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Deutsche und Giftgas in Syrien - Nie wieder „Nie wieder“!

Die Deutschen sind Meister des Gedenkens. Die aktive Mitmenschlichkeit bleibt auch im aktuellen Syrien-Konflikt auf der Strecke

Autoreninfo

Malte Lehming ist Autor und Leitender Redakteur des Berliner "Tagesspiegels".

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Vor einem halben Jahr, am 14. März 2013, rief zu später Uhrzeit der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Hermann Otto Solms, den Tagesordnungspunkt 12 sowie die Zusatzpunkte 8 und 9 auf. Es ging um einen Jahrestag – 25 Jahre Halabdscha (Drucksache 17/12685). Die Aussprache wurde eröffnet, als erste Rednerin kam Uta Zapf (SPD) zu Wort.

„Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her­ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 16. März 2013 jährt sich zum 25. Mal ein grauenhaftes Verbrechen am kurdischen Volk, der Giftgasangriff von Saddam Hussein auf die Stadt Halabdscha. Irakische Kampfflug­zeuge vom Typ MiG und Mirage bombardierten die Stadt mit Giftgas, mit VX, Sarin und Senfgas, töteten 5000 Menschen; 10.000 wurden verletzt. Noch heute leiden die Menschen in Halabdscha an den Folgen, an physischen und psychischen Krankheiten, an Missbil­dungen und Traumata.“

Zapf und alle anderen Redner nannten das Verbrechen beim Namen. Es war Völkermord, Genozid, ein Verbrechen gegen die Menschheit. Das Chemiewaffenprogramm von Saddam Hussein hatten auch deutsche Firmen mit aufgebaut. Das erfüllte viele Abgeordnete mit Scham. Unter die Haut gingen auch Berichte über nachträgliche Ortstermine.

Lesen wir noch einmal Uta Zapf: „2011 habe ich mit meinem Kollegen Wolfgang Tiefensee Halabdscha besucht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das dortige Mahnmal und die damit verbun­dene Ausstellung zerreißen einem das Herz. Die vom Giftgas getroffenen Menschen starben in ihren Häusern, auf den Straßen, auf der Flucht, und zwar qualvoll. In Nachbildungen und Fotografien ist alles dokumentiert. Über dieses Verbrechen gibt es auf Youtube zahlrei­che Dokumentationsvideos, die aber nichts für zarte Ge­müter sind. Das will ich hinzufügen.“

Nein, für zarte Gemüter waren auch die folgenden Ausführungen von Philipp Mißfelder (CDU) nicht: „Die körperlichen De­formationen bei den Menschen, die von diesem Giftgas­anschlag betroffen waren, sind bis heute zu sehen. Es be­steht nach wie vor ein erhöhtes Krebsrisiko, und es gibt viele Vorfälle von Atemwegserkrankungen.“

Hans-Werner Ehrenberg (FDP) ergänzte: „Ich selber war vor einigen Wochen vor Ort und habe mir aus erster Hand von den Gräueltaten jener Tage im März 1988 berichten lassen. Ich habe mir die Zerstörung in der Stadt und im Umland angesehen, habe mit Hinter­bliebenen sprechen dürfen. Es war unvorstellbar. Noch heute leidet die Region unter der damaligen systemati­schen Zerstörung der Lebensgrundlagen der kurdischen Bevölkerung, unter der gezielten Vertreibung und Ver­nichtung durch Saddam Hussein und seiner Regierung.“

In 25 Jahren gedenken wir den Toten in Damaskus

Na klar, was aus alledem folgte: Nie wieder! In verschiedenen Varianten vorgetragen liest sich das deutsche Parlamentariergelöbnis so: „Es muss immer eine Maxime unserer Außenpolitik sein, sich rückhaltlos dafür einzusetzen, dass so etwas niemals wieder geschehen kann. Die bewegende Geschichte dieser Stadt soll uns und alle daran erinnern, weshalb wir hier und jetzt zusammengekommen sind: Niemals soll anderen Menschen das Gleiche widerfahren wie den Menschen in Halabdscha.“ (Ehrenberg)

Mißfelder hatte auch konkret bereits Syrien im Blick: „Auch in Syrien steht die Frage im Raum, ob Assad die chemischen Waffen, die er hat, nicht auch nutzen würde. Das ist ein Punkt, den wir in unserer Syrien-Poli­tik immer im Blick haben müssen. Wir fordern deshalb die syrische Regierung auch heute auf, auf chemische Waffen zu verzichten. Wir ste­hen fest an der Seite unserer amerikanischen Freunde, insbesondere von Präsident Obama, der gesagt hat, dass das nach wie vor eine rote Linie ist, die nicht überschrit­ten werden darf.“

Katja Keul von den Grünen versuchte einen Bogen zu schlagen von der vorbeugenden Absicht zur melancholischen Nachbetrachtung: „Jenseits der Forderungen in unserem Antrag treten wir für eine proaktive Politik ein und für unterstützende Initiativen aus Deutschland, die der Gedenkkultur in der Region Kurdistan neue Impulse verleihen.“

Dann ging der Bundestag zur Tagesordnung über. Neben dem Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Gebührenrechts des Bundes stand noch Punkt 16 auf dem Programm – „Queere Jugendliche unterstützen“.

Man ahnt bereits, wie die Debatte in 25 Jahren verläuft, wenn der Toten von Damaskus gedacht wird. Zumindest die Gedenkkultur wird bis dahin sicherlich große Fortschritte gemacht haben. Denn, wie gesagt, das Gedenken ist ein Meister aus Deutschland.

 

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