Stephan Harbarth
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mit seinem Vorsitzenden Stephan Harbarth / dpa

Befangenheitsantrag gegen Harbarth - Wie Schlüssel und Schloss

Nach einem umstrittenen Abendessen von Exekutive und Judikative im Kanzleramt stellte ein Jurist im „Bundesnotbremse“-Verfahren einen Befangenheitsantrag gegen Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth. Eine Entscheidung steht noch aus. Der Verdacht aber liegt nahe, dass es zwischen Karlsruhe und dem Kanzleramt eine gemeinsame Metaebene in Sachen Corona gibt.

Gerhard Strate

Autoreninfo

Gerhard Strate ist seit bald 40 Jahren als Rechtsanwalt tätig und gilt als einer der bekanntesten deutschen Strafverteidiger. Er vertrat unter anderem Monika Böttcher, resp. Monika Weimar und Gustel Mollath vor Gericht. Er publiziert in juristischen Fachmedien und ist seit 2007 Mitglied des Verfassungsrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer. Für sein wissenschaftliches und didaktisches Engagement wurde er 2003 von der Juristischen Fakultät der Universität Rostock mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Foto: picture alliance

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Es ist ein Zirkelargument: „Zudem käme in einem Verzicht auf derartige Gespräche ein Misstrauen gegenüber den Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck, das dem grundgesetzlich und einfachrechtlich vorausgesetzten Bild des Verfassungsrichters widerspricht.“ Mit dieser Argumentation erklärten die Richter des Zweiten Senats am 20. Juli ein gegen sie gerichtetes Ablehnungsgesuch (Befangenheitsantrag) der AfD für „offensichtlich unzulässig “.

Hintergrund war damals das Verfahren gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, die nach Auffassung der AfD das Recht der Parteien auf Chancengleichheit verletzt habe, als sie im Rahmen einer Pressekonferenz in Südafrika dazu aufgerufen hatte, das Ergebnis der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen rückgängig zu machen. Argumentiert hatte die AfD damals mit der Tatsache eines gemeinsamen Abendessens der Verfassungsrichter mit der Kanzlerin und weiteren Mitgliedern der Bundesregierung, welches zeitnah zum anstehenden Organstreitverfahren am 30. Juni im Bundeskanzleramt stattgefunden hatte.

Intellektuelle Zumutung

Die konstatierte Unantastbarkeit eines Verfassungsrichters alleine kraft seines Amtes ist eine intellektuelle Zumutung, jedoch als strapazierfähiges Scheinargument bestens dazu geeignet, in Zukunft auch jedes andere Ablehnungsgesuch abzuschmettern. Dennoch beinhaltet der entsprechende Beschluss durchaus Sprengstoff für das aktuell anhängige Ablehnungsgesuch gegen Verfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth. Denn damals, im Fall der AfD, hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wie folgt argumentiert: „Hier fehlt es vor dem Hintergrund der oben dargestellten Funktion dieser Gespräche und der Verpflichtung der Verfassungsorgane zu wechselseitigem Respekt auch aus der Perspektive der Antragstellerin bereits an jedem sachlichen Bezug des Treffens des Bundesverfassungsgerichts mit der Bundesregierung zu den Gegenständen der Organstreitverfahren.“

Genau dies ist im nun anhängigen Verfahren gegen die Bundesnotbremse anders, weshalb es in diesem Fall weitaus schwerer sein dürfte, eine mögliche Befangenheit von sich zu weisen. Dies erfühlt wohl auch das Verfassungsgericht in Gestalt von Richter Henning Radtke, der bereits eine dienstliche Stellungnahme von Präsident Harbarth eingefordert hat, welcher die eigene Befangenheit verneint. Ob dies ganz so einfach ist, bleibt fraglich. Denn die Coronapolitik der Bundesregierung stand, anders als die Thüringen-Wahl, tatsächlich im Mittelpunkt der Tischgespräche im Bundeskanzleramt. Das vom Präsidenten des BVerfG mit weiteren Fragestellungen unterlegte Thema „Entscheidung unter Unsicherheiten“ hatte gerade – um mit den Worten der BVerfG-Entscheidung vom 20. Juli zu sprechen – „jeden sachlichen Bezug“ zu den zum Zeitpunkt des Tischgesprächs noch anhängigen Beschwerden gegen die „Bundesnotbremse“.

