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neinquarterly.com

@neinquarterly - Der fröhliche Pessimist

Zehntausende folgen seinen ironischen Aphorismen, deutsch-englischen Sprachspielen und seiner intellektuellen Verzweiflung auf Twitter. Das deutsche Feuilleton liebt ihn: Eric Jarosinski, alias @neinquarterly. Zeit, ihm in seiner Welt zu begegnen. Zeit für Fragen und Antworten in 140 Zeichen

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

So erreichen Sie Vinzenz Greiner:

Eric Jarosinski wuchs im ländlichen Wisconsin auf, studierte Germanistik, lebte einige Jahre in Deutschland. An der University of Pennsylvania gibt der Assistenzprofessor am Department für germanische Sprachen und Literaturen Seminare zur Frankfurter Schule, Nietzsche, der deutschen Moderne.

Noch. Denn Jarosinski entfernte sich in den letzten beiden Jahren immer mehr aus dem Elfenbeinturm.

Statt als Eric Jarosinski, Ph.D. an seinem Buch zu arbeiten, begann er als @NeinQuarterly – ein an Theodor Adorno angelehnter „liebenswerter Misanthrop“ – zu twittern. Nun hat er fast 50.000 Follower. Im Sommer wird er seinen Job an der Universität aufgeben.

@vinzgreiner:
Hello Eric! Or @neinquarterly... Mit wem schreibe ich? Is it the German philologist Eric Jarosinski? Or the persona he created on Twitter?

Eric ist zu beschäftigt, um zu antworten. Er sagt, er habe „a bunch of meetings“ mit Studenten und am nächsten Morgen direkt einen Zahnarzttermin – „Horror“.

Am nächsten Morgen.

Good Morning Eric! Gibt es einen richtigen Kaffee in der falschen Tasse?

Offenbar nach dem Zahnarzttermin.

@neinquarterly:
Sagen wir mal so: Morgens gibt es keinen falschen Kaffee. Meistens wäre richtig aber auch zu viel gesagt.

Du schreibst übrigens mit mir. Mit meinem lyrischen Mir jedenfalls.

Since Roland #Barthes killed the author, frage ich: What is the difference between dem lyrischen Ich, das mir schreibt und Eric Jarosinski?

The author is dead. I'm just dead inside. Sonst: Ich schreibt sich leichter als Jarosinski.

Ist der innere Tod denn ein guter Nährboden für Aphorismen in 140 Zeichen? Or necessary precondition?

Erst wenn einem der innere Tod langweilig wird, wird's interessant. So war's bei mir.

Bist du im Hinterland von Wisconsin (#Langeweile) gestorben, oder im Niemandsland, in dem du dich als forschender Germanist aufhieltest?

In der Germanistik gestorben. (Gefallen?) Twitter war der Neuanfang. Vom Ende.

Gefällt mir. Wann kam der #break_even_point von Spaß am gefälligen Forschen und Gefallen an Twitter?

Zu spät.

Wofür?

Du hast vieles, was ein Forscher braucht: Neugierde, Leidenschaft fürs Fachgebiet, bist analytisch. Why #noscience but #twitter?

Schwierig. Ich wüßte es selber gerne.

Liegt es vielleicht daran, dass du dich auf Twitter in Wortspielen etc. auf eine natürlichere, lebendigere Art dem Deutschen nähren kannst?

Kurz gesagt: ja, der Umgang mit Kultur via Twitter liegt mir schon eher. Das Spielerische, Ironische gehört dazu.

Es geht nicht darum, eine These aufzustellen, sondern eine interessante Spannung oder einen Widerspruch zu inszenieren.

Inszenierung oder eher Abbildung der Widersprüche des Lebens?

Ironie braucht Kontext; bei dir ist es ein intellektueller. #Elitär?

Nein. Es wäre falsch, intellektuell mit elitär gleichzusetzen.

Viele deiner Aphorismen setzen aber Wissen voraus - in Literatur und Philosophie vor allem. Ist dein Publikum nicht doch die Bildungselite?

Nein.

Warum eigentlich „Nein“ mit Punkt, nicht mit Ausrufezeichen? Das liest sich ein wenig unentschieden.

Ein Ausrufezeichen wirkte als Übertreibung, die das Nein entschärfte.

Meine Tweets sollten eher den Ton einer nüchternen Feststellung treffen, obwohl drin übertrieben wird.

