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Berliner Olympia-Bewerbung - Keine Spiele ohne die Bürger!

Berlin und Hamburg erwägen, sich für die Olympischen Spiele 2024 oder 2028 zu bewerben. Die Berliner wären gute Gastgeber – aber nur für bescheidene und nachhaltige Spiele. Ein Beitrag in Kooperation mit dem Tagesspiegel

Autoreninfo

Özcan Mutlu ist Sprecher für Sportpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

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Nach der krachenden Abstimmungsniederlage über die Bewerbung Münchens für die Winterspiele 2022 gab es lange Gesichter bei den Befürwortern und den Verantwortlichen des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Die Ursache schien schnell gefunden: Die Menschen hätten es nicht verstanden, man müsse mehr erklären und ein besseres Marketing betreiben.

Nun wird in Hamburg und Berlin über eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele nachgedacht – in Berlin vorangetrieben vom Landessportbund und Teilen der Politik und Wirtschaft. Der DOSB unterstützt die Debatte auf eigene Art und setzt Politik und Sport mit einem 13-teiligen Fragenkatalog unter Druck.

Und wie immer fühlt sich die Berliner Politik bereit für ein neues Großprojekt. Zweifelsohne sind wir Berliner für den Sport zu begeistern und tolle Gastgeber, wie wir beim Sommermärchen 2006 gezeigt haben. Doch zeigt das Münchner Ergebnis, dass sich die Bürger nicht mehr einfach blenden lassen. Denn die Ablehnung war weder ein Zeichen von Mutlosigkeit noch ein Sieg der „Wutbürger“. Mich überrascht die „Olympia? Nein danke“-Stimmung nicht, die auch in vielen anderen Ländern Europas zum Ausdruck kam. Offensichtlich beschäftigen die Menschen andere gesellschaftliche Probleme stärker. Vor allem herrscht zu Recht ein großes Misstrauen gegenüber dem IOC. Denn das IOC ist neben der Fifa zum Sinnbild einer Organisation geworden, die mehr für Korruption, Selbstgefälligkeit, Intransparenz und Größenwahn steht als für Sport.

Der Sport muss wieder in den Mittelpunkt

Es besteht ein massives Glaubwürdigkeitsproblem bei der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen. So denken viele Menschen, dass es den Sportfunktionären des IOC und der Fifa vorrangig ums (eigene) Geld geht. Anders lässt sich eine Vergabe der Winterspiele nach Sotschi nicht erklären. Die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar durch die Fifa sowie aktuelle Berichte über Korruption haben viele in ihrer Meinung noch bestärkt. Wie auf dieser Grundlage eine offene und positive Stimmung für Olympia geschaffen werden soll, ist fraglich. Die Massenproteste in Brasilien sind darüber hinaus ein mahnendes Beispiel, das Augenmaß nicht zu verlieren. Olympia zu holen, koste es, was es wolle, passt nicht mehr in unsere Zeit.

Die Pläne des Senats, den Berlinern künftig wichtige Fragen zur Entscheidung vorzulegen, ist eine kluge Lehre aus dem Debakel der Abstimmung über das Tempelhofer Feld. Leider kommt diese Besinnung für die Olympiabewerbung zu spät. Auch der DOSB stellt in seinem Katalog die beiden entscheidenden Fragen: Warum will Ihre Stadt die Olympischen und Paralympischen Spiele ausrichten und wie sollen die Bürger davon profitieren?

Allerdings hat der DOSB Berlin und Hamburg nur drei Monate Zeit für eine Antwort gegeben. Unter diesem Zeitdruck muss jede Bürgerbeteiligung zum Versuch verkommen, die Bürger von der Sinnhaftigkeit längst beschlossener und von ökonomischen Interessen diktierter Planungen zu überzeugen. Dies werden die Berliner nicht mehr mit sich machen lassen. Das deutliche Nein beim Tempelhofer Feld schafft zudem eine selbstbewusste Gegenöffentlichkeit zur rot-schwarzen Mehrheit.

Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Berliner ein tolles Sportpublikum wären, wenn wir bescheidene und nachhaltige Spiele erwarten dürften. Ein erfolgreiches Werben für solche Spiele muss mindestens folgende Kriterien erfüllen: eine echte Bürgerbeteiligung, die Nachhaltigkeit der Spiele in ökologischer und finanzieller Hinsicht, Bescheidenheit statt Gigantomanie und ein Maximum an Transparenz.

Das IOC hat noch nicht verstanden, dass es den Sport wieder in den Mittelpunkt rücken muss. Dazu gehören ein struktureller und personeller Neuanfang in den Weltsportverbänden und eine Aufklärung der jahrzehntelangen Korruption im Weltsport. Auch müssen sich IOC und Fifa vom Vereinsstatut in der Schweiz und der Steuerfreiheit – garantiert durch Knebelverträge mit den ausrichtenden Ländern – verabschieden.

Özcan Mutlu ist Sprecher für Sportpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

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