Und: Schon am 2. April hatte Harbarth im Interview das Corona-Management der Bundesregierung verteidigt: „Wenn man aber unter Zeitdruck und unter Unsicherheit entscheiden muss, besteht immer die Gefahr von Fehlern“, zitierte ihn zdf.de. Eine These, wie sie später dem Redemanuskript von Justizministerin Lambrecht entnommen sein könnte, die im Rahmen ihres „Impulsvortrags“ beim gemeinsamen Abendessen vom 30. Juni konstatierte: „Politisches Handeln ist auch bei tatsächlicher Unsicherheit notwendig.“ Dass hier sorgfältig choreografierte Argumentationslinien wie Schlüssel und Schloss ineinandergreifen, ist unübersehbar.

Die Metaebene in Sachen Corona scheint zwischen Regierung und Bundesverfassungsgericht geklärt zu sein. Sie ist der Grundbass, der jede einschlägige Verfassungsgerichtsentscheidung begleitet, ohne dass künftig große Disharmonien zu erwarten wären. In diesem Licht liest sich eine einleitende Anmerkung aus Lambrechts Manuskript fast rührend. Sie lautet: „Dass wir dabei nicht über die konkret beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Fälle sprechen können, ist selbstverständlich.“ Es ist offenbar auch nicht mehr notwendig.

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Rob Schuberth | Do., 14. Oktober 2021 - 18:10

...und ich hoffe das wird ihm nun auf seine Füße fallen.
Der Mann ist eine krasse Fehlbesetzung. Das sagt, nat. hinter der Hand, auch ein Großteil seiner Richterkollegen.

Brüssel sollte uns allein schon wg der aberwitzigen Ablehnungs-Begründung der AfD-Klage verklagen.

Denn wo kommen wir denn hin, wenn ein Gericht einfach sich selbst, Kraft Amtes, als unfehlbar bescheidet.
Oha, Brüssel kann das ja gar nicht, denn Brüssel selbst macht es ja ebenso.
Aha, daher weht also der Wind.

Es wird Zeit unseren Richtern am BVerfG wieder Respekt u. Achtung vor uns, den Bürgern beizubringen.

Die Damen u. Herren dort sind in einer Art Selbstherrlichkeit abgehoben, dass es einen graust.

Wenn ein "Großteil" der Richter des BVerfG Harbarth hinter vorgehaltener Hand als "krasse Fehlbesetzung" bezeichnet, wie haben Sie davon erfahren? Lassen Sie uns an Ihrem Insiderwissen teilhaben?
In der Geschichte der Bundesrepublik gibt es inzwischen wahrscheinlich zahllose Bürger, die, wie ich, irgendwann einmal erfolglos den Rechtsweg beschritten haben und dabei den Eindruck hatten, ihr Anliegen sei nicht angemessen gewürdigt worden. Das ist grundsätzlich kein Problem.
Für durchaus sehr problematisch halte ich hingegen die Versuche, das BVerfG als irgendwie "gleichgeschaltet" zu betrachten, nur weil man ein bestimmtes Urteil ablehnt. Das ist eine völlig neue Qualität im Umgang mit der Judikative, die ich so nur von Menschen kenne, die dieses System grundsätzlich ablehnen.
Letzteres möchte ich Herrn Strate nicht unterstellen! Aber wenn man richterliche Entscheidungen nur noch dann akzeptiert, wenn sie einem in den Kram passen, dann begibt man sich auf sehr dünnes Eis.

Uffbasse!

