- „Anshu Jain duckt sich zu Unrecht weg“
Die Kritik am Gebahren der Deutschen Bank trifft bislang nur Vorstand Jürgen Fitschen. Der Bankprofessor Wolfgang Gerke kritisiert das
Nehmen wir an, Sie hätten gerade Ihr Studium
abgeschlossen. Würden Sie bei der Deutschen Bank anfangen, die
vergangene Woche Besuch von bewaffneten Polizisten
bekam?
So eine Hausdurchsuchung wäre für mich nur ein Punkt bei der
Entscheidung der Wahl des Arbeitsplatzes. Da spielen auch die
Entfaltungsmöglichkeiten eine Rolle, die ich dort habe. Aber
sicherlich, die Reputation ist nicht unwichtig.
Deutsche-Bank-Chef
Jürgen Fitschen beschwerte sich beim hessischen Ministerpräsidenten
Volker Bouffier, die TV-Bilder der jüngsten Hausdurchsuchung würden
es dem Institut erschweren, die „besten“ Mitarbeiter im Ausland zu
finden. Muss die Staatsanwaltschaft da mehr Rücksicht
nehmen?
Die Beschwerde ist töricht, da brauchen wir nicht diskutieren. Das
ist eine völlige Fehleinschätzung, wie Justiz in Deutschland
arbeitet. So ein Versuch der Einflussnahme über die Politik ist
inakzeptabel. Herr Fitschen kann sich bei der Staatsanwaltschaft
beschweren, wenn er Maßnahmen für unangemessen hält. Deshalb beim
Ministerpräsidenten anrufen, das geht nicht, egal mit welchen
Argumenten.
Nun hat sich Herr Fitschen inzwischen für seine
Äußerungen entschuldigt. Seine erste Reaktion auf die
Hausdurchsuchung lässt dennoch tief blicken. Die Argumentation
suggeriert doch: die Justiz muss als verlängerter Arm der Regierung
auf die Interessen der Deutschen Bank achten. Läuft das so in
Deutschland?
Das ist natürlich albern. Es gilt für alle dasselbe Recht. Wir
haben die Gewaltenteilung. So ein Anruf ist ein Rückfall in eine
alte Kultur.
Was für eine Kultur ist das?
Das ist ein fatales Selbstverständnis nach dem Motto: Wir sind die
Deutsche Bank und wir sind etwas Besonderes. Wir müssen uns nicht
nach den anderen richten. Die anderen richten sich nach uns.
SPD-Politiker legen Fitschen nahe, nicht wie geplant
Chef des Bundesverbands Deutscher Banken (BdB) zu werden. Fitschen
lehnt einen Rückzug bisher ab. Zu Recht?
Ich würde nicht sagen, Herr Fitschen muss wegen dieses Telefonats
unbedingt darauf verzichten. Aber ich würde es ihm in seinem
eigenen Interesse raten. Er ist angeschlagen und muss sich jetzt
völlig auf die Deutsche Bank konzentrieren. Es wäre der ideale
Moment gewesen, selbst noch halbwegs elegant die Konsequenzen zu
ziehen. Jetzt muss er in Kauf nehmen, dass er auch noch als
BdB-Präsident ständig in der Kritik steht. Im Fall des
Steuerbetrugs im Handel mit CO2-Verschmutzungsrechten wird ja auch
gegen ihn persönlich ermittelt, und diese Verfahren können bis zu
einem Jahrzehnt dauern. Das ist eine Dauerbelastung.
Die Deutsche Bank muss einiges aufarbeiten, nicht nur
den Verdacht des Steuerbetrugs. Wo lauern aus Ihrer Sicht die
größten Gefahren?
Ich kann die Rolle der Deutschen Bank bei der Manipulation des
Leitzinssatzes Libor nicht einschätzen. Wenn sie massiv involviert
ist, kann das dramatische Konsequenzen haben und Milliarden kosten,
wie wir bei der Schweizer Bank UBS gesehen haben. Da kann die
Deutsche Bank nur hoffen, dass es sich in ihren Reihen um
Einzeltäter handelt.
In der öffentlichen Debatte geht es längst nicht mehr um
einzelne Taten, sondern um eine Unternehmenskultur der
Überheblichkeit und Gier, die der Deutschen Bank bescheinigt wird.
Zu Recht?
Mit dem Aufstieg des Investmentbankings hat sicherlich eine andere
Philosophie in das traditionelle Bankgeschäft Einzug gehalten. Die
Deutsche Bank ist viele Jahre auf dieser Welle mitgeschwommen, mit
all ihren negativen Seiten. Jetzt will man wieder zurück zur alten
Seriosität.
Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann scheint gerade im
richtigen Augenblick gegangen zu sein. Die Skandale des
Investmentbankings müssen jetzt andere ausbaden…
Mich beschäftigt eher die Rolle des aktuellen Co-Chefs Anshu Jain.
Er hatte in seiner Abteilung in London den Handel zu verantworten.
Hier sind auch die Geschäfte mit den CO2-Verschmutzungsrechten
gelaufen. Herr Fitschen hatte mit der Sache eigentlich nichts zu
tun, und hält jetzt den Kopf hin. Anshu Jain duckt sich jetzt zu
Unrecht weg. Auf Dauer wird das nicht gehen.
Ein weiterer Vorwurf lautet, die Deutsche Bank habe
Städten, Kommunen und Landesbanken vor der Finanzkrise
Schrottpapiere untergejubelt. Erwarten Sie hier noch die große
Aufarbeitung?
Mich stört, dass wir hier die Akteure auf der staatlichen Seite,
die jetzt aufschreien, nicht in die Verantwortung nehmen. Die
Kämmerer der Städte und die Geschäftsführer kommunaler
Energieunternehmen sind Voll-Kaufleute. Das sind Profis. Wenn sie
riskante Geschäfte wie Zinswetten nicht durchblicken, müssen sie
eben die Finger davon lassen. Die Deutsche Bank hat sicherlich
aggressiv Produkte verkauft. Aber die Verantwortung liegt
letztendlich bei denen, die sich darauf einlassen. Wer endlich mal
auf dem großen Finanzmarkt mitmischen wollte, die großen Gewinne
vor Augen, kann sich jetzt nicht über die Verluste beschweren.
Nächste Seite: Was für Privatleute gilt, gilt für Stadtwerke genauso
Vielleicht dachten die Kämmerer: Die Deutsche Bank hat
doch einen guten Ruf. Was soll da passieren?
Das ist doch eine faule Ausrede. Was für Privatleute gilt, gilt für
Stadtwerke genauso. Ich hafte für die Geschäfte, die ich mache, und
für die Verträge, die ich unterschreibe.
Vielleicht haben wir uns alle unbewusst vom Namen
„Deutsche Bank“ täuschen lassen. Sie ist dem Wohl deutscher
Kommunen ebenso wenig in besonderem Maße verpflichtet wie der Staat
ihr in besonderem Maße verpflichtet ist. Sie ist ein ganz normaler
Finanzkonzern…
So ist es. Die Deutsche Bank sollte nicht meinen, sie sei etwas
Besonderes und habe besondere Rechte. Und die Politik und die
Kunden sollten auch nicht erwarten, die Deutsche Bank würde weniger
profitorientiert oder moralischer handeln als andere Institute.
Paul Achleitner, der Aufsichtsratschef der Deutschen
Bank, fordert das Ansehen des Instituts „als Eckpfeiler einer
modernen Gesellschaft“ wiederherzustellen. Eckpfeiler der
Gesellschaft – das klingt für ein ganz normales Unternehmen schon
wieder etwas größenwahnsinnig…
Es ist wichtig, dass Achleitner ambitionierte Ziele vorgibt und
einen Kulturwandel einfordert. Wir haben bei dem Telefonat von
Herrn Fitschen ja gesehen, dass solche Appelle offenbar notwendig
sind. Ich kritisiere so ein hehres Ideal nicht. Das kann sich ein
Unternehmen ja vornehmen. Es ist doch gut, wenn wir die Deutsche
Bank dann daran messen können.
Das CDU-geführte Hessen hat nun mit einer recht
martialischen Polizeiaktion Stärke gegenüber der Deutschen Bank
demonstriert. Der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück will
Institute wie die Deutsche Bank mit einer Finanzmarktreform radikal
umbauen, manche sagen zerschlagen. Gibt es im Wahlkampf einen
Wettlauf darum, wer in der Öffentlichkeit als härtester
Banken-Jäger gilt?
Da wo gejagt werden muss, soll man auch ins Ziel treffen. Ich bin
wirklich nicht der Meinung, man sollte schonender mit der
Kreditwirtschaft umgehen. Auch politischer Wettbewerb bei der
Finanzmarktregulierung ist gut. Strukturreformen müssen aber wohl
überlegt sein, denn sie wirken massiv für viele Jahre.
Schnellschüsse bringen nichts.
Das Steinbrück-Konzept zur „Bändigung der Finanzmärkte“
ist ein Schnellschuss?
Ich halte nicht viel davon. Die Zerschlagung von Großbanken ist
nicht des Rätsels Lösung. Wenn Sie die Investment-Sparte der
Deutschen Bank abtrennen, dann bleibt auch diese Investmentsparte
systemrelevant. Die kann der Staat im Ernstfall nicht einfach
Pleite gehen lassen. Die Trennung ist gut gemeint, der Erfolg aber
eine Illusion.
Wo liegt des Rätsels Lösung im Umgang mit offenbar
gefährlichen Banken?
Das Entscheidende ist das Haftkapital, das Banken für ihre
Geschäfte vorhalten müssen. Das ist der Kern des ganzen
Bankenproblems. Banken sollen Risiken eingehen, verarbeiten und
verbriefen. Das ist ihre Aufgabe. Aber sie sollen sich dabei nicht
übernehmen dürfen. Sie müssen genügend Sicherheiten in der
Hinterhand haben. Das würde zugleich bedeuten: Exorbitante Renditen
oder Boni wie vor ein paar Jahren sind im Bankgeschäft nicht mehr
möglich.
Wann wird das Bankgeschäft endlich
langweilig?
Daran wird international gearbeitet. Aber natürlich viel zu
langsam.
Das Interview führte Alexander Wragge
Wolfgang Gerke ist emeritierter Professor für Bank- und Börsenwesen und seit 2006 Präsident des „Bayerischen Finanz Zentrums“.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.