- „Er war nicht so der sprudelnde Typ“
Vor rund 50 Jahren saß Frank-Walter Steinmeier noch in der Dorfschule von Brakelsiek. Sein damaliger Lehrer Helmut Kuhlmann erinnert sich an einen zurückhaltenden Jungen, den die Mutter zunächst nicht aufs Gymnasium schicken wollte
Die Schule, in der ich Frank-Walter Steinmeier unterrichtet habe, war eine richtige Dorfschule. Das war in Brakelsiek, 1963 bis 1966, ich war sein Grundschullehrer von der zweiten bis zur vierten Klasse, Deutsch, Sachkunde, Mathe, Religion.
Frank hat sich in seiner Art kaum geändert. Er ist heute nicht so der sprudelnde Typ, und das war er auch damals nicht. Ein zurückhaltendes Kind, ich würde sagen: bescheiden. Wenn gezankt wurde, war er eher nicht involviert. Stattdessen hat er Ruhe ausgestrahlt, und das hat der Klasse gutgetan. Er war auch intelligent, und man sah an seinen Bemerkungen, dass er was auf dem Kasten hat, aber er hat das nicht so ausgespielt. Wir hatten hin und wieder Treffen mit Lehrern von anderen Schulen. Für die gab es eine Vorführstunde mit meiner Klasse, und nach einer dieser Stunden sagte ein auswärtiger Kollege zu mir: „Also, dieser Frank, der ist wirklich etwas Besonderes.“ Einmal hat er einen kleinen Aufsatz geschrieben, es könnte das Thema „Glück gehabt, Pech gehabt“ gewesen sein. Dazu sollten die Kinder aufschreiben, was ihnen einfällt. Franks Text war ganz kurz, aber besonders pfiffig, an den genauen Inhalt erinnere ich mich leider nicht mehr.
Meine Frau hat damals jeden Sonntag Kindergottesdienst in der Gemeinde gehalten, da kam der Frank auch. Sie hat ihn so erlebt wie ich: Auch wenn die Kinder überall herumwuselten und nicht aufpassten, der Frank war konzentriert und hat bei den Bibeldiskussionen vernünftige Beiträge gebracht.
Mit Frau Steinmeier, Franks Mutter, habe ich irgendwann ein Gespräch geführt, weil ich es zu schade fand, Frank einfach auf die Oberschule, also später die Hauptschule zu schicken. Der gehörte aufs Gymnasium. Seine Mutter sagte: „Können wir das denn machen, den Frank aufs Gymnasium nach Blomberg schicken? Ich kann ihm ja in den Fremdsprachen gar nicht helfen.“ Ich sagte: „Da habe ich keine Bedenken, der Frank schafft das auch alleine.“ Ein paar Tage später kam sie wieder und sagte: „Wir möchten das eigentlich nicht, das Risiko ist uns zu groß, und vielleicht ist er da dann der Einzige aus dem Dorf.“ Dann habe ich schweres Geschütz aufgefahren: „Frau Steinmeier, ich will Ihnen mal was sagen, wenn das mein Sohn wäre, ich würd das machen.“ Schließlich hat sie ihren Frank tatsächlich aufs Gymnasium geschickt.
Vor einigen Jahren hat er in Detmold in der Stadthalle einen Vortrag gehalten. Danach haben wir uns unterhalten, und nach einem Viertelstündchen sagte er: „Ich muss jetzt noch ein bisschen weiter.“ Das fand ich auch in Ordnung, dass er nach einem so netten Gespräch seine Zeit ein wenig einteilt.
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