Max Müller | Fr., 15. Oktober 2021 - 09:19

Antwort auf von Kai Hügle

..Bundesverfassungsgericht, das als Kontrollorgan dient, sich mit der Kanzlerin abspricht, und zwar in inzwischen mehreren Fällen (Verfahren gegen Merkel wegen Kemmrich, Bundesnotbremse), dann ist das nicht einfach nur das Versagen von zwei Personen, sondern ein systemischer Fehler von gigantischem Ausmaß. Das passiert nicht einfach so, sondern deutet darauf hin, dass unser demokratisches System nicht mehr funktioniert. Vielleicht verstehen sie das nicht. Die Gewaltenteilung und ihre Unabhängigkeit ist DAS Grundelement unserer Demokratie. Ist ihnen eigentlich bewusst, um was für weitreichende Entscheidungen es hier ging? Man muss sich schon über die Naivität mancher Menschen wundern.

Rob Schuberth | Fr., 15. Oktober 2021 - 19:22

Antwort auf von Max Müller

Das erspart mir m. Replik auf den Herrn Hügle (er u. Herr Lenz sind ja bekannt).

Aber nicht für ihre Naivität, wie Sie es vermutet haben, sondern m. E. für die Ignoranz einiger Realitäten.

Ich habe mir anlässlich des Artikels mal von jedem der Richter/innen dort deren Vita angesehen (geht über deren HP).

Einige echt beeindruckend, andere (gerade die bei denen die Öffentlichkeit ihren Unmut kundtat), sind doch für dieses hohe u. (all-)mächtige Amt, sehr beschaulich.

Ihnen empfehle ich das Buch "Metamorphose" v. Ullrich Beck. Trockener Stoff, den ich Ihnen aber zutraue. Danach versteht man besser was die "Mächtigen" mit der >>Transformation<< im Sinn haben.

Nochmals danke u. einen schönen Abend.

Gunther Freiherr von Künsberg | Do., 14. Oktober 2021 - 18:43

Man kann es auch übertreiben. Befangenheit eines Richters setzt voraus, dass dieser die erforderliche Distanz zum Streitgegenstand vermissen lässt, dass er nicht unabhängig gegenüber den Prozessparteien ist und deshalb mit einer nicht objektiven, sondern subjektiven Benachteiligung einer Prozesspartei gerechnet werden muss. Das Ablehnungsgesuch setzt voraus, dass objektive Umstände gegeben sind, die eine solche Verhaltensweise befürchten lassen. Hier sind objektive wie auch subjektive Momente für die Beurteilung maßgebend. Ob ein Abendessen von 2 Verfassungsorganen geeignet ist objektiv zur Besorgnis der Befangenheit beizutragen wage ich zu bezweifeln. Bei dem subjektiven Eindruck musste sich um den Beurteilungsmaßstab eines durchschnittlichen, d. h. nicht superempfindlichen oder absolut unempfindlichen Bürgers, handeln. Es lässt sich nicht vermeiden, und es ist auch nicht zu beanstanden, dass auch Richter zu Sachverhalten eine eigene Meinung haben

Ronald Lehmann | Fr., 15. Oktober 2021 - 11:39

Antwort auf von Gunther Freihe…

Es lebe die Macht - hoch - hoch - hoch

ein Prosit auf unsere UNFEHLBAREN ......,
die Tag ein & Tag aus
im Schweiße ihres Angesichts
mit harter, charaktervoller Art & Weise
für

DEMOKRATIE, WAHRHEIT & GERECHTIGKEIT

ihre ganze Kraft in die (eine) Waag-Schale legen,

damit alles zum Wohle des Volkes & (ihrer) Untertanen ;-)) gerichtet wird.

