- Lichter, List und Liebe
Sonnenwunder und mehr: Was vor 100 Jahren in Portugal geschehen sein soll, fasziniert und lockt Millionen Pilger. Jede Reise nach Fatima ist ein Ausflug in die Weltgeschichte
Ein ungemütlicher Frühlingstag geht zu Ende. An diesem Freitagabend weht ein kalter Wind, aber das große Kreuz auf der Spitze der Wallfahrtsbasilika leuchtet klar und leicht bläulich durch die Nacht. Und dann sind da die Kerzen: Auf meterlangen Bänken mit speziellen Rauchabzugshauben thronen sie vor der Capelinha, dem „Kapellchen“, am tiefsten Punkt des „heiligen Bezirks“, wo am 13. Mai 1917 in den Wipfeln einer jungen Steineiche drei Hirtenkindern die Gottesmutter Maria erschienen ist. Oder eher: erschienen sein soll? Laut den Aussagen der Kinder jedenfalls geschah dies in einer einzigartigen Show von kreisenden Lichteffekten, mit Strahlenbündeln, die sie aus ihren Handflächen entsandte. Gekleidet sei sie in Weiß und Himmelblau gewesen, mit goldenen Säumen und Kordeln an bodenlangem Kleid: ein himmlischer Livestream gewissermaßen.
Derart spektakulär sieht es an diesem kalten Frühlingstag nicht aus – sattgelbe Kerzchen flackern in der Dunkelheit und senden ihren Duft in den Himmel; es sind so viele, dass man sich wärmen kann an all den Anliegen der Hunderten von Pilgern, die sie entzündet haben. Im Glasgehäuse, einem senkrecht aufgestellten Schneewittchensarg, steht „Nossa Senhora“ – eine Statue aus bemaltem Holz, nach den Angaben der Kinder gefertigt: mit geneigtem Kopf, aneinandergelegten Händen. Solcherart betend überstand sie im Februar 2016 die Attacke eines Irren, der mit seinem Auto in den Pavillon raste und versuchte, die schützende Vitrine mit Axtschlägen zu zertrümmern.
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