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Wahlkampf - Sigmar stiehlt Peer die Show

Zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl kann die SPD mit den Umfragen nicht zufrieden sein. Ein Grund dafür: SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel drängt sich zu sehr in den Vordergrund

Autoreninfo

Malte Lehming ist Autor und Leitender Redakteur des Berliner "Tagesspiegels".

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Sigmar Gabriel ist ein Wiederholungstäter. Er ist es, der Peer Steinbrück fast zum Weinen bringt. Er ist es, der dem Kanzlerkandidaten permanent die Show stiehlt. An ihm liegt es, dass sich die SPD nicht am Schopfe aus dem Umfragesumpf ziehen kann. Er hat die Gabe, dass sich nur eine in Deutschland über die Opposition freuen kann – die Kanzlerin, Angela Merkel.

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Nun hat Gabriel es wieder getan. In einem Interview mit „Spiegel-Online“ plädiert er dafür, dass die Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen die Verantwortlichen der amerikanischen und britischen Geheimdienste wegen der Prism-, Tempora- und NSA-Affäre einleitet. Weil es inhaltlich egal ist, was Gabriel fordert – er könnte auch verlangen, dass Deutschland Amerika den Krieg erklärt oder Barack Obama vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden muss -, sind vor allem das Wie und Warum seiner Äußerungen interessant. Und da fällt vor allem das Schema auf: Gabriel will immer eine Spur schriller, drastischer und radikaler sein als Steinbrück. Ausgerechnet das Markenzeichen des Kanzlerkandidaten, das Klartextreden, wird durch den Parteivorsitzenden permanent entwertet. Klartext? Kann ich besser.

Das lässt sich an vielen Beispielen durchdeklinieren. Tags zuvor fand in Berlin der Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa statt. Hand aufs Herz: Welches Bild, welcher Satz aus der SPD bleibt davon haften? Ist es Steinbrücks Bemerkung von der „zynischen Gipfelshow“? Oder ist es Gabriel, der über Merkel zu Protokoll gibt, sie sei „eine Art Dieb, die der Jugend Europas die Zukunft stiehlt“? Merkel als Diebin – das sitzt. Dazu passt auch ein Gabriel, der dann demonstrativ – im Unterschied zu Steinbrück – vors Bundeskanzleramt zieht, um dort zu protestieren.

Oder eben die NSA-Affäre. Wer hat es bislang geschickter verstanden, daraus wahlkampfstrategischen Honig zu saugen? War es Steinbrück, der volle Aufklärung verlangt? Oder war es Gabriel, der Merkel der Mitwisserschaft bei den amerikanischen Spähaktivitäten bezichtigt und meint, unser gesamtes Rechtssystem sei „ausgehebelt“ worden?

Es hieße, Gabriels brennenden Ehrgeiz zu unterschätzen, wenn man allein sein etwas ungestümes Temperament für derartige Desavouierungen des obersten SPD-Wahlkämpfers verantwortlich macht. Denn spätestens seit dem „Spiegel-Interview“ Steinbrücks, in dem er sich über die mangelnde Loyalität Gabriels beschwerte, hätte diesem klar sein müssen, dass die Helligkeit, mit der er selbst in der Öffentlichkeit glänzt, nicht etwa Schatten auf Merkel wirft, sondern eben auf Steinbrück. Der Furor des einen verdeutlicht die Schwäche des anderen.

Auch ist Gabriel viel zu schlau, um nicht die Konsequenzen seiner Worte bedenken zu können. Zur NSA-Affäre beklagt er sich über die Kanzlerin: „Obama war hier. Da hätte Merkel mit ihm reden können.“ Gleichzeitig weiß er, dass Obama auch bei Steinbrück war, weswegen dieser ja ebenso gut mit dem US-Präsidenten hätte Klartext reden können. Mehr Kalkül hinter angeblich nur markigen Wortbeiträgen war selten.

Gabriel liegt auf der Lauer der Gelegenheit. Seine via „Zeit“ lancierte Homestory über das Leben mit seinem Nazi-Vater ließ bereits die Ambitionen erahnen, sich über mehr Biographie populärer zu machen. Denn das ist bislang sein größtes Handicap: Die Öffentlichkeit traut dem Ausgebufften nicht. Stellt sich nur die bange Frage – wie lange noch?

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