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Kanzlerduell - 10 Fragen an Merkel und Steinbrück

Am Sonntag kommt es zum Kanzlerduell. Vier Moderatoren stellen vorhersehbare Fragen, zwei Kandidaten geben bereits bekannte Antworten – das muss doch nicht sein und kostet den Zuschauer mit 178,5 Millionen Euro auch viel zu viel

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Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Am 18. September 2009 erschien das Magazin der Süddeutschen Zeitung mit der Frage auf dem Titel „Wer soll Kanzler werden?“. Darunter sah man neun Fotos mit unbekannten Menschen, die auf selbst geschriebenen Zetteln ihre Vorschläge in die Kamera gehalten hatten: „Ich“, „Helmut Schmidt“, „Dr. A. Merkel“, „Hans Magnus Enzensberger“, „Keiner der zur Wahl stehenden Kandidaten“, „zu Guttenberg“, „Uli Hoeneß“, „Wieder eine Frau“ und „Steinmeier“.

Zu Guttenberg und Hoeneß, dachte ich, als mir das Heft beim Aufräumen in die Hände fiel: Ist das jetzt ein Zeichen dafür, das ganz viel in den vergangenen Jahren passiert ist oder fast gar nichts? KT und Uli würde im Moment wahrscheinlich keiner mehr vorschlagen. Der Mann mit dem Steinmeier-Schild müsste dagegen nur den Teil hinter dem Stein durch brück ersetzen, zumindest sieht er so aus, als hätte er noch nie etwas anderes als die SPD gewählt.

Wollen Sie noch wissen, was die Leute vor vier Jahren auf die Frage antworteten: Was macht Ihnen Angst vor der Zukunft? „Im Moment nichts“, „Armut“, „Kein Job zu finden“ (naja bei der Grammatik wohl berechtigt), „Kapitalismus“, „Krieg“, „Umweltzerstörung“, „Die Dummheit der Menschen“ und der „Klimawandel“.

Im weitesten Sinne wird es um diese Themen auch beim morgen stattfindenden Kanzlerduell gehen, das ARD, ZDF, RTL und Prosieben gleichzeitig um 20:30 Uhr in die deutschen Wohnzimmer ausstrahlen, oder konkreter: Euro, Syrien, NSA, Steuerkonzepte, Energiewende, Arbeits- und Sozialpolitik.

Wer soll Kanzler werden? Angela Merkel, die im Moment wohl vor nichts Angst hat. Oder Peer Steinbrück, der häufig den Eindruck macht, als fürchte er sich am meisten vor der Dummheit der Menschen.

Wer von den beiden die kommende Regierung anführen wird, ist aus meiner Sicht für die Zukunft des Landes irrelevant. Ich habe eher Angst vor einem langweiligen Sonntagabend vor dem Fernseher und fürchte, dass 14 Millionen Zuschauer – so viele haben vor vier Jahren Merkel und dem damaligen Herausforderer Frank Walter Steinmeier zugeguckt – 90 Minuten wertvoller Lebenszeit verschwenden. Legt man den von der SPD geforderten Mindestlohn von 8,50 Euro zugrunde, könnten die Zuschauer in der gleichen Zeit zusammen 178,5 Millionen Euro verdienen. Dafür müsste selbst Steinbrücks Peer ungefähr 8000 gut bezahlte Vorträge halten, für die er, so kein Wunder passiert, ab dem 23. September wieder sehr viel Zeit haben dürfte.

Dabei müsste der Abend in Berlin-Adlershof gar nicht so schlimm werden, ließe man die beiden Kandidaten wirklich mal miteinander diskutieren. Einen direkten Austausch zwischen Merkel und Steinbrück sehen die strikten Regeln des Formats aber gar nicht vor. Insofern bleibt es ein ungelöstes Rätsel, warum die ganze Welt von einem Duell spricht? Zumal es mit den Moderatoren Anne Will, Maybrit Illner, Peter Kloeppel und Stefan Raab noch vier weitere Mitspieler gibt.

Ganz habe ich die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben und mir für den Fall, dass einer der vier Moderatoren ausfällt, zehn kurze, einfache Fragen überlegt, um kurzfristig einspringen zu können:

1.       Einfache Einstiegsfragen eher für die Zuschauer, die sich fragen, was das jetzt für ein neues Kommissargespann ist: Warum gibt es heute keinen Tatort?

2.       Sonntags lieber Tatort oder Polizeiruf?

3.       Dann aber sofort in medias res: Was muss ein Diktator machen, damit sich Deutschland an einer militärischen Intervention gegen sein Regime beteiligt?

4.       Gibt es eigentlich eine außenpolitische Strategie Deutschlands?

5.       Was ist anachronistischer, das Ehegattensplitting oder das Betreuungsgeld?

6.       Warum ist die NSA-Affäre für das Kanzleramt beendet?

7.       Haben Sie schon mal eine Email verschlüsselt?

8.       Warum machen Sie keinen Wahlkampf gegen die „Alternative für Deutschland“ (AfD)?

9. Haben Sie eine europäische Idee?

10.   Warum gibt es noch immer die öffentlich-rechtlichen Sender?

Keine Frage, Merkel und Steinbrück sind keine Anfänger, aber umso wichtiger wäre es, sie mit kurzen unerwarteten Fragen aus der Reserve zu locken. Das wird aber nicht passieren, weil Illner, Will und Kloeppel immer schlauer sein wollen als die Befragten. Auch Raab wird nicht aus der Rolle fallen, zumal Kloeppel schon im Handelsblatt gemahnt hat: "Was wir aber nicht wollen, ist ein buntes Larifari. Es muss ganz klar sein: Es geht hier um ernsthafte Politik." Aber warum eigentlich? Und wieso definiert eigentlich Peter Kloeppel was ernsthafte Politik ist.

Die politischen Positionen der Kandidaten sind hinlänglich bekannt und unterscheiden sich ohnehin kaum. Hier sind sie von ihren Stäben bis ins letzte Detail vorbereitet und werden kaum Fehler machen. Wäre es nicht viel spannender, man konfrontierte die Kandidaten penetrant mit einfachsten, absurden, unverschämten, geschmacklosen oder auch dummen Fragen? Warum nicht Benjamin von Stuckrad-Barre und Moritz von Uslar als Moderatoren engagieren, die einerseits selbst manchmal vor Eitelkeit fast platzen, aber sich gleichzeitig für nichts zu schade sind. Gerade der zur Arroganz neigende Steinbrück würde in einem solchen Gespräch dabei scheitern, sich krampfhaft witziger, schlagfertiger und pointierter darzustellen als die Fragesteller. Wie das aussehen kann, können Sie hier bei "Moritz von Uslar: 99 Fragen live an Peer Steinbrück" nachlesen bzw. -gucken.

Sänge dann noch am Ende Stefan Raab mit beiden Kandidaten „Wadde hadde dude da?“, wäre es zumindest spannender als ein durchschnittlicher Tatort.

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