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(picture alliance) Zum fünften Mal in zehn Jahren wird er seine Show los: Harald Schmidt

Harald Schmidt - Höchste Zeit für Galgenhumor

Harald Schmidt hört auf – mal wieder. Es ist dann das fünfte Mal innerhalb von knapp zehn Jahren, dass Schmidt sein Showkonzept fallen lässt. Deswegen dürfte es jetzt erst recht lustig werden

Was ist los in der Fernsehlandschaft Deutschlands? Befindet sie sich nur im Umbruch oder kündigt sich hier das Ende einer Ära an? Show-Größe Thomas Gottschalk hat mit „Wetten-Dass…?“ bereits sein lange erfolgreiches Format aufgegeben und auch Günther Jauch hat abseits von RTL und weg von Stern-TV in Richtung öffentlich-rechtliches Fernsehen mit seiner Sonntagabendrunde neue Akzente gesetzt. Wenn auch unterschiedlicher Generation und verschiedener Kernkompetenz, so spielten Gottschalk, Schmidt und Jauch doch irgendwie in einer Liga, dieser ersten Liga des deutschen TV-Entertainments.

Zwei von drei TV-Titanen haben bereits einen Neustart versucht: Während Jauch beim sonntäglichen Politiktalk in der ARD alle Souveränität verliert, die er am Freitag als Gastgeber von „Wer wird Millionär?“ auf RTL noch hat und sich stattdessen an seinen Karten festklammert, musste sich Gottschalk von Beginn an harsche Kritik seiner werktäglichen Vorabendsendung in Puschen anhören, die sich trotz späterer Generalüberholung möglicherweise nicht lange hält.

Neustarts inklusive Personal- und Richtungswechseln dürften Harald Schmidt durch die mehrfache Wiederaufnahme ein- und derselben Show mit unterschiedlichen Titeln nicht unbekannt sein. Eine starke Auflage von Harald Schmidts Late-Talk war die Variante ab 2000 mit Manuel Andrack als Sidekick: Der eher nüchterne Stichwortgeber mit der Bücherwand im Rücken gegen den lauten und besserwisserischen Klassenclown – ein Konzept, das funktionierte. Damals gab es auch noch seine Playmobil-Theaterstücke griechischer Tragödien inklusive aktueller Bezüge in die gesellschaftliche Gegenwart, außerdem das Bilderrätsel und die charmante Französin Madame Licard. Mit dem Ende Andracks an Schmidts Seite im TV, kam auch das erste Ende der Show bei Sat1.

In der Pause danach konnte man Schmidt leicht aus den Augen verlieren, die folgenden Auflagen seiner Sendung wurden auch immer kurzlebiger: Erst inszenierte Schmidt selbst theatralisch seine Rückkehr in die ARD, bald darauf wurde ihm Oliver Pocher als neuer Sidekick aufgedrückt. In Maßen waren Pochers Parodien gelungen, seine Schlagfertigkeit machte Schmidt ernsthafte Konkurrenz – aber waren sie auf einer Wellenlänge? Schmidt&Pocher: Viele gaben der Show ein bis zwei Abende lang eine Chance – und wurden enttäuscht. Nach zwei Jahren gab es deshalb das Ende der dritten Auflage von Schmidts Show. Danach hieß es „Klappe, die Vierte“: Schmidt schmiss den Laden wieder allein – weiterhin in der ARD.

