Assad-Poster an einem syrischen Wohnhaus, September 2024 / dpa

Die Rolle Syriens im israelisch-iranischen Konflikt - Assad in Bedrängnis

Für das Regime in Teheran ist Syrien von enormer strategischer Bedeutung. Und das Schicksal des syrischen Machthabers wird nicht nur über den Ausgang des iranisch-israelischen Krieges entscheiden, sondern auch über die Stellung des Iran in der Region.

Autoreninfo

Kamran Bokhari ist Experte für den Mittleren Osten an der Universität von Ottawa und Analyst für den amerikanischen Thinktank Geopolitical Futures.

So erreichen Sie Kamran Bokhari:

Während sich der Konflikt zwischen Israel und dem Iran weiter zuspitzt, ist Syrien das strategische Land in der Mitte. Für den Iran ist Syrien das geografische Zentrum seiner Strategie, um seinen Einfluss in der arabischen Welt zu wahren. Umgekehrt betrachtet Israel Syrien als den Schlüssel zur Sicherung der israelischen Nordflanke. Der Ausgang des israelisch-iranischen Konflikts hängt also davon ab, was mit dem Assad-Regime geschieht.

Wie Reuters am 15. Oktober berichtete, hat das israelische Militär Landminen geräumt, neue Befestigungen ausgehoben und einen Zaun, der die Golanhöhen von einer entmilitarisierten Zone trennt, näher an das syrische Territorium herangeführt. Die Manöver, die syrischen und libanesischen Quellen zufolge in letzter Zeit beschleunigt wurden, würden es den israelischen Streitkräften ermöglichen, die Hisbollah genau im Auge zu behalten und das Gebiet besser vor einer möglichen Infiltration durch die vom Iran unterstützte bewaffnete Gruppe zu schützen. Wie eine anonyme libanesische Sicherheitsquelle in dem Reuters-Bericht anmerkte, könnten die Minenräumungsoperationen ein Vorzeichen für einen israelischen Angriff von Osten her sein, um die Hisbollah „einzukreisen“.

Anfang 2011, vor dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs, befand sich der Iran auf einem Höhenflug. Einige Wochen zuvor hatte der Irak endlich eine achtmonatige Blockade nach den Wahlen überwunden und eine schiitisch geführte Regierung eingesetzt, die den iranischen Interessen wohlgesonnen war. Das US-Militär bereitete sich auf den Abzug seiner Truppen aus dem Irak vor und machte damit den Weg für die Iraner frei, ihre Macht im Nachbarland zu festigen. Anderswo waren die arabischen Staaten in Aufruhr. Im Januar, nur zwei Tage bevor die Demonstranten in Tunesien ihren Präsidenten stürzten (der erste Skalp des Arabischen Frühlings), sorgte die Hisbollah für den Zusammenbruch einer libanesischen Regierung, die von ihren Rivalen geführt wurde. Als die nächste libanesische Regierung gebildet wurde, hatte die Hisbollah die Oberhand. Mit diesen beiden Schritten wurde Teherans Traum von einem zusammenhängenden Einflussbereich entlang seiner Westflanke Wirklichkeit.

Teheran war hocherfreut, als das US-Militär das Saddam-Regime stürzte

Es wurde jedoch bald klar, dass die Aufstände, die die arabische Welt erschütterten, von niemandem mehr kontrolliert werden konnten. Im Februar 2011 griffen sie auf Bahrain über, ein Land mit schiitischer Bevölkerungsmehrheit vor der Ostküste Saudi-Arabiens. Bevor die Iraner einen Plan ausarbeiten konnten, um die Situation auszunutzen, brachen am 15. März in Syrien große Proteste gegen das Assad-Regime aus und drohten, die physische Verbindung des iranischen Regimes mit der Hisbollah zu kappen. Die Beziehungen Irans zur Hisbollah bestehen seit den 1980er Jahren, als das Korps der Islamischen Revolutionsgarden und der syrische Geheimdienst der Gruppe bei der Gründung halfen, und seit der Krise von 2005, als libanesische Demonstranten, empört über die Ermordung ihres antisyrischen Premierministers, das syrische Militär aus ihrem Land vertrieben.

