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Cicero-Montage

Hamburg fragt, Berlin antwortet - „Und wo warst Du am 9. November 1989?“

Der Chefredakteur des Hamburger Abendblattes, Lars Haider, fragt. Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke antwortet. Per E-Mail. Ein Pingpong zum Mauerfall 

Autoreninfo

Lars Haider ist Chefredakteur des Hamburger Abendblatts

So erreichen Sie Lars Haider:

Haider: Lieber Christoph, wo warst Du am 9. November 1989?
Schwennicke: Jedenfalls nicht in der Sauna…:-). Im Ernst: am mutmaßlich weitest entfernten Ort des Geschehens innerhalb der deutschen Landresgrenzen. In Freiburg im Breisgau. Zum Praktikum bei der Badischen Zeitung.

Haider: Weißt Du noch, wie Du vom Mauerfall erfahren und was Du gedacht hast? Und wer war noch mal in der Sauna?
Schwennicke: Ganz genau weiß ich das. Meine Eltern riefen mich an. Sie stammen aus der Nähe von Eisleben. Wir sind oft rübergefahren zu Verwandten. Es klang unwirklich und weit weg. Ich dachte an die ganzen Asterix- und Micky-Maus-Hefte, die mir schlecht gelaunte Vopos an der Gänsefleisch-Grenze abgenommen hatten in all den Jahren… Das hatte mich als kleinen Jungen auf der Rückbank jedesmal mit ohnmächtigem Zorn erfüllt. Eine junge Frau namens Merkel war in der Sauna, als es losging. 

Haider: Wie würdest Du heute dein Gefühl beschreiben angesichts eines Vierteljahrhunderts Mauerfalls? Ich würde zu gern wissen, wie viele Westdeutsche noch nie in den neuen Bundesländern waren und umgekehrt.
Schwennicke: Selbstverständlich. Ich lebe selbstverständlich damit. Das klingt langweilig, ist aber in Wahrheit großartig. Gerade war mein Vater zu Besuch, mit einer Bekannten von früher, aus Leipzig. „Das ist Osten“, „das ist Westen“, hat sie oft gesagt. Und meine Frau und ich haben gesagt: „war“, nicht „ist“. Wenn ich zum Beispiel in Erfurt bin, dann denke ich nicht: boaah, wie ostisch! Sondern: boaah, was für eine schöne Stadt!

Haider: Das ist ja das eigentlich Schlimme an der Wiedervereinigung: Auf einmal gibt es in Deutschland Städte, die fast so schön sind wie Hamburg :-) Meine Top-3: Weimar, Dresden, Berlin. Angeblich war nach dem Mauerfall ein Fünftel der Westdeutschen noch nie in Ostdeutschland? Ich kann die Zahl nicht glauben.
Schwennicke: Ich fürchte, sie stimmt. Hier in Berlin gibt es bis heute „Wessis“, die stolz drauf sind, noch keinen Fuß auf Ostboden der Stadt gesetzt zu haben, oder nur, wenn es gar nicht anders geht – und dann schnell wieder zurück in den Westen. Gaga.

Das E-Mail-Pingpong können Sie jeden Samstag im Hamburger Abendblatt lesen.

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