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(picture alliance) Ein Motorrad vor dem Clubhaus der Hells Angels Berlin City in Berlin

Rockerbande - Kommt das bundesweite Hells-Angels-Verbot?

In Berlin wurde eine Gruppierung des Rockerclubs „Hells Angels“ verboten. Immer wieder werden sie mit zum Teil schwerer Kriminalität in Verbindung gebracht: Rockerclubs werden zunehmend zu einer Herausforderung für den Rechtsstaat

Wie ist das Verbot des Berliner Vereins begründet worden?

Die Verfügung des Berliner Innensenators Frank Henkel (CDU) umfasst immerhin 38 Seiten. Detailliert wird geschildert, was ein Verbot des „Hells Angels Motorcycle Club Berlin City“ notwendig erscheinen lässt. Dessen „tatsächlicher Zweck“ sei es, „die eigenen Gebiets- und Machtansprüche gegenüber verfeindeten Clubs, wie zum Beispiel den Bandidos MC oder anderen konkurrierenden Gruppierungen, durchzusetzen“, heißt es.

Die Ansprüche des Clubs bezögen sich „auf die ungestörte und gewinnmaximierte Betätigung in ertragreichen Betätigungsfeldern wie dem Sicherheitsgewerbe/Türsteherdiensten, der Rotlichtszene, dem Gastronomiegewerbe und der Betäubungsmittelszene sowie der damit im Zusammenhang stehenden Begehung von Straftaten“. Konkurrenten würden „durch Einschüchterungsversuche oder notfalls gewaltsam und unter Inkaufnahme von schwersten Verletzungen bis hin zum Tod ausgeschaltet“.

Die „Hells Angels Berlin City“ hätten in der Stadt „ganze Straßenzüge“ beansprucht, steht in der Verbotsverfügung. Dann werden seitenlang Straftaten aus den Jahren 2006 bis 2012 aufgezählt. „Schüsse in der Beusselstraße“, „Angriff auf Angehörige einer kriminell belasteten libanesischen Großfamilie“, „Angriff auf einen Türsteher“, „Versuchter Totschlag“, „Schwerer Raub zum Nachteil eines Juweliers“, „bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“, „Zuhälterei“ und weitere Delikte, darunter Attacken auf Polizisten und Verstöße gegen das Waffengesetz.

Was bedeutet das Verbot für die Rockerszene in der Hauptstadt?

Der Club „Hells Angels City Berlin“ galt als einer der gefährlichsten Rockervereine. Auch wenn das Verbot für den Club offenbar nicht überraschend kam, ist der Aktionsradius nun reduziert. „Es ist verboten, Ersatzorganisationen zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen“, heißt es in der Verbotsverfügung. Die anderen Rockerclubs werden nun versuchen, von der Schwächung der „Hells Angels“ zu profitieren. Die sind allerdings weiterhin in der Stadt präsent, das verbotene war nur eines von drei lokalen Chartern der Rockervereinigung. Außerdem ist zu erwarten, dass auch die Mitglieder des verbotenen Clubs weiterhin kriminell aktiv sind. Das Verbot dürfte auch zur Folge haben, dass Rocker ins Umland ausweichen.

Wie ist die Rockerszene im Berliner Umland organisiert?

Brandenburg ist schon seit längerer Zeit Rückzugsraum für Rocker aus Berlin. Drei relevante Clubs sind in Brandenburg aktiv: „Hells Angels“, „Bandidos“ und der „Gremium MC“. Die „Hells Angels“ haben Niederlassungen in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder). Die „Bandidos“ sind in Perleberg, Lauchhammer und Hennigsdorf aktiv. Der „Gremium MC“ hat Chapter in Frankfurt (Oder), Spremberg, Bad Freienwalde sowie den „Gremium MC Nomads Eastside“ ohne festen Sitz.

Insgesamt ist die Szene in den vergangenen Jahren stark in Bewegung geraten. Anfang 2010 trat eine Dependence der „Bandidos“ zu den „Hells Angels“ nach Potsdam über. Nun ist am Dienstag erneut ein Chapter dieses Clubs aus Berlin zu den Potsdamer Höllenengeln gewechselt. Insgesamt war es seit 2010 in Brandenburg nach mehreren blutigen Auseinandersetzungen auffällig ruhig. Doch seit Ende 2011 gibt es wieder Konflikte. In Königs Wusterhausen ereigneten sich Messerattacken zwischen „Hells Angels“ und „Gremium MC“.

Insgesamt verzeichnete die Brandenburger Polizei 2011 einen versuchten Mord und vier Mal versuchten Totschlag. Was die Ermittler besonders beunruhigt, ist der starke Zulauf, besonders bei den Unterstützerclubs. Ihnen wird nachgesagt, für die großen Bruderschaften „Hells Angels“ und „Bandidos“ die „Drecksarbeit“ bei den kriminellen Geschäften zu erledigen. Die Zahl aller Mitglieder in den Rockerclubs in Brandenburg stieg von 250 auf 400.

