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Haushaltsdebatte - Wo die Elefanten wohnen

Die Union sozialdemokratisiert sich. Die SPD trägt geduldig Merkels Kurs mit. Die Grünen wissen nicht so richtig und die Linke keilt gegen den Rest. Parlamentsalltag. Doch es gibt Tage, da zeigen die Parteien, wofür sie eigentlich stehen wollen

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Die Erwartung der estnischen Delegation um Präsident Toomas Hendrik Ilves lässt sich nur anhand ihrer Körpersprache erahnen. Gerade spricht Sahra Wagenknecht – so aggressiv wie das Rot ihres Kostüms – über die Ukraine als einem „Regime, in dem wichtige Funktionen der Polizei und des Sicherheitsapparates heute mit ausgewiesenen Nazis besetzt werden“. Die NATO-Osterweiterung sei eine Ausdehnung der US-amerikanischen Interessensphäre. Kopfschütteln bei den Esten. Lächeln, das nicht von Amüsement, sondern von Unglaube zeugt. Versteinerte Mienen.

Generalaussprache heißt auch Generalabrechnung


Aber sie nimmt sich nicht nur die Ukraine vor. Denn heute ist Generalaussprache zum Kanzleretat –und auch zur Regierungspolitik. Es ist der Tag, an dem sich bei der sogenannten Elefantenrunde die politischen Schwergewichte der Fraktionen aneinander stoßen und markieren, wo ihr angestammtes Territorium überhaupt liegt. Und die linke Fraktionsvizin Wagenknecht stampft los, rennt gegen den ausgeglichenen Haushalt an, den die Regierungsfraktionen in dieser Woche fürs kommende Jahr beschließen werden. Die Regierung feiere „okkulte Opferrituale vor der Göttin ‚Schwarze Null‘“ ruft sie. Angela Merkel bezeichnet den ausgeglichenen Haushalt dagegen als Teil der sozialen Marktwirtschaft. Die, wütet wiederum Wagenknecht, gäbe es in Deutschland gar nicht.

Generalaussprache ist eben in anderen Worten Generalabrechnung. Ein Abrechnen mit der Haltung und Politik der anderen Parteien. Man rechnet aber auch die eigenen zusammen, bringt sie dafür auf einen gemeinsamen Nenner: die Grundsätze, die Kernbotschaften der eigenen Partei. Die bläst Wagenknecht nun ins Plenum.

Doch ihre Rede perlt an Angela Merkel ab wie an Teflon. Die scheint bereits für ihre Neujahrsansprache zu üben: Während sie hüftbreit dasteht, schreitet sie verbal seelenruhig Politikfeld für Politikfeld ab, gelangt von einem allgemeinen Selbstlob zum nächsten Unkonkreten. Man habe schon viel erreicht, es gäbe aber noch Arbeit zu tun. Das sagt sie über vieles: Regeln für Finanzmärkte, Energiewende, aber auch die Investitionen in Deutschland. Die stünden übrigens „in keinem Gegensatz“ zu einem soliden Haushalt. Die Sanktionen gegen Russland seinen unvermeidlich, die Annexion der Krim und die direkte und indirekte Einmischung Putins in die Ukraine nicht gerechtfertigt. „Die Frauenquote ist beschlossen“. Und: „Das kommende Jahr wird im Zeichen globaler Herausforderungen stehen.“

Die Union kann auch konservativ


Die sind für Anton Hofreiter klar, der direkt nach Merkel sprechen kann und als grünes Kontrastmittel wirkt: Leichter Ausfallschritt statt hüftbreitem Stand. Emotionale Ausbrüche im Dialekt statt Übung für die Neujahrsansprache. Der Grünen-Fraktionschef besinnt sich heute auf den Parteikern: „Wir brauchen einen Aufbruch, wir brauchen Visionen.“ Bessere Gesetze für Biobauern, weniger Antibiotika im Tierfleisch. „Ich will ein Land, in dem die Kohle unter der Erde bleibt und wo Atome nicht gespalten werden“, sagt Hofreiter. Und eines, das „Weltmeister in der Flüchtlingspolitik“ ist und nicht mit Zahlungen für Rohstofflieferungen das autoritäre System Putins unterstützt.

Neben diesem Wunschkonzert schlägt Hofreiter auch härtere Töne an: „Der schwarze Gabriel“ werde sich bald den Kohlestaub aus dem Jackett bürsten und sich mit einer rot-bejackten Merkel im Eis fotografieren lassen, weil das ja so gut geklappt habe. 2007 hatten sich die beiden in Grönland so fotografieren lassen. Und Volker Kauder, Fraktionschef der Union, müsse „wegen so ein bisschen Frauenquote nicht so rumweinen.“

Bevor Volker Kauder reagieren darf, tritt Thomas Oppermann ans Pult. Der Fraktionsvorsitzende der SPD schimpft, die Grünen sollten nicht „mit der Brechstange“ kommen und versuchen, Klima und Wirtschaft gegeneinander auszuspielen. Er schwärmt von Nordrhein-Westfalen – Stammwählergebiet der Sozialdemokraten –, das trotz des massiven Rückbaus in der Stahl- und Kohleindustrie eine Art „Aufbau Ost“ selbst erlebt habe.

Als letzter politischer Dickhäuter setzt sich Volker Kauder in Bewegung. Ein paar grüne Abgeordnete winken ihm in Anlehnung an Hofreiters Rede schon mit Taschentüchern zu, als er – wie immer – ohne Redezettel ans Pult tritt. Er zeigt, dass es allen Mutmaßungen zum Trotz noch Konservative in der Partei gibt. Die Taschentücher sollten die Grünen behalten, denn es sei zum Weinen, dass die Grünen in Thüringen jetzt in einer rot-rot-grünen Koalition Bodo Ramelow ins Amt hievten. Den ersten linken Ministerpräsidenten, einen von denen, „die man damals weggewischt hat“, bellt er. Spricht dann von den Werten Europas, dem langen Weg der Türkei in die EU, von der Sicherheit des Einzelnen. Man dürfe nicht dulden, dass Banden durch Deutschland zögen und täglich in hunderte Wohnungen und Häuser einbrächen.  

Die Union kann auch konservativ, nicht nur Merkel. Das kann der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves allerdings nicht zuhause erzählen. Nach dem zweiten Elefanten verließ er nämlich bereits die Manege.  

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