- Kennt keiner, schmeckt aber
Gebratene Stinte hat unser Genusskolumnist einst als Student in Hamburg kennen gelernt. Doch außerhalb der Küstenregionen ist dieser tolle Speisefisch kaum bekannt. Das sollte sich ändern, und jetzt ist gerade Stint-Saison.
Im eigentlich für seine sehr gut sortierte Fischabteilung bekannten „Frischeparadies“ in Berlin musste der Verkäufer leider passen: „Das lässt sich hier nicht verkaufen, weil es keiner kennt.“ Womit er wohl Recht hatte, denn selbst ausgewiesene Fischfreunde zucken meistens fragend mit den Schultern, wenn man sie auf Stint anspricht. Aber wenn man sich ein bisschen umhört, wird man auch in Berlin fündig, etwa im altehrwürdigen Charlottenburger Gourmet-Tempel Rogacki oder in den großen russisch-osteuropäischen Supermärkten, sofern sie über eine Fischabteilung verfügen.
In Hamburg oder Bremen könnte das nicht passieren. Denn dort und in anderen Orten an der Nord- und Ostseeküste gehört der Stint zu den wichtigen saisonalen Genüssen. Der kleine Fisch aus der Familie der Lachsartigen lebt in europäischen Küstengewässern von der Ostsee bis zur Biskaya. Von Ende Januar an wandern Stinte in großen Schwärmen zum Laichen in die Unterläufe der Flüsse – wo sie von Fischern und Genießern bereits sehnsüchtig erwartet werden. Ende März bis Mitte April endet die Saison. Eine Unterart findet man auch in sehr großen Binnengewässern, mit vergleichbaren Wanderungsbewegungen in untere Flussläufe. Teilweise werden Stinte auch als Futterfische und für die Fischölproduktion gezüchtet. Diese Binnenstinte haben natürlich nicht die kulinarische Qualität ihrer wilden Artgenossen.
Bestände nehmen leider ab
Leider haben die teilweise schlechte Wasserqualität und die umfassende Denaturierung vieler Flussläufe, wie etwa durch Staustufen und die Beseitigung von Flachwasserstellen, in einigen klassischen Stint-Regionen zu einer deutlichen Abnahme der Bestände geführt. Die Zeiten, in den Stinte waschkörbeweise aus der Tideelbe gefischt werden konnten, sind jedenfalls vorbei. Doch noch steht der Stint nicht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Für die norddeutsche Tiefebene gilt allerdings die Vorwarnstufe 3. Außerdem gibt es starke Schwankungen. In manchen Jahren sind die Stintvorkommen sehr groß, in anderen dagegen äußerst mager, was vor allem mit den Wassertemperaturen in der jeweiligen Saison zu tun hat.
Ausnehmen kann, muss aber nicht sein
Auch ich habe Stinte nicht in Berlin, sondern in meiner Hamburger Zeit kennengelernt, wo gebratene Stinte in der Saison nicht nur in Restaurants, sondern auch an Imbissbuden angeboten wurden. Ihre klassische Zubereitung ist zwar ausgesprochen einfach, erfordert aber bei der Vorbereitung ein gewisses Fingerspitzengefühl. Denn die kleinen (+/- 15 cm), schmalen und zarten Fische müssen sehr vorsichtig geputzt werden. Kopf, Schwanzende und Rückenflosse werden abgeschnitten, die Innereien können dann auf der Bauchseite herausgedrückt werden. Vom bei größeren Fischen üblichen Aufschneiden der Bauchseite ist abzuraten, es droht ein desaströses Fischgemetzel. Danach gründlich abspülen. Man kann auf das Ausnehmen auch verzichten und sogar den Kopf dranlassen, wie es in Südeuropa etwa bei Sardellen und kleinen Sardinen üblich ist. In Deutschland ist das aber nicht sehr beliebt. Und vielleicht findet man ja sogar einen Fischhändler, der Stinte bereits geputzt verkauft. Ein gutes Indiz für die Qualität roher Stinte ist der charakteristische Geruch nach frisch aufgeschnittener Salatgurke.
Auf keinen Fall frittieren
Der Rest ist ein Kinderspiel. Die mit Küchenkrepp abgetupften Stinte werden mit Salz und Pfeffer gewürzt und dann in Roggenmehl gewälzt. Überschüssiges Mehl abklopfen und die Stinte in reichlich Pflanzenöl und/oder Butterschmalz goldbraun braten. In ein Sieb geben, Fett abtropfen lassen und sofort servieren. Der Kontrast zwischen der krossen Haut und dem zarten, aromatischen Fischfleisch ist ein echtes Erlebnis. Dazu gibt’s Kartoffel- und/oder Gurkensalat. Auch Bratkartoffeln (evtl. mit Speck) sind möglich, ebenso ein bisschen Zitrone zum Beträufeln. Alle anderen Zubereitungs- und Verzehrformen werden von der Geschmackspolizei mit äußerster Skepsis argwöhnisch beäugt. Vor allem Frittieren ist streng VERBOTEN!
Wie anfangs erwähnt: Bald ist die Stint-Saison vorbei. Doch die kulinarische Saison-Uhr tickt ja weiter. Bald beginnt die Spargelzeit, Fischfreunde können sich auf Maischollen freuen. Und so geht es weiter, immer weiter. Bis zum nächsten Januar, denn dann beginnt die nächste Stint-Saison.
Gebratene Stinte
Zutaten für 4 Personen
1,2 kg Stinte
Salz
Pfeffer
Roggenmehl
Pflanzenöl und/oder Butterschmalz
als Beilage(n)
Kartoffelsalat
und/oder
Gurkensalat
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Für die Elbe bitte beachten, hier ist die Ursache die Elbvertiefung und der dadurch bedingte laufende Einsatz der großen Baggerschiffe, die den Lebensraum der Stinte zerstören.