Eric Jarosinski verordnet sich über die Feiertage Abstand zur digitalen Welt: „Ich mache Twitterpause.“

Wiederaufnahme des Gesprächs im neuen Jahr.

Du sagtest zu @richardgutjahr, du überzeichnetest das Elitäre stark. Kann man Überzeichnen, ohne eine gewisse Vorkenntnis überhaupt begreifen?

Du sagst Vorkenntnis als wär's ein Vorwurf.

Aber ja, für viele Witze schon. Das finde ich nicht schlimm.

Nein, ich meine es nicht als Vorwurf.

Ich glaube nur, es gibt bei einigen deiner Tweets Bildungsbarrieren. Sie können anstoßen zum Selbstnachschlagen. Nebeneffekt Unterricht?

Unterricht als Nebeneffekt. Ich mag die Formulierung. Das wäre zum Teil mein Ziel. Ich weiß aber nicht, ob ich es erreiche.

Das Deutsche und deutsche Philosophie stellst du in einen ironischen Kontext. Triggert Humor Lernmotivation? Hat dir das an der Uni gefehlt?

Ja, das hat mir in der Tat gefehlt. Ich bin da aber selber schuld und hätte mehr wagen müssen.

Jetzt wagst du viel: Du verlässt die Uni.

Ja, ich bin gerade ziemlich hart mit einer unsicheren Zukunft konfrontiert. Will aber nicht melodramatisch werden.

Du verlässt sie zugunsten eines professionellen Blogs. Du nennst es „unsichere Zukunft“. Warum plötzlich Risiko?

Aber na ja, was wäre ein Leben ohne Fehler?

Ein nichtiges im falschen? #adorno

Nichtiges? Vielleicht.

Du wurdest ja mit einem MICROblog (#Twitter) berühmt. Wie genau könnte dein neues Blog funktionieren?

Berühmt wäre zu viel gesagt. Das neue Blog wird ähnliche Themen behandeln. Beiträge von vielen Gastautoren. Kurz, clever, witzig.

Eine Art Forum für  die kleine Community, die sich um NQ gebildet hat. Kurze, interessante, witzige Beiträge. Themen: Kultur, Politik,

etc.

Wann genau startet das Blog? Wie viele Abonnenten gibt es schon?

Ich hoffe noch im Januar. Aber wahrscheinlich eher Februar. Abonnenten: 300 etwa. Aber es geht erst bald richtig los.

Ich bin auch nicht so naiv zu glauben, dass ich vom Bloggen leben könnte. Aber vielleicht in Kombination mit anderen Sachen ginge das.

Und womit ließe es sich kombinieren?

Mit Kombinieren meine ich andere Tätigkeiten, die mich hoffentlich über die Runden bringen.

Werden es Tätigkeiten in der Welt der Texte und Sprache sein? Oder kannst du dir vorstellen, nebenher etwas ganz Anderes zu machen?

Ja, hoffentlich, aber ich kann (und muss) mir einiges vorstellen.

Gewerkschafter und Anhänger der Krit. Theorie und Dekonstrukteur?
Marxist         -         Neo-Marxist             -         Post-Marxist?

Jemand, der arm und angry aufgewachsen ist. Theorie ist mir wichtig, aber Praxis ist sie nicht. Neo-Post-Marxist vielleicht.

Ist dein Existenzialismus/Nihilismus ein verzweifeltes Aufbegehren gegen eine bürgerliche Leistungsgesellschaft oder die Lebensgemeinheiten?

Solche Töne sind mir etwas fremd, aber es steckt sicherlich sowas drin. Allerdings spielt ein kritischer Abstand eine große Rolle dabei.

Die Töne, die in deinen Tweets anklingen, begeistern fast 50.000 Follower - 2.500 mehr als zu #Twinterview-Beginn. Welchen Nerv triffst du?

Vielleicht.

Deine pessimistischen Witze tragen Verzweiflung in sich. Ist das vielleicht der Humor unserer Zeit?

Ist dann deine Persona ein künstlerisches Ventil für deine ganz persönlichen Verzweiflungen im Leben?

Ja.

Bedient dein fröhlicher Pessimismus vielleicht ein Gefühl des Fin de Siècle am Début de Siècle? #Zeitgeist

Interessante Theorie. Könnte sein. Ich persönlich kann nur an das Wahre, Gute, Schöne glauben, wenn dabei das Gegenteil nicht naiv

Davon ausgeschloßen wird.