Jahrzehntelang hatte die Assad-Familie über eine Bevölkerung geherrscht, die zu etwa 60 Prozent aus Sunniten bestand, obwohl sie selbst aus der Minderheit der Alawiten stammte. Der Iran befürchtete, dass der Sturz von Bashar al-Assad durch die offensichtliche revolutionäre Strömung in der Region die Sunniten, die im West-Irak und im Osten Syriens die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen, zum Aufstand ermutigen könnte. Der Verlust Syriens würde es dem Iran erschweren, der Hisbollah im Libanon Hilfe zukommen zu lassen.

Aber nicht nur das: Es könnte sogar die beginnende schiitisch dominierte Regierung im Irak destabilisieren. Die nationale Sicherheitsstrategie Teherans war lange Zeit darauf ausgerichtet, den baathistischen Irak zu neutralisieren, der das größte Hindernis für die Ausdehnung der iranischen Macht von Persien über Mesopotamien bis in die Levante darstellt. Nachdem der Iran während des größten Teils der 1980er Jahre seinen eigenen katastrophalen Krieg mit dem Irak von Saddam Hussein geführt hatte, war Teheran hocherfreut, als das US-Militär in Bagdad einmarschierte und das Saddam-Regime stürzte. Die Iraner wollten sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.

Der Iran mobilisierte folglich Zehntausende schiitischer ausländischer Kämpfer und Material im Wert von Hunderten von Millionen Dollar, um das Assad-Regime zu retten. Syrien wurde verwüstet und Assad stark geschwächt, aber der Iran war erfolgreicher als in seinen kühnsten Träumen. Aufgrund seiner extremen Abhängigkeit von iranischer Unterstützung wurde Syrien zu einem Vasallenstaat degradiert. Anstatt seine Brücke zum östlichen Mittelmeer zu verlieren, etablierte der Iran eine bedeutende militärische Präsenz im Land, von der aus er die Hisbollah mit modernen Waffen versorgen, die Hamas und den palästinensischen Islamischen Dschihad im Gazastreifen unterstützen und möglicherweise sogar über Jordanien ins Westjordanland eindringen kann.

Der Iran nutzte den Arabischen Frühling zu seinem Vorteil 

Der größte Nachteil des iranischen Durchbruchs bestand darin, dass Teheran dadurch stärker in Kontakt mit Israel kam. Die Israelis hatten genau beobachtet, wie der Iran den Arabischen Frühling zu seinem Vorteil nutzte. Wo der Iran einen strategischen Erfolg sah, sah Israel eine untragbare Sicherheitsbedrohung. Um die Iraner aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihre Schnellstraße durch den nördlichen Teil des Nahen Ostens zu unterbrechen, führte Israel 2017 den ersten von Hunderten von Luftangriffen in Syrien und im Libanon durch, die später noch folgen sollten.

Eine direkte Konfrontation zwischen Israel und dem Iran war nur eine Frage der Zeit, und die Zeit war gekommen, als die Hamas am 7. Oktober 2023 den Süden Israels überfiel und kurz darauf die Hisbollah beschloss, ihren palästinensischen Verbündeten mit einer Reihe von Raketen- und Artillerieangriffen auf Nord-Israel zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt beschloss Israel, dass seine Strategie der regelmäßigen Luftangriffe zur Unterbrechung iranischer Waffen- und Hilfslieferungen an Israels Feinde nicht mehr angemessen war. Seit diesem Frühjahr sind die Israelis dazu übergegangen, das Korps der Islamischen Revolutionsgarden und die Hisbollah massiv ins Visier zu nehmen und ihnen erhebliche Verluste zuzufügen.

Folglich stehen die Zukunft Syriens und seine Rolle in der regionalen Sicherheitsarchitektur Irans erneut in Frage. Das Assad-Regime ist nach wie vor fragil, und Iran und Hisbollah sind nicht in der Lage, das gleiche Maß an Unterstützung zu leisten wie zuvor. Assad hat nur wenige Optionen und möchte vermeiden, dass der israelisch-iranische Konflikt seine prekäre Position weiter schwächt. Das Schicksal des syrischen Machthabers wird nicht nur über den Ausgang des israelisch-iranischen Krieg entscheiden, sondern auch über die strategische Stellung des Iran in der Region.

In Kooperation mit

GPF
 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Tomas Poth | Di., 22. Oktober 2024 - 11:43

Der nahe Osten, die muslimische Welt, schüttelt sich seit dem "arabischen Frühling" neu zurecht. Und das wird noch länger einhergehen. Ich wage da keine Prognose.

Keppelen Juliana | Di., 22. Oktober 2024 - 14:20

Antwort auf von Tomas Poth

wude falsch berechnet die Steine sind in die falsche Richtung gefallen. Dann wurde versucht den Fall der Steine doch noch zu beeinflussen und hat damit noch alles verschlimmert. Die dümmsten bei der ganzen Chose sind dabei die Europäer.

Da sich manche Sachen wiederholen, hat man wahrscheinlich
gleich noch einen ähnlichen Fehler in Libyen gemacht. Zu den
beiden Staatschefs konnte man stehen, wie man wollte, aber
seitdem sie weg sind, herrscht mehr Unordnung als vorher.

Direkt betroffen am stärksten wieder, wie Sie oben schreiben,
die Europäer. Scheinbar läuft es tatsächlich so, wir (und EU)
tingeln in der Welt herum und fragen: "Hätten Sie nicht gerne
noch ein Problem für uns".

Der türkische Sultan mischt ja auch mit in Syrien und will nun
wohl MItglied bei den BRICS werden. Ihr letzter Satz trifft es.

MfG

Keppelen Juliana | Mi., 23. Oktober 2024 - 11:51

Antwort auf von Volker Naumann

Libyen ist nicht wahrscheinlich der gleiche Fehler sondern exakt der gleiche Fehler und was heute los wäre wenn Assad gestürzt worden wäre ist nicht auszudenken ein Kalifat der reinsten Sorte wäre entstanden. Aber offensichtlich wird der Plan 7 Länder in fünf Jahren (wobei die 5 Jahre nicht zu halten sind weil Putin sich in Syrien eingemischt hat) vollkommen hirnlos durchgezogen. Dazu empfehle ich vom ZDF aus der Sendung "die Anstalt" "der große Plan" in dem auch unser Flüchtlingsdilemma aufbereitet wird.

Reinhold Schramm | Di., 22. Oktober 2024 - 12:39

Absehbar, da Sie keine Aufnahme in den reichen parasitären Golfmonarchien bei Ihren sunnitischen Glaubensbrüdern finden werden, so auch nicht im sozial gebeutelten schiitischen Iran, werden Millionen Gläubige des Islam sich auf den Weg nach Westeuropa machen. Hunderttausende Palästinenser und Libanesen bevorzugen nach Deutschland das bewusst politisch-parlamentarisch verwässerte Asyl- und (lebenslange) Sozialsystem.

Ein Widerstand gegen diese Migrations- und Asylpolitik seitens der deutschen Erwerbsbevölkerung – die alles erarbeiten und finanzieren muss – ist ebenso wenig wie bisher nicht zu erwarten. Letztlich wird alles über die weitere Aushöhlung der Infrastruktur und des absehbaren Zusammenbruchs des Erziehungs- und Bildungssystems in Deutschland mitfinanziert.

Zudem wird durch die Kriegspolitik und Rüstungspolitik der Rest an materieller Substanz in Deutschland für die Lobbyisten der Eigentümer und Großaktionäre der Waffenindustrien verschleudert. {...}

Nachtrag, Teil II.

Reinhold Schramm | Di., 22. Oktober 2024 - 12:41

Hass und Hetze oder (politisch und medial ungeschminkte) Aufklärung?
{...}
Zudem wird durch die Kriegspolitik und Rüstungspolitik der Rest an materieller Substanz in Deutschland für die Lobbyisten der Eigentümer und Großaktionäre der Waffenindustrien verschleudert. Nicht zuletzt die Multimilliarden für die soziale Aufnahme und Versorgung von Millionen Ukrainern. So auch in Fortsetzung nach Kriegsende, zumal die Mehrzahl in Deutschland verbleiben wird – und infolge der erweiterten Familienzusammenführung.

Detlef Beck | Di., 22. Oktober 2024 - 13:59

"Um die Iraner aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihre Schnellstraße durch den nördlichen Teil des Nahen Ostens zu unterbrechen, führte Israel 2017 den ersten von Hunderten von Luftangriffen in Syrien und im Libanon durch, die später noch folgen sollten."

Steht denn auch anderen Staaten, die ihre vitalen Sicherheitsinteressen durch militärstrategische Entwicklungen an ihren Grenzen bedroht sehen, das Recht auf ´Präventivschläge` zu? Meiner Kenntnis nach (Aussagen von Hrn. v. Dohnany und Hrn. John Kerry) betrachteten z.B. die US-Amerikaner den Angriff auf den Irak auch als "Präventivmaßnahme", um eine Wiederholung des 11.9. , diesmal aus dem Irak heraus organisiert, zu verhindern.

Gerhard Lenz | Di., 22. Oktober 2024 - 18:29

Rechts aussen wird Assad gerne als Friedensfreund gepriesen. Schliesslich habe er doch angeblich den radikalen Islamismus (IS & Co.) bekämpft, was uns Deutschen noch weit größere Flüchtlingsmassen erspart habe. Gerade so, als ob der Aufstand der Bevölkerung, der natürlich sämtlichen Radikalen in die Hände spielte, völlig grundlos gewesen sei, wo doch Assad einer der wenigen Garanten für Stabilität im Osten wäre. Dem nicht zuletzt ein paar AfD-Botschafter höchstpersönlich und vor Ort ihre Sympathie erwiesen, übrigens in Anwesenheit des islamischen Haus- und Hofgeistlichen.
Die Wahrheit ist vielmehr, dass Assad ein machthungriger Bluthund ist, der die syrische Bevölkerung unterdrückt, schon mal mit Chemiewaffen bombardiert, und sich nur dank Hisbollah, dem Iran und dem Kriegsverbrecher Putin an der Macht hält. Jeder Schlag gegen den Iran und dessen terroristische Verbündete trifft Assad.
Seltsam, dass Assads Verbindungen zum islamischen Terror der AfD noch nicht "aufgefallen" sind...

Bei einer Sitzung der Außenminister in Kairo am 7. Mai 2023 verständigten sich 13 der 21 Mitglieder darauf, Assads Syrien wieder in die Arabische Liga aufzunehmen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, gehörten zu den 13 auch Saudi Arabien.

Bei "Bastarden", und als solche betrachten Sie "Putins Schoßhündchen" gewiß, darf man Unterscheidungen vornehmen, z.B. "er ist ein Bastard, aber er ist unser Bastard."

Albert Schultheis | Mi., 23. Oktober 2024 - 00:38

Wäre der Westen einschl. Israel klug, würde er versuchen, das Syrien Assads einzuhegen, vor Destabilisierung von außen zu schützen, um Assad an der Macht zu halten. Denn das Syrien Assads ist in der Region das am meisten säkular und westlich geprägte Land - sogar säkularer, also religionsfreier regiert als Israel, und selbst Assad ist vergleichsweise sehr westlich geprägt, gebildet und aufklärerischer Denkungsart zugetan. Aber es waren US- und israelische Interessen, die aus Assad ein Monster zu machen versuchten - so wie der Westen das auch mit Putin machte ("... ihm die Beine wegschlagen!"). Und sie schreckten nicht einmal davor zurück, selbst IS-Terroristen Assad auf den Hals zu hetzen! Als Folge ihrer Niederlage hocken heute ausgerechnet die IS-Terroristen und sunnitischen Aufrührer als "Flüchtlinge" bei uns und überziehen Deutschland mit ihrem Terror. Es wird Zeit, dass man in den USA lernt zu erkennen, wo die wahren Interessen des Westens liegen! Dem Trump allein traue ich das zu