- Weg mit dem Dünkel, her mit dem Zentralabi!
Die Bundesländer schmücken sich mit eigenen Abituren und verwehren sich einer einheitlichen Prüfung. Dieser Dünkel ist nicht nur unzeitgemäß, sondern eine Karikatur des Föderalismus. Schon längst ist es Zeit für ein deutsches Zentralabitur
Deutschland im Bildungsreformwahn. Genauer gesagt: die Bundesländer. Mit Staunen betrachtet man, wie an Bezeichnungen herumgedoktert, Schulformen zusammengeschweißt, gestreckt und gekürzt werden. Vom G9 zum G8 und wieder zurück. An die Abschlüsse aber trauen sich die Kultusminister nicht heran.
Hier sollte sich spätestens das Staunen in Empörung wandeln. Denn es gibt weiterhin kein Zentralabitur, sondern einzelne Bundesländer-Abiture. Sie sind aber unzeitgemäße Ausschussprodukte föderalistischen Dünkels.
In der Bildungspolitik geht es um Symbole
Wenn es um diesen geht, sind die Bayern immer vorne mit dabei. Zwischen Coburg und Lindau sind schließlich nicht nur die Wiesen grüner und das Bier schmackhafter; sondern eben auch das Abitur anspruchsvoller. Doch das hat Nebenwirkungen.
‚Himmelhergottsakramentkreuzkruzifixhalleluja‘, dürfte sicher dem ein oder anderen bayerischen Studienbewerber durch den Kopf schießen, wenn er knapp am NC seines Traumstudiums vorbeisegelt. Und das, während ein minimal besserer Konkurrent aus Hamburg seine Bewerbungsunterlagen in eine Immatrikulationsbescheinigung eintauschen darf. Der hat aus bajuwarischer Perspektive ja allenfalls einen Realschluss in der Tasche. Unterschiedliche Abiture für die gleiche Hochschulreife. Ist das unfair?
Ob das bayerische so viel schwieriger ist als das Hamburger Abi, lässt sich kaum messen. Aber in der Gesellschaft geht es ohnehin nicht um reale, sondern um gefühlte Ungerechtigkeit.
Aber warum sind eigentlich die Abiturprüfungen, die Teil des föderalistischen Bildungsdschungels sind, unterschiedlich? Das Grundgesetz sagt: Weil Bildung Ländersache ist. Die politische Antwort ist: Weil es in der Bildungspolitik um Symbole geht.
Föderale Abiture: Wettbewerb ohne Markt
Es gibt genau zwei Rechtfertigungsgründe für unterschiedliche Abiturprüfungen: Erstens können sie Ausdruck eines Schulsystems sein, das regionale Gegebenheiten wie Flora und Fauna oder Geschichte berücksichtigt. Zweitens sind sie Marken in einem innerdeutschen Wettbewerb um das bessere Bildungssystem.
Beide Argumente zerplatzen, wenn man hineinsticht. Ein deutsches Zentralabitur könnte sehr wohl Raum für länderspezifische Gepflogenheiten bieten. Schwerer wiegt jedoch, dass die Länder verkennen, dass ihr Wettbewerb einer ohne Markt ist. Welche Familie sollte die finanziellen und logistischen Möglichkeiten haben, in ein anderes Bundesland wegen des Abiturs der Kinder umzuziehen? Allenfalls diejenigen, die an Ländergrenzen wohnen.
Es bleibt also nur noch das Landes-Abitur als Symbol, das einem bundesdeutschen Zentralabitur entgegensteht.
Mutlose Kultusminister
Es könnte Tausende Lehrer entlasten, die Aufgaben erstellen und einsenden müssen. Es trüge dem Zeitgeist Rechnung, der sich von Regionalismen verabschiedet. Es würde (gefühlte) Ungerechtigkeiten bei der Studienplatzvergabe beseitigen. Und es würde die föderale Gewaltenteilung im Bildungsbereich entkarikieren.
Dabei müsste nicht einmal eine Verfassungsänderung her, sondern in der Kultusministerkonferenz schlicht eine vertraglich gesicherte Angleichung der Abituraufgaben und Bildungsstandards in der Oberstufe. Die Kultusminister aber dümpeln dünkelnd weiter vor sich hin. Zwar gibt es schon jetzt bundesweite gymnasiale Bildungsstandards für Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch, außerdem sollen ab 2016 die Bundesländer aus einem gemeinsamen Aufgabenpool schöpfen und die Prüfungen dadurch „bundesweit besser vergleichbar sein“.
Mut, ein Zentralabitur einzuführen, sieht anders aus.
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