Glaube an etwas bedeutet, dessen Existenz zu postulieren. Was ist das Gute? Kann man es womöglich im Schlechten erwecken - durch Ironie?

Ich meinte das nicht streng philosophisch. Das Gute kann ich leider nicht definieren. Fühlen vielleicht? Ja, Ironie kann sowas erwecken,

wenn sie sowohl kritisch als auch human ist.

Beherrscht man das ü nicht, wird aus Fühlen - Foolen.

Wie lange warst du im Deutschen ein Narr, bis du die deutsche Gefühlswelt verstanden hast?

Ich verstehe sie immer noch nicht, ehrlich gesagt. Aber die Eigene auch nicht ganz. Sagen wir mal so: es hat schon 2-3 Jahre gedauert, bevor

ich Land und Leute besser verstanden habe. Und dieser Prozeß läuft natürlich noch.

Magst du die alte Rechtschreibung oder einfach das scharfe ß?

Ich habe die alte gelernt. Ich sollte mich endlich umschulen.

Viele Deutsche verweigern sich noch der Rechtschreibreform. Sind wir, um dein dt. Lieblingswort zu verwenden, ein Land des #Stillstands?

Finde ich nicht. Eher Auseinandersetzung.

Vor allem mit sich selbst. Das schätze ich.

Unser Land packt nicht gerade die Zukunft an, aber wo verlaufen deiner Meinung nach die Konfliktlinien im deutschen Selbst?

Oder ist es ein Kampf um Selbstdefinition?

Da bin ich überfragt. Ich würde aber sagen, dass es sich schon um eine Art Selbstdefinition handelt, die zugleich immer eine Definition vom

Anderen als Basis und Folge hat. Zum Beispiel "Armutsmigranten".

Die Debatten- oder Streitkultur in Deutschland finde ich sehr positiv, obwohl ich auch Frust mit Zerrederei verstehen kann.

Die deutsche Streitkultur des Zerredens. Wo hast du die 1. frustrierende Erfahrung damit gemacht: Du lebtest ja in Bonn, Berlin, F'furt...

Eric sagt, er habe eine Verabredung zum Essen.

Eine Toaster-Anschaffung wird zur Debatte, klingt nach deutscher Penibilität? Was bedeutet es deiner Meinung nach, deutsch zu sein?

Deutsch-Sein ist Dasein. Auf deutsch.

Was genau ist dann #deutsch für dich?

In den USA gibt es einen solchen Diskurs doch auch, oder nicht? #whatsamerican

Ja, hier weiß man irgendwie schon, dass die Zeiten anders sind, was Amerikas Machtposition angeht, aber noch nicht akzeptiert.

Meinst du, man akzeptiert nicht den amerikanischen Machtverlust?

Man weiß noch nicht, was es bedeutet.

Adorno schrieb vs. die verwaltete Welt, Kafka im Bewusstsein behördlicher Ungemach – auf Deutsch, also der Verwaltungssprache schlechthin.

ja, ok, mag sein, aber sowohl Adorno als auch Kafka schätzten die Bildhaftigkeit der Sprache. Ich ja auch.

Jede Sprache kann ganz eigene Bilder schaffen. Gibt es da einen spezifischen Unterschied für dich zwischen dem Englischen und dem Deutschen?

Es gibt viele Unterscheide zwischen dem Englischen und Deutschen, klar, aber die Sprachen sind natürlich auch verwandt. Mich interessieren

inzwischen kleine aber interessante begriffliche Unterschiede. Bei uns ist ein Akku tot, nicht leer. Man "validates" a ticket, nicht

"entwertet". Man spricht im Englischen immer von MY nose, MY ears, z.B, nicht die Nase, die Ohren, usw.

Die kleinen Sprachunterschiede finde ich spannend und philosophisch interessant: Gedanken formt man ja in Sprache. Ich denke (in) deutsch.

Ist dann nicht Sprache der einzige Schlüssel zu einer Kultur?

Der Einzige sicher nicht, aber einer der Wichtigsten. Vor allem wenn man Sprache möglichst breit versteht.

Wie breit verstehst du Sprache?

Da hätte ich gern eine schlaue Antwort parat. Fehlt mir aber. Ich mache Witze, keine Sprach- oder Kulturtheorie.

Eine letzte Frage: Zwitschern oder Tweet?

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