Seite 2: Wo sind in der Vergangenheit bereits Rockervereine verboten worden?

Wo sind in der Vergangenheit bereits Rockervereine verboten worden?

Schon seit Jahren muss die Rockerszene solche Schläge einstecken, allerdings immer nur regional, nie bundesweit. Keine vier Wochen vor der Aktion in Berlin, am 3. Mai, beendete Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) die Existenz der Kölner Gruppierungen „Hells Angels MC Cologne“ und „Red Devils MC Cologne“. Die „Red Devils“ waren ein Unterstützerverein der Hells Angels. Jäger hielt den Hells Angels vor, sie setzten in Köln „ihre Gebiets- und Machtansprüche brutal mit Bedrohung, Erpressung und Gewalt gegen andere durch“. Am 26. April hatte der Minister bereits den Rockerclub „Bandidos MC Chapter Aachen“ und fünf seiner Teilorganisationen verboten. Dennoch bleibt offen, ob der Dauerkonflikt zwischen „Hells Angels“ und „Bandidos“ in Nordrhein-Westfalen nun eingedämmt werden kann. Am Dienstag starb in Bottrop ein mutmaßliches Mitglied der „Bandidos“. Der Mann war erschossen worden und lag neben seinem Motorrad. Der Hintergrund der Tat ist noch nicht geklärt.

Eine harte Gangart gegen Rocker demonstriert auch der Innenminister von Schleswig-Holstein, Klaus Schlie (CDU). Vergangene Woche durchsuchten 1200 Polizisten Stützpunkte der „Hells Angels“ in der Region Kiel und in Norddeutschland. Außerdem stürmte die Spezialeinheit GSG9 das Haus von Hannovers Hells-Angels-Boss Frank Hanebuth, der auch als führende Figur der „Hells Angels“ in Deutschland gilt. Einen Tag später begann die Polizei bei Kiel mit der Suche nach dem 47 Jahre alten Tekin Bicer, den „Hells Angels“ nach einem Streit ermordet und in einer Lagerhalle einbetoniert haben sollen. Bereits im April 2010 hatte Schlie zudem Rockerclubs in Flensburg und Neumünster verboten.

Ist ein bundesweites Verbot möglich?

Ein Schlag in ganz Deutschland gegen kriminelle Rockerclubs ist nur schwer vorstellbar. Der Aufwand wäre enorm hoch, die Polizei müsste an zahllosen Orten mit überlegenen Kräften gegen die Vereine vorgehen. Außerdem würden von einem Verbot, beispielsweise der „Hells Angels“ mit knapp 50 Chartern bundesweit, automatisch andere Clubs profitieren. Dann müssten die Innenminister prüfen, ob weitere Verbote sinnvoll wären. Bei dem an diesem Donnerstag beginnenden Treffen der Innenministerkonferenz (IMK) in Mecklenburg-Vorpommern wird über das Rockerproblem auch gesprochen. Doch schon am Mittwoch war im Umfeld der IMK zu hören, ein bundesweites Verbot gegen Rockerclubs sei Aktionismus und sinnlos.

Seit wann gibt es welche Rockerclubs in Deutschland?

Den Hells Angels MC gibt es in Deutschland seit 1973. Er wurde bereits 1948 in Fontana (Kalifornien, USA) gegründet. 51 Charter (Ortsgruppen) sind in Deutschland polizeilich bekannt. Der Bandidos MC entstand 1966 in Houston, (Texas). In Deutschland gibt es die Rockergruppe seit 1999. Die Polizei kennt 71 Chapter (Ortsgruppen). Der Mongols MC entstand am 5. Dezember 1969 in der Stadt Montebello, im östlichen Teil eines Verwaltungsbezirks von Los Angeles (Kalifornien). Sie haben weltweit zwischen 500 und 600 vollwertige Mitglieder. Ein deutscher Ableger der Mongols wurde 2011 vom Land Bremen verboten. In Berlin gab es kurzzeitig eine Ortsgruppe, die aber wieder aufgelöst wurde.

Der Gremium MC ist der einzige nicht-amerikanische und der mitgliederstärkste Rockerclub in Deutschland. Er wurde 1972 in Mannheim gegründet und hat über 70 Chapter. Der Outlaws MC wurde (noch unter anderem Namen) 1935 an der Route 66 gegründet und ist damit der älteste der großen Motorradclubs. In Deutschland ging der deutsche Club Ghost Riders MC Germany (1973 im fränkischen Kitzingen gegründet) 2001 im Outlaws MC Germany auf.

 

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