Nieder mit Richterablehnung - Hurra - Hurra - Hurra

Maria Arenz | Do., 14. Oktober 2021 - 19:30

i.S. Corona springt einem die "gemeinsame Meta-Ebene" von Politik und der unter Harbarth definitiv zum "Bundesverfassungs- GerichtsHOF" degenerierten Institution in's Auge. Auch das Klimaurteil und das Rundfunkgebühren- Urteil, mit dem einem frei gewählten Landesparlament schlicht die ihm verfassungsrechtlich garantierte Kompetenzen einfach so mal abgesprochen werden, haben Leute, die sich im Verfassungsrecht und der bisherigen Rechtsprechung noch wesentlich besser auskennen als ich, so nicht für möglich gehalten. Man darf gespannt sein auf die Entscheidung dieses zur Karikatur richterlicher Unabhängigkeit verkommenen Gerichts zu Merkels Husarenstück, aus dem fernen Südafrika öffentlich die Rückgängigmachung einer formal absolut korrekt abgelaufenen Wahl des MP durch den Landtag in Thüringen zu verlangen. Da wird sogar ein Harbarth in's Schwitzen kommen.

Gerhard Lenz | Do., 14. Oktober 2021 - 21:43

Der einem Soziologen verbieten wollte, über die NPD zu forschen. Der Richter heisst Maier, und gilt mittlerweile als Rechtsextremist. Er war bereits als Richter AfD-Mitglied, traf sich mit anderen Mitgliedern der rechtsextrem Partei.
Hätte auch wohl nicht sein dürfen?
Soso, jetzt hat ausgerechnet der Herr Strate Kumpelei zwischen dem BVerfG-Richter Harbath und der Regierung Merkel in Sachen Pandemiebekämpfung gewittert. Gemeinsame Abendessen von Juristen und Politikern sind ab sofort verboten.

Der Herr Strate, der in Hamburg für das desaströse schwedische Corona-Modell warb.
Der den Weimarer Familienrichter vertritt, der, obwohl gar nicht zuständig, Kindern an einer Weimarer Schule das Maskentragen verbieten wollte.
Der Ausgangsbeschränkungen als wirkungslos ablehnt.
Wichtiger ist für mich: Ist der Cicero jetzt endgültig im Lager der Corona-Gegner angekommen, oder warum ausgerechnet Herr Strate? Oder nur ein weiteres Beispiel eines Rechtsrucks nach Weggang von Herrn Schwennicke?

Die Veröffentlichung unbequemer Meinungen als Rechtsruck einstufen-aus meiner Sicht wenig hilfreich. Den CICERO schätze ich gerade deshalb. Herr Strate ist Strafverteidiger. Spagats auszuhalten, das gehört zum Berufsbild!

Gerhard Lenz | Fr., 15. Oktober 2021 - 15:36

Antwort auf von Karl-Heinz Weiß

ist Strafverteidiger, hat aber was die Beurteilung der Corona-Maßnahmen angeht, einen klaren POLITISCHEN Standpunkt bezogen.

Den er auch in der Öffentlichkeit vertritt. Kritik daran ist also legitim, nach meiner Meinung gar mehr als notwendig.

Meinungsvielfalt ist prima. Wenn aber fast nur noch eine Seite zu Wort kommt, und noch dazu fast ausschließlich mit Themen, die diese eine Seite bedienen, ist von einer solchen nichts zu spüren.

Beiträge zu durchaus kritikwürdigen Ereignissen im rechten politischen Spektrum (Meuthen, radikalisierte Querdenker usw.)? Fast völlig Fehlanzeige.

Dagegen ständig Pandemie-Maßnahmen-Kritiker, Kritiker des Unions-Merkel-Kurses, Kritiker der Genderpolitik, Kritiker des Energiewandels, Befürworter der Kernkraft usw usw.

Und jetzt ausgerechnet Strate.

Deutlicher geht's kaum noch.

Stefan Forbrig | Fr., 15. Oktober 2021 - 21:09

Antwort auf von Gerhard Lenz

...wenn Ihnen der Cicero zu "rechts" ist, steht Ihnen die Kommentarrubrik vom Spiegel, SZ oder TAZ doch offen. Dort werden Sie nicht mit anderen Meinungen belästigt.

