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Rot-Grün - Die SPD und die Kollateralschäden der Öko-Ideologie

Benzin, Lebensmittel, Strom: Moral hat ihren Preis. Die Grünen sind die Partei der Besserverdienenden und können es sich leisten. Auf der Strecke bleiben dabei diejenigen, die jeden Cent zweimal umdrehen müssen. Die SPD sollte deshalb aufhören zu vergrünen und sich wieder ihrem klassischen Klientel zuwenden

Autoreninfo

Malte Lehming ist Autor und Leitender Redakteur des Berliner "Tagesspiegels".

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Die Grünen, das weiß man, sind die Partei der Besserverdienenden. Vor knapp zehn Jahren haben sie diesen Titel von der FDP geerbt und ihn seitdem verteidigt. Ihr Haushaltseinkommen ist weit höher als das der Wähler anderer Parteien. In der Gruppe jener, die mehr als 3000 Euro im Monat netto zur Verfügung haben, kommen sie auf 29 Prozent. Sie sind beruflich etabliert, haben hohe Bildungsabschlüsse, kein Wunder, dass sie unter Arbeitslosen nur auf magere sechs Prozent Zustimmung kommen. Hingegen wählen 37 Prozent der Beamten grün, bei den Beamten im höheren Dienst sind es sogar 41 Prozent. Für den Gründer und Geschäftsführer des Forsa-Instituts, Manfred Güllner, sind die Grünen-Wähler „wohlversorgte Postmaterialisten“.

Das sei ihnen gegönnt. Doch warum schmiegen sich an diese Partei ausgerechnet die Sozialdemokraten am engsten an? Zwar wird Rot-Grün nicht, wie weiland Schwarz-Gelb, als „Traum-Koalition“ tituliert, aber immerhin als „Wunschkoalition“. Peer Steinbrück und Jürgen Trittin, Sigmar Gabriel und Katrin Göring-Eckardt: Stimmt da wirklich die Chemie?

Die Grünen verstehen sich als Reformpartei. Schon in der ersten rot-grünen Bundesregierung wollten sie Motor, nicht Bremser der Agenda 2010 sein. „Das ist erst der Anfang“, prophezeite der damalige Mittelstandsbeauftragte Rezzo Schlauch des damaligen Wirtschaftsministers Wolfgang Clement. Die Grünen plädierten für einen generellen Subventionsabbau, die Vorschläge der Gerhard-Schröder-Truppe waren ihnen nicht radikal genug.

Denn die Grünen und das Soziale: Diese Beziehung ist prekär. Ginge es nach den Grünen, müsste so ziemlich alles teurer werden. Das Benzin (Luftverschmutzung), die Kleidung (Brandkatastrophe von Bangladesch), der Kaffee (fair gehandelt), Obst und Gemüse (Bio), das Fleisch (Massentierhaltung ist unmoralisch), Parkgebühren in Großstädten (Projekt Verhausschweinung). Und nicht zuletzt natürlich die Energie. Der ökologische Umbau des Energiesystems, die Umstellung auf Erneuerbare, die klimafreundliche Sanierung der Altbauten (energetische Gebäudesanierung), neue Windparks, Solaranlagen, Stromtrassen – das alles kostet Unsummen. Viele der Auslagen werden auf die Verbraucher umgewälzt. Strompreise explodieren, Mieten steigen. Ein sozialer Ausgleich, der diesen Namen verdient, ist nicht vorgesehen.

Die Wähler der Grünen stört das von allen Parteien am wenigsten. Sie haben’s ja. Und die paar Euro mehr? Ist doch für gute Zwecke! Umwelt schonen, gerechte Löhne zahlen, Verkehr einschränken, Atomkraftwerke abschalten, das Klima schonen. Moral hat halt ihren Preis.

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Völlig aus dem Blick geraten dabei diejenigen, die jede Münze in der Hand umdrehen müssen, bevor sie ausgegeben werden kann. Arbeitslose, Kleinverdiener, kurz: Proletarier – just jenes Milieu, um das traditionell die Genossen werben. Doch anstatt sich als soziales Gewissen der Umwelt-, Natur- und Klimaschützer zu verstehen, trötet die SPD genau so laut wie diese ins Öko-Horn. Eher vergrünen die Genossen, so scheint es, als dass sie die Vergrünung des Landes gerechter gestalten.

Aber Rot-Grün passt nur dann zusammen, wenn Rot rot bleibt und die sozialen Kollateralschäden der grünen Ideologie begrenzt. Wer die Grünen lediglich imitiert, vertieft die Spaltung der Gesellschaft – in ein gut situiertes, moralisch teuer konsumierendes Bürgertum und eine abgehängte Schicht, die neben der Armut auch die Bürde des Sich-mitschuldig-machens an vielen Übeln der Welt zu tragen verdammt ist.

Hinzu kommt, dass die protektionistischen Tendenzen, die die grüne Produktdebatte befördert, den freien Welthandel gefährden. Die neuen obersten deutschen Reinheitsgebote – keine chinesischen Plastikpuppen, keine Billig-T-Shirts, keine genetisch veränderten Nahrungsmittel – fungieren jetzt schon als ideale Importabwehrwaffen. Die heimischen Märkte werden abgeschottet und der Verbraucher vor günstigen Produkten aus dem Ausland geschützt, weil deren Qualität und Herstellungsbedingungen nun einmal nicht unseren Kriterien entsprechen.

Die SPD sollte aufhören zu vergrünen und die Kollateralschäden der Öko-Ideologie begrenzen. Die Partei der Guten und Gutverdienenden braucht ein Korrektiv. Je schneller und klarer sich die SPD dazu bekennt, das sein zu wollen, desto besser.

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