() Hier hat die „Pizza Connection“ ihren Namen her – der Bonner Pizzaria Sassella.
Kurs grün – Die Union auf Richtungssuche
Schwarz-Grün auf Bundesebene? Das wird schwieriger, als sich die Strategen von der Pizza-Connection das vorstellen. Die CDU taktiert aus der Deckung, der grüne Flirt mit der Union soll vor allem eins: Die Augenhöhe mit der SPD unterstreichen. Eine Replik auf Peter Radunskis „Schwarz-Grün ist große Oper“.
Parteien mögen es ganz und gar nicht, wenn sie durch äußere Umstände zu einem grundlegenden Wechsel ihres Kurses genötigt werden. Denn er wird im Regelfall von der Spitze durchgesetzt und die interne Willensbildung erschöpft sich im Nachvollzug der geschaffenen Fakten. Wird dieser verweigert, mündet er in eine Führungskrise, zumindest aber verbreitet er den schalen Geschmack der Defensive in einer Situation, in der ein kraftvolles Eintreten für die neue Richtung erforderlich wäre, um die Glaubwürdigkeitslücke nicht allzu offen klaffen zu lassen. Es sind Zeiten verblichener Attraktivität, verkniffener Gesichter und verlogener Statements. Die Verwerfungen einer solchen Situation können noch lange nachhallen, davon zeugte der Bielefelder Parteitag, auf dem die Grünen 1999 den NATO-Kampfeinsatz im ehemaligen Jugoslawien billigten.
Auch wenn die Umgangsformen in der Union dezenter sind, so stehen doch die internen Verwerfungen, die Fukushima und der von der Spitze avisierte Atomausstieg intern hervorrufen, den seinerzeitigen der Grünen in nichts nach. Galt doch noch vor wenigen Wochen das Gegenteil des nun Verkündeten als eigener Markenkern, um dessentwillen man den gesellschaftlichen Konsens, der mit dem rot-grünen Atomausstieg 2002 besiegelt worden war, gebrochen hat.
Zwar war die CDU nie eine „Atom-Partei“, wie die französischen Schwesterparteien, doch besaß sie genug Vertrauen in diese Technologie, um darauf eine energiepolitische Zukunft zu bauen, zumal diese auch klimapolitischen Ansprüchen zu genügen schien. Und es sind beileibe nicht, wie verkündet, die Bequerelle, die nun um Fukushima gemessen werden, die zur plötzlichen Umkehr führen. Es ist vielmehr die daraus resultierende gesellschaftliche und politische Gemengelage in Deutschland, die alle anderen Optionen der CDU-Führung als aussichtslos erscheinen lassen. Es war nicht die Angst vor einem Fukushima in Deutschland, sondern der Druck der öffentlichen Meinung, der sich in Umfragen und vor allem in dem Wahlergebnis in Baden-Württemberg entfaltete, welcher die Union zum Einlenken zwang.
Diese Kehrtwende steht in einem augenfälligen Kontrast zu der Konsequenzenlosigkeit, mit der Franzosen, Niederländer oder Briten auf die Atom-Katastrophe reagieren. Das mag manchen Unions-Politiker in der Mutmaßung bestärkt haben, mehr Standfestigkeit der Führung sei strategisch angemessener gewesen. Mit dieser Lücke in der Glaubwürdigkeit der eigenen Argumentation wird die Unionsführung noch lange zu kämpfen haben.
Nun hat sich also die CDU auf grünen Kurs begeben, und es war nur eine Frage der Zeit, bis eine schwarz-grüne Koalition als ein Ziel dieses Kurses wieder Thema werden würde. Schon seit Langem erfreut sich diese Konstellation eines feuilletonistischen Zuspruchs, der sich auf Gemeinsamkeiten des Bürgerlichen und des Wertehaushaltes stützt und von einer gewissen Geringschätzung des Sozialdemokratischen und Staatlichen durchdrungen ist. Diesen Betrachtern gilt Schwarz-Grün als Reifezeugnis der Republik.
Nach der Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke war es still geworden um diese Option, mit der Rücknahme dieser Maßnahme kann wieder lauter über sie geredet werden. Geradezu lauthals wird sie vom früheren CDU-Bundesgeschäftsführer Peter Radunski proklamiert, der Schwarz-Grün nun als „große Oper“ mit Leidenschaft, Dramatik und Schicksal inszeniert wissen will und von seiner Parteiführung verlangt, durch die gesamte Partei hindurch Schwarz-Grün zu konzipieren, zu inszenieren, zu erklären, vielleicht sogar zu erkämpfen.
Nun will das Vivace con fuoco, das der frühere Chef-Wahlkampfmanager hier anschlägt nicht ganz zur derzeitigen Stimmung in der Union passen, der angesichts der verlorenen Wahlen, eines halbtoten Koalitionspartner und der erzwungenen Defensive eher ein Largo con dolore entspräche. Erst recht passt es nicht zu einer Parteiführerin und Kanzlerin, der Abwarten zum politischen Überlebensprinzip geworden und Schwarz-Grün zuletzt als „Hirngespinst“ erschienen ist. Selbst für eine so wendige Person wie Merkel wäre eine Hinwendung zu den Grünen eine Wende zuviel.
Ein Durchkämpfen dieser Option in der eigenen Partei würde bei ihr eine Überzeugung voraussetzen, die sie nicht hat. Für sie würde allenfalls das „Nixon goes to China“-Theorem sprechen, wonach (in Anlehnung an den überraschenden Besuch des republikanischen Präsidenten im kommunistischen China 1972) große Umbrüche am besten von denen vollbracht werden, denen dabei keine eigene Leidenschaft nachgesagt werden kann. Im Klartext formuliert: mit den Protagonisten der Pizza-Connection, mit Profalla, Röttgen und von Klaeden an der Spitze, würde eine solche Kehre in der Union nicht durchsetzbar sein, der Widerstand wäre zu groß. Wie stark sie sind wird man in den nächsten Wochen anhand der Debatte um die Atom-Ausstiegsszenarien ermessen können.
Erst diese werden zudem Aufschluss darüber geben, wie tragfähig die neue Gemeinsamkeit mit den Grünen in der Sache ist. Sie wird nicht nur wegen der Differenzen in der Energiepolitik als nicht allzu belastbar einzustufen sein, denn auf den Feldern der Gesundheits- und Sozialpolitik sind die Schnittmengen kaum größer.
Radunskis Offensive atmet die Angst, den Dreißig-Prozent-Turm auf absehbare Zeit nicht mehr verlassen zu können und, angesichts einer siechen FDP, für längere Zeit den Zugriff auf die Regierungsmehrheit zu verlieren. Dieser Offensive mangelt es nicht nur an Inhalten, ihr fehlt auch ein geeignetes Testgelände. In keinem der Bundesländer, in denen noch Wahlen anstehen, ist eine Koalition zwischen CDU und Grünen angelegt.
Als nach der Bundestagswahl 2005 dieses Bündnis zum ersten Mal ernsthafter im Gespräch war, befanden sich die Grünen in einer dreifachen Defensive. Sie mussten sich, nachdem Rot-Grün abgewählt und Joschka Fischer gegangen war, ihre Führung neu austarieren und sich aus der babylonischen Gefangenschaft der SPD befreien. Zudem gab es durch das Auftreten der Linkspartei für ein rot-grünes Bündnis keine realistische Machtperspektive mehr. Mit Fischer verschwand auch das „rot-grüne Projekt“, die geradezu programmatische Festlegung auf die SPD als Bündnispartner. Der um die ökologische Frage zentrierte Mittekurs, der in den Jahren der Opposition eingeschlagen wurde und die damit einhergehende koalitionspolitische Öffnung erwiesen sich als eine so erfolgreiche Strategie, dass SPD und Grüne sich nach 2009 erneut als Bündnisoption präsentierten, diesmal jedoch intern mit veränderten Vorzeichen und gestärkt dadurch, dass die Linkspartei ihren Zenit vorerst überschritten hat und eine rot-grüne Mehrheit wieder realistisch ist.
In den Augen der Bürger, die anders schauen als so mancher Journalist, sind Rot-Grün und Schwarz-Gelb die favorisierten Koalitions-Konstellationen, mit allen anderen Varianten werden politische Reibungsverluste verbunden. Solange diese Vorbehalte des Souveräns nicht, durch eine gemeinsame Koalition in einem relevanten Bundesland, ausgeräumt wurden, steht Schwarz-Grün im Bund vor einer geradezu unüberwindlichen Hürde. Sie ist nur zu nehmen, wenn das Wahlergebnis keine andere Option zulässt.
Anders als für die Union besteht für die Grünen von daher kein Anlass, über eine größere Annäherung beider Parteien zu sinnieren. Ihr Mitte-Kurs wird durch die Umfragen bestätigt, sie können den Erfolg allenfalls selbst gefährden, indem sie in alte Lagerstrukturen zurückfallen. Das Reden über Schwarz-Grün zielt bei ihnen weniger auf eine reale Option, sondern unterstreicht innerhalb von Rot-Grün die Augenhöhe mit der SPD und den eigenen Anspruch „Volkspartei“ zu sein. Deshalb besteht für die Grünen kein Anlass zur Änderung des derzeitigen Kurses mit der SPD als erster, der Union als nachrangiger Option und der Erwartung, dass gegebenenfalls für diese ein schwarz-grünes Bündnis machbar erscheint und attraktiver ist als ein schwarz-rotes.
Zum Artikel von Peter Radunski: „Schwarz-Grün ist große Oper“
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