Michael Bender | Sa., 16. Oktober 2021 - 12:55

Antwort auf von Gerhard Lenz

Leider scheint diese in namhaften dt. Printmedien nicht sehr ausgeprägt. Bei der Süddeutschen, Spiegel, taz etc. scheint es bei denen von Ihnen genannten Themenfeldern einen Meinungskorridor zu geben, welcher ihrer Logik zufolge in die Schublade "Linksruck" gehört.
Wenn Meinungsvielfalt ernsthaft so prima ist, dann muss man doch im Nebensatz nicht wieder mit der Moralkeule '"Rechtsruck" und potentiellen Denkverboten kommen.

" Der Herr Strate, der in Hamburg für das desaströse schwedische Corana-Modell warb"
Was das schwedische Corona-Modell angeht war dieses ALLES ANDERE als desaströs!!

Sie wissen es - und behaupten trotzdem weiterhin das Gegenteil.
Das ist definitv eine Unwahrheit(!) und diese wird auch durch ihre gebetsmühlenartige Wiederholung nicht wahrer.
2 plus 2 ist und bleibt 4. Auch wenn Sie noch so oft behaupten dass das Ergebnis 5 lautet.

Herr Strate hat mit der Unterstützung dieses Modells jedenfalls seine Weitsicht und Kompetenz bewiesen.

Bernhard Marquardt | Do., 14. Oktober 2021 - 23:51

Richter Harbarth ist nur das jüngste Ergebnis offensichtlicher parteipolitischer Kungeleien in Sachen Richterauswahl.
Er ist zudem als Vertrauter der Kanzlerin direkt aus der Exekutive in deren Rechtsaufsicht, das BVerfG, gewechselt. Im Rahmen der Gewaltenteilung mehr als nur ein Fauxpas.
Aber den Begriff Gewaltenteilung kennen Parteien und Regierung wohl nur noch vom Hörensagen.
In beiden Senaten des BVerfG haben die von CDU/CSU und SPD „vorgeschlagenen“ Richter eine 7:1 Mehrheit. Da hätte es des gemeinsamen „Brainstormings“ bei der Kanzlerin unter Regie der Justizministerin eigentlich nicht bedurft, um zu einer einvernehmlichen Entscheidung im gewünschten Sinne zu kommen.

Marc Schulze | Fr., 15. Oktober 2021 - 05:26

Ich bin Cicero wirklich dankbar, dass diese verfassungsrechtliche Ungeheuerlichkeit Habarth von der Bestellung bis zu seinem Handeln als Präsident des BVerfG immer wieder thematisiert wird. Ich bin Jurist und geradezu schockgefroren von der Dreistigkeit und Unverfrorenheit mit der das BVerfG seine verfassungsmäßige Rolle mit Vorsatz seit ein paar Jahren verspielt. Während meines Studiums wurden in Staatsorga die Sicherheitslinien unserer Demokratie und Gewaltenteilung behandelt, und unser Prof war stolz zu verkünden, dass nur ein böswilliges BVerfG im Zusammenspiel mit der Exekutive unser GG nachhaltig schrotten könnte, aber damals, Anfang der 90er, erschien dieser Gedanke einfach nur verrückt. Absolut unvorstellbar. Aber damals schien mir auch unvorstellbar, wie D in die Naziherrschaft abgleiten konnte. Heute bin ich leider klüger.

helmut armbruster | Fr., 15. Oktober 2021 - 07:47

jeglicher Argumentation - einen Sinneneindruck.
Es kann natürlich nur ein subjektiver Eindruck sein und dennoch sollten wir ihn beachten.
Bei mir ist dieser Eindruck:
Rote Roben sind anachronistisch, aus der Zeit gefallen, sie sind Verkleidung, sollen uns also etwas vorspiegeln.
Wenn nun der leibhaftige Mensch, welcher in einer solchen Robe auftritt, das Gegenteil dessen ist, was er vorspiegeln möchte, wenn er nicht ausstrahlen kann, was die Robe von ihm fordert, dann wird es lächerlich
Dieser ganze rote theatralische Auftritt ist überflüssig, denn er kann die menschlichen Schwächen und Fehler nicht überdecken.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 15. Oktober 2021 - 09:34

