Ein Wappen hängt an der Tür zum Eingang zum Raritäten-Weinkeller eines Hotels / picture alliance

Wenig hilfreiche Weinbewertungen - Was ist ein „großer“ Wein?

Unser Genusskolumnist kennt sich ein wenig in der Weinszene aus. Von den gängigen Rankings hält er nicht viel. Denn das Genussempfinden ist auch bei Wein individuell und vor allem kontextabhängig. So können auch „kleine“ Weine ganz groß sein.

Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Die Welt des Konsums ist von der Suche nach Superlativen geprägt. Alles wird getestet und bewertet, es werden Sieger und Verlierer benannt. In bestimmten Bereichen kann das durchaus Sinn machen. So lassen sich zum Beispiel die Reißfestigkeit von Müllbeuteln oder die Reinigungskraft von Geschirrspültabs relativ objektiv ermitteln. Auch bei Staubsaugern oder Rasenmähern sollte das funktionieren. Institutionen wie die 1964 gegründete „Stiftung Warentest“ mit ihrem seit 1966 monatlich erscheinendem Testmagazin und mittlerweile auch einem umfangreichen Online-Angebot genießen in Teilen der Bevölkerung großes Vertrauen und beeinflussen auch Kaufentscheidungen.

Die Marktmacht der Weinkritiker

Nicht so einfach ist das allerdings, wenn es um Nahrungs- und Genussmittel geht. Zwar gibt es auch da einige objektivierbare Kriterien, etwa Inhaltsstoffe betreffend. Aber fragwürdig wird es, wenn die Sensorik ins Spiel kommt. Denn da geht es vor allem um höchst individuelle Geschmacksvorlieben. Und besonders fragwürdig wird das bei der Bewertung von Wein, wo sich eine globale Armee von mehr oder weniger professionellen Testern bemüht, im Auftrag von Medien, Weinbauverbänden oder auch großen Handelsketten mittels Verkostungen „große Weine“ zu identifizieren. 

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Achim Koester | Sa., 10. August 2024 - 09:54

Gerade das Beispiel der Stiftung Warentest, die mit ihrem Vernichtungsfeldzug gegen Ritter Sport sehr fragwürdiges Terrain betreten hat, zeigt, wie anfällig diese angeblich objektiven Institutionen sind. Ich habe mir angewöhnt, bei Wein und Lebensmitteln ausschließlich meinem eigenen Geschmack zu vertrauen, damit bin ich ich immer gut gefahren.

Gotthard Steimer | Sa., 10. August 2024 - 10:09

..durch sogenannte Kenner lesen sich fast immer wie bemüht literarische Fantasieelaborate, zudem mit oft
erstaunlich simplen
Adjektiven wie
'schön' oder 'groß' bisweilen sogar 'lecker'... zudem ist das Geschmatze der meisten, offensichtlich alkoholabhängigen 'Verkoster' ernsthaften Genussmenschen ein Gräuel.

Rainer Mrochen | Sa., 10. August 2024 - 10:14

sollte man grundsätzlich in allen Lebenslagen, jedenfalls als "Normalo." Ich denke das ist der tiefere Sinn ihres Artikels, Herr Balcerowiak.
Ihr kleines, einführendes Weinseminar ist wirklich sehr erdverbunden.
Kürzlich schrieb H.M. Vogg über gesellschaftlichen Zusammenhalt hier im Cicero. Worauf will ich hinaus? Der Mensch kann allein geniessen, innerhalb familiärer Strukturen oder noch größerer Verbände. Gruppenidentität kann zu höchsten Lebensgenüssen und echtem Zusammenhalt führen. In den meisten Fällen ist das wohl auch so. Wenn der Wein sein Scherflein dazu beiträgt und das ist sicherlich der Fall, dann ist dessen Provenienz ziemlich egal. Gut, ich gebe zu niveaulos und zu viel spielen sicherlich auch eine Rolle, ist aber hier kein Thema. Bei einer neulichen Verkostung, in privater Runde, eines Single Highland Malt Whiskys in Fassstärke 61% war die Überraschung wieder einmal gross. Durch die tropfenweise Zugabe von Wasser erschloss sich eine unglaubliche Aromenvielvalt für 60€.

Karl-Heinz Weiß | Sa., 10. August 2024 - 11:13

Der Autor deutet sehr dezent an, welchen "Wert" Weinbewertungen haben. Plötzlich sind Moderatoren wie Günther Jauch Rebblatt-Olympioniken oder die Flaschenpreise verzehnfachen sich nach dem Kauf eines Weinguts durch einen Luxuskonzern.
Ein Trost bleibt: als Statussymbol sind Weinflaschen umweltschonender als SUV und beim Erzeuger verkostete Weine schmecken unvergleichlich besser als auf der heimischen Terrasse oder mit blasierten Sternelokal-Gästen.