- Ein guter Tag für die Frauenrechte
So verrückt es klingen mag: Obwohl die Koalition die Frauenquote im Bundestag abgelehnt hat, hat diese Debatte die Gleichberechtigung wesentlich voran gebracht. An der Quote geht nun eigentlich kein Weg mehr vorbei
Lesen Sie dazu auch den Artikel von Julian Graeber: „Frauenquote Adé“
Wer die Bundestagsdebatte zur Frauenquote verfolgt hat, dürfte nicht schlecht gestaunt haben. Da wurde ein imaginärer Geschlechterkampf ausgetragen, wie man ihn seit der Zeit der Suffragetten nicht kannte. Wie einst der Inquisitor seinem Delinquenten versprach die SPD-Frau den Unionsverräterinnen, dass für sie ein Platz in der Hölle reserviert sei. Man musste meinen, es gehe nicht nur um einige hundert Vertreterinnen in Aufsichtsräten, sondern um das Ende der Frauenbewegung, das Schicksal einer ganzen Geschlechtsgemeinschaft.
Ja: Frau mochte angesichts einiger Argumente verzweifeln. Ja: In vielen Unternehmen herrscht noch eine miefige Macho-Kultur wie in den 50er Jahren.
Andererseits: Das Thema Frauenquote – mit allem koalitionären Hick-Hack, mit der Debatte des Fraktionszwangs und von der Leyens Doppelrolle – wurde so breit in den Medien diskutiert wie wenig anderes in dieser Legislaturperiode. Wir stellen fest, dass sich Männer wie Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu glühendsten Emanzen gewandelt haben, am Rednerpult auf den Tisch hauen und rufen: „Jetzt müssen Taten her.“
Die Front verläuft längst nicht mehr zwischen Mann und Frau, sondern zwischen Regierung und Opposition. Die Opposition wollte Schwarz-Gelb mitten im Wahlkampf vorführen – der Grünen-Antrag am Morgen vor der Abstimmung, der genau die von der Union vorgesehene 30-Prozent-Quote bis 2020 forderte, ist dafür ein Beweis –; die Koalition wiederum fürchtete, dass dies gelingen könnte.
Also rief die Union die eigenen Revoluzzerinnen zur Räson.
Dass diese nicht entgegen des Fraktionszwangs zur Opposition übergelaufen sind, mag für beinharte Quoten-Kämpferinnen eine Enttäuschung sein. Es ist aber weder ein Rückschlag für die Opposition noch für die Sache selbst. Denn der viel größere Erfolg ist doch, dass sich die Union nun für eine Frauenquote ausspricht – jener Dörfler-Verein, in dem chauvinistische Seilschaften den immer gleichen Bubis über Jahrzehnte den Aufstieg garantierten.
Damit ist die Frauenquote nicht mehr aufzuhalten.
Denn bei jeder Reform, die die Gesellschaft ein Stück weiter in die Moderne tragen soll, muss man jenen Flügel mitnehmen, der diese Neuerung eigentlich ablehnt. Die Wehrpflicht konnte nur abgeschafft, der Mindestlohn nur konsensfähig und der Atomausstieg nur endgültig vollzogen werden, weil die Union – Bannerträger des Konservatismus – all das mitgetragen hat. Die Agenda 2010 oder der Kriegseinsatz im Kosovo konnten dem Land wiederum nur unter Rot-Grün zugemutet werden. Schröder und Fischer domestizierten damals ihre jeweiligen gewerkschaftsnah-pazifistischen Flügeln. Das ist die verworrene Dialektik der Macht.
Und so ist es auch mit der Frauenquote: Die Union hat sich unter dem Druck der gesellschaftlichen Realitäten und unter dem Groll ihres eigenen Wirtschaftsflügels zu diesem Standpunkt durchgerungen. Er wird ins Wahlprogramm aufgenommen werden, alles andere wird sich die Partei auch gar nicht leisten können. Das ist nicht zuletzt Ursula von der Leyen zu verdanken. Heute mögen sie einige noch als Verräterin oder Umfallerin brandmarken. Langfristig aber wird man erkennen müssen, dass sie erfolgreich für die Sache der Frauen gekämpft hat. Mit Unterstützung der Löwinnen in der Opposition.
Deshalb war es ein guter Tag für die Frauenrechte.
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