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Um die Idee hinter dieser Sendung besser zu verstehen, muss man zu ihren Wurzeln vordringen und stößt auf David Letterman. Alles, was Schmidts Show ausmachte, kam von Letterman: Die Skyline-Kulisse, die Band, die Stand-up-Minuten der Show, der Schreibtisch, die Einspieler, die Top-Ten-Liste, der Gast – abgesehen von den weißen Socken des Amerikaners stimmten sogar das Outfit und die Griesgrämigkeit der Showmaster überein. Doch New York hatte schon immer mehr zu bieten als Köln. Im Gegensatz zu Schmidt hatte das Original keine Probleme, zu überdauern: Lettermans freches Auftreten ist weniger zynisch als Schmidts und seine Gäste sind in der Regel Stars von Weltruhm. Seine Verbindlichkeit in Gesprächen erweckt tatsächlich den Eindruck, dass er Julia Roberts, Tom Hanks, Jim Carey und Will Smith zu seinen besten Freunden zählt. Letterman verkörpert auf klassisch-amerikanische Weise den Entertainer.

Und Schmidt? Der driftete ohne Andrack und dann auch ohne Pocher zunehmend in eine misanthropische Richtung ab. Jeder bekam sein Fett weg und oft genug war es nur noch Schmidt selbst, der über seine Witze lachte. Neue Formate mit Katrin Bauerfeind oder Jan Böhmermann kamen zu gewollt rüber, die Präsentation von Altherrenwitzen war schlicht peinlich. Immer häufiger konnte Schmidt seinen schauspielerischen Drang nicht unterdrücken und fand den Weg zurück zum Late Talk nicht.

Seine Gäste wurden immer skurriler und versteifter: Wer bleibt nach einem anstrengenden Alltag schon lang genug wach, um Rolf Hochhuth mit Schmidt disputieren und schimpfen zu sehen? Entertainment sieht anders aus. Zeitweise konnte man sich nicht mal mehr sicher sein, ob Schmidt eigentlich selbst noch an das glaubte, was er da tat. Längst hatte er den Kontakt zur Unterhaltung verloren, wirkte abgehoben. Und die Konkurrenz schläft nicht. Während Schmidts Hop-On-Hop-Off-Jahren hat sich Stefan Raab mit seiner TV-Total-Show und diversen anderen Formaten im Entertainment breit etabliert. Zudem haben junge Talente wie Joko und Klaas mit Neo Paradise die TV-Bühne betreten.

Was wird aus Schmidt werden, wenn seine letzte Sendung im Mai abgedreht ist? Was wird aus Bühnenkünstlern wie seinem Bandleader Helmut Zerlett, der nun schon seit Jahren seinen Platz an Schmidts Seite hat? Für Schmidt dürften sich neue Auftritte auf deutschen Theater- und Filmbühnen anbieten, die  er in den letzten Jahren ja durchaus verstärkt betrat. Nach einer ausgiebigen Pause und dem dazugehörigen Vollbart könnte er dorthin zurückfinden. Zum anderen könnte er eine alte Profession aufgreifen und die großen Klassiker der Literatur und Geschichte weiter mit Playmobilfiguren und Spielzeug-Konsorten erklären und ihnen somit eine Brücke zur Jetztzeit schlagen. In dieser Rubrik kombiniert sich die für ihn persönlich maßgeschneiderte Chance, sein schauspielerisches Talent, seine bürgerliche Bildung und sein Rampensaubedürfnis mit seiner schlagfertigen Gehässigkeit zu kombinieren.

Welchen Weg auch immer Schmidt wählen wird, an der Öffentlichkeit wird es nicht vorbeigehen. Und wenn man dieser Tage nach langer Zeit mal wieder bis Schmidt wach bleibt und seine Sendung sieht, könnte man den Eindruck bekommen, er laufe zu alter Form auf. Es ist mehr als ein Sentimentalitätseffekt, wie ihn Abiturienten kurz vor dem Verlassen der jahrelang bemäkelten Schule haben: Erlöst vom Damokles-Schwert der Quoten, gelang es Schmidt noch bei jedem der vielen Niedergänge seiner Show, Stimmung vor allem gegen den jeweiligen Sender aufkommen zu lassen – es ist der klassische Galgenhumor des Dirty Harry. Bis Mai dürfen wir uns nun also auf die besten Sendungen seiner Karriere freuen! Mal wieder.

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