Bei Herrn Harbarth entsteht für mich durchaus der Eindruck, dass er befangen sein könnte. Aber auch er hat nur eine Stimme im Senat und was ist mit den anderen sieben Richtern? Ist es tatsächlich rechtspraktisch möglich, das ein Präsident in einem Senat von acht Richtern alle anderen überstimmen kann? Nein, natürlich nicht. Selbst bei einem Patt im Senat der acht Richter führt das nur dazu, das ein Gesetz als nicht verfassungswidrig gilt. Haben die anderen Richter nicht schon aufgrund ihrer längeren Zugehörigkeit per se mehr historisches verfassungsgerichtliches Denken? Sind alles nur Duckmäuser? Es gab schon immer Urteile, wo es auch sog. abweichende Meinungen zur Urteilsentscheidung gab und dies auch veröffentlicht wurde. Die Berufung Harbarths ist auch für mich im höchsten Maß fragwürdig und auch die letzten Urteile werfen Fragen auf. Wäre es deshalb nicht sinnvoll über die Befangenheit den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe aller fünf Bundesgerichte entscheiden zu lassen?

Jürgen Schneider | Fr., 15. Oktober 2021 - 10:23

Bedenklich erscheint mir vor allen Dingen die Tatsache, dass unser höchstes Gericht nicht einmal mehr meint, es müsse durch sein Verhalten zumindest nach außen hin den Anschein erwecken, es sei neutral. Objektivität ist letztlich eine Anmaßung, jeder Mensch der lebt - auch ein Richter des höchsten Gerichts - hat eine eigene Meinung zu den zu verhandelnden Sachverhalten. Jeder denkende Mensch wird dies einräumen. Die Angehörigen eines Verfassungsorgans, wie des Bundesverfassungsgerichts, sind jedoch in besonderem Maße aufgerufen, ihre Unabhängigkeit von der Exekutive und der Legislative zumindest durch das eigene Verhalten nach außen hin zu dokumentieren. Tun sie dies nicht, fehlt es ihnen an Fingerspitzengefühl und auch am Respekt gegenüber der Institution, deren Repräsentanten sie sind. Eine bedenkliche Entwicklung in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat.

Werner Peters | Fr., 15. Oktober 2021 - 11:00

Wenn der Mann Charakter und etwas Instinkt hätte, würde er bis zu Klärung der Sache sein Amt ruhen lassen. Aber sieht sich ja als getreuer Gefolgsmann von Merkel und Co.

Bernhard Marquardt | Fr., 15. Oktober 2021 - 11:32

Weder die schrecklichen Erfahrungen mit einem staatlich gelenkten Justizapparat im „Dritten Reich“ noch dessen Fortsetzung unter anderen Vorzeichen in der DDR haben die Bundesrepublik veranlasst, Gerichte und Staatsanwaltschaften dem Einfluss der Exekutive wirksam zu entziehen.
In der neu gewonnen bzw. geschenkten Demokratie hätte niemand daran gedacht, dass das BVerfG seine Aufgabe der Exekutive ausliefert. Nichtsdestoweniger hat sich die Unsitte verfestigt, dass ausgerechnet parteigesteuerte Gremien aus Legislative und Exekutive die Richterkandidaten ausbaldowern.
Das ging einige Jahre leidlich gut, aber die Parteien haben sich verleiten lassen, ihre Macht bei der Auswahl aller höchsten Richterposten (nicht nur des BVerfG!) für sich zu nutzen.
Weil sie es konnten und niemand dagegen aufstand.
Selbstredend denken die Parteien nicht im Traum daran, diese Macht für eine heute deshalb nur noch fiktive Gewaltenteilung abzugeben.

Gisela Fimiani | Fr., 15. Oktober 2021 - 12:53

„All power corrupts, total power corrupts totally.“
Wer kontrolliert die Richter des BVerfG? Menschen sind immer fehlbar und können irren. Selbstverständlich gilt dies auch für die Richter des BVerfG. In unserer Demokratie hat n i e m a n d als unfehlbar und darum als unantastbar zu gelten. Wenn dies geschieht, ist der freiheitlich-rechtsstaatlichen Gesellschaftsordnung das Fundament entzogen. Keine juristischen Wortklaubereien können darüber hinweg täuschen, wenn das „Bild des Verfassungsrichters“ , das offenbar über jeden Zweifel erhaben ist, bemüht wird. Hier zeigt sich ein juristisches Gebaren, dem eine Geisteshaltung unterliegt, die in Wahrheit einen Machtanspruch erkennen läßt, der gefährlich, weil total, ist.

Karl Napp | Fr., 15. Oktober 2021 - 15:11

. . . . .
"Und die Moral von der Geschicht'
Trau' diesen Spaßmachern nicht
Mit all den Farben im Gesicht
Sieht man die wahre Fratze nicht"!

"Und es soll wissen jedes Kind
Dass da meist böse Menschen sind
Unter den Clowns dieser Welt"!
. . . . .

Bernd Muhlack | Fr., 15. Oktober 2021 - 15:51

Die hier zitierten Entscheidungen sind nun so getroffen worden und damit für eine längere Zeit für die politisch Handelnden maßgebend:
quasi geliefert wie bestellt, nicht wahr?

Lassen wir eine etwaige Befangenheit zumindest des Richters Harbarth einmal außen vor.
Was mich eher verwundert, ist, dass es in den in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutierten Themen ÖR-TV, GR-einschränkende Coronamaßnahmen und MP-Wahl in Thüringen keine Sondervoten einzelner Richter gab.
Im Jurastudium muss man diese kennen wenn man eine wahrhaft gute Note will.
Ob diese faktisch von Bedeutung sind, ist unerheblich.
Wenn ich mich recht erinnere, war Richter Mahrenholz der ungekrönte König der Sondervoten.
Im Umkehrschluss heißt das, dass alle Richter des Senats sich der Meinung des Berichterstatters bzw. Vorsitzenden anschließen.

In der Tat erscheint mir das aktuelle BVerfG zu sehr politisch geprägt. Man sollte sich auf die Auslegung des GG und der allg. Gesetze rückbesinnen!

Schönes Wochenende!

Tomas Poth | Fr., 15. Oktober 2021 - 17:11

Man muß nur die Blickkontakte Merkel-Harbarth bei der Kürung von Harbarth gesehen haben, da haben/hatten sich zwei gefunden.
Das sagt eigentlich alles. Es menschelte sehr, leider zum Nachteil der Unabhängigkeit, eher hin zur Liebedienerei.

Bernhard Marquardt | Fr., 15. Oktober 2021 - 17:41

Die Begründung jeder Entscheidung sollte dem Rechtsfrieden dienen.
Diese juristische Machtposition ist nur vertretbar, wenn dessen Richter und insbesondere deren Auswahl unabhängig von denen sind, deren Entscheidungen und Handeln das BVerfG an den Grundsätzen der Verfassung zu messen und ggf. zu korrigieren hat.
Diesen Kriterien genügt das Parteiengeschachere um die die Auswahl der Richter am BVerfG und an allen obersten Gerichten sowie der Generalstaatsanwälte in Deutschland schlichtweg nicht.
Das System der von der EU favorisierten unabhängigen Justiz(verwaltungs-)räte hat dort, wo sie eingeführt wurden, anfangs funktioniert, sich inzwischen jedoch in einigen Ländern anfällig erwiesen für eine neuerliche Einflussnahme durch die Exekutive, etwa bei der Zusammensetzung der Justizräte.
Wenngleich gottlob nicht so radikal wie in Polen.
Eine Lösung dieses schwierigen, aber für die Gewaltenteilung im Rechtsstaat eminent wichtigen Problems bietet m.E. nur ein durchdachtes Losverfahren.

Bernhard Marquardt | Sa., 16. Oktober 2021 - 11:18

Das BVerfG selbst hat die formale Latte für eine Verfassungsbeschwerde extrem hoch gