelt bei dieser Vorstellung: Wenn weniger gekauft wird, wird auch weniger hergestellt.

Doch dann kommen Zweifel. Mir fallen die unzähligen Bücher ein, die ich verliehen und nie wiederbekommen habe. Drei Mal erhielt ich mein Auto mit Blechschaden zurück: „Amelie, tut mir leid, ich habe leider gerade keine Kohle.“ Ganz zu schweigen von den Geldbeträgen, die ich verliehen und niemals wiedergesehen habe. In den WGs meines Lebens war ich immer die Blöde, der man die Einkäufe wegfraß, und den Zustand von Gemeinschaftseinrichtungen jeder Art empfand ich schon immer als ernüchternd. Das Teilen ist eine schöne Utopie. Unter Freunden mag es noch einigermaßen funktionieren, aber wenn etwas allen gehört, fühlt keiner sich mehr verantwortlich.

Die neuen Sharing-Modelle rechnen mit der Verantwortungslosigkeit des Einzelnen und lassen einfach alle dafür bezahlen. Ich steige in ein fabrikneues Auto ( das ich mir selbst nie leisten könnte ), nutze es so lange wie nötig und stelle es wieder ab. Ich genieße alle Vorteile des Eigentums, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Keine Parkplatzprobleme, kein Wartungsstress und obendrein kein schlechtes Gewissen. Sharing gilt als sozial, ökologisch und nachhaltig. In Wahrheit ist es die perfekte Illusion. Wir konsumieren ohne Reue und Verantwortung, ein Genuss, der uns zu immer mehr verführt. Wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, soll Fahrrad und Zug fahren. Und seine Bohrmaschine an Freunde ausleihen, obwohl er sie vielleicht kaputt zurückbekommt.

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.