- „Guttenberg ist zu ungeduldig“
Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg drängt wieder auf die politische Bühne. Doch der Politikberater Michael Spreng sieht das Comeback im CICERO-ONLINE-Interview skeptisch. Was der Politstar im Exil dafür brauche, sei schonungslose Offenheit, einen Wahlkreis, und die Bereitschaft, wieder ganz klein anzufangen
Herr Spreng, kein Jahr nach seinem Rücktritt hat sich
Karl-Theodor zu Guttenberg schon wieder zurückgemeldet: Mit
einem staatsmännischen Auftritt in der BILD-Sonderausgabe zum
11.September, auf dem Forum in Halifax und nun mit der Ankündigung
eines großen Interviews in Buchform. Verhält er sich aus Ihrer
Sicht als Politikberater strategisch klug?
Ich glaube, er ist zu schnell. Er müsste die Füße länger
stillhalten. Und der Buchtitel „Vorerst gescheitert“ klingt ja
tatsächlich schon wie die Ankündigung einer Rückkehr. Aber dafür
ist der Skandal noch viel zu frisch. Im Übrigen muss er ja noch die
staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten. Ich habe das Gefühl, dass
er da zu ungeduldig ist. Natürlich ist die Bucherscheinung auch den
Marktgesetzen geschuldet, solange das Thema Guttenberg noch heiß
ist. Trotzdem glaube ich, er sollte die Zeit besser nutzen, um eine
wissenschaftlich haltbare Doktorarbeit zu schreiben.
[gallery:Karl-Theodor zu Guttenberg – Aufstieg und Fall eines
Überfliegers]
Andererseits klingt der Buchtitel nicht nur nach
Rückkehr, sondern vor allem auch nach dem großen, öffentlichen
Schuldgeständnis, auf das noch immer viele warten. Wird er die
Erwartungen erfüllen?
Ich hoffe natürlich, dass er über seine damaligen Entschuldigungen
hinaus geht, die immer sehr formal waren. Er muss sich selbst
gegenüber jetzt rückhaltlos offen sein. Wenn er das in dem Buch
macht, wäre das tatsächlich die erste Voraussetzung für eine
Rehabilitierung. Die ist allerdings noch in weiter Ferne.
Was wären bei einer solchen Entschuldigung die
inhaltlichen Voraussetzungen für eine Rehabilitierung?
Ich wüsste endlich einmal gerne, ob er die Doktorarbeit nun selbst
geschrieben und damit abgeschrieben hat, oder von einem Ghostwriter
hat schreiben lassen. Und die Öffentlichkeit erwartet eine
ausführliche und selbstkritische Erklärung darüber, wie es kommen
kann, dass jemand so viel abschreibt, und es dann offenbar in einem
Maße verdrängt, dass ihn das an einem öffentlichen Eingeständnis
hindert.
Wenn das alles geschieht, glauben Sie es wird ihm jemals
gelingen, wieder an seine alte Karriere anzuknüpfen?
Ich glaube sicher nicht, dass er wieder auf der Höhe einsteigen
kann, von der er vor dem Skandal gestürzt ist. Und neben einer
schonungslosen Selbstkritik und möglicherweise einer
wissenschaftlich haltbaren Doktorarbeit wird noch ein dritter
Faktor entscheidend sein: ein Wahlkreis. Nur über ein Mandat hätte
er die Chance zurückzukehren, aber eben erst einmal nur als
einfacher Bundestags- oder Landtagsabgeordneter. Abgesehen davon
hat sich ja in Bayern mit Markus Söder inzwischen ein Konkurrent an
ihm vorbeigeschoben. Da sind inzwischen schon Vorentscheidungen für
das Seehofer-Erbe gefallen. Guttenberg müsste also in jedem Fall
wieder dort anknüpfen, wo er einmal angefangen hat: als ganz
normaler Abgeordneter.
Lesen sie auf der zweiten Seite, warum Guttenberg nur in der eigenen Partei auf die politische Bühne zurückkehren kann.
Wäre es nicht denkbar, dass Guttenberg gar nicht in die
CSU, sondern vielleicht eine andere, wenn nicht neu gegründete
Partei zurückkehrt?
Das halte ich für ziemlich unwahrscheinlich. Ich sehe ein Comeback
– wenn überhaupt – nur in seiner eigenen Partei. Zu der hat er sich
schließlich bis zur letzten Sekunde bekannt, und sich als ihr Kind
und Gewächs bezeichnet. Mit einem Parteiwechsel würde er seine
Glaubwürdigkeit ein weiteres Mal massiv belasten, wenn nicht
endgültig zerstören.
Wäre es für Sie – als einigermaßen objektiven Beobachter
der Berliner Politikszene – denn ein Gewinn für die deutsche
Politik, wenn Guttenberg dort wieder aufschlüge?
Wenn er bescheidener und zurückgenommener dort aufschlagen würde,
und auf keinen Fall an den alten Hype anknüpft. Sein Bündnis mit
der Presse war verhängnisvoll, und wenn er das weiterbetreibt, dann
ist er auch ein Gefangener der Presse. Ich hoffe, dass er
diesbezüglich aus seinem Desaster gelernt hat.
Was bleibt – jenseits der medialen Inszenierung und
Überhöhung – für Sie der Kern des Politikers
Guttenberg?
Er ist natürlich nach wie vor ein großes politisches Talent. Er ist
eloquent, direkt und geradeaus. Er benennt die Dinge beim Namen und
spricht eine verständliche Sprache, er hat also ohne Zweifel große
Qualitäten. Aber er ist eben nicht am Mangel seiner Qualitäten
gescheitert, sondern an seiner Verdrängung und seiner Hybris. Die
entscheidende Frage wird sein, was davon heute noch übrig ist.
Herr Spreng, vielen Dank für das Gespräch.
Michael Spreng bloggt auf www.sprengsatz.de.
UPDATE: Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass das Ermittlungsverfahren gegen Karl-Theodor zu Guttenberg gegen eine Zahlung in Höhe von 20.000 Euro eingestellt wird. (23.11.2011 - 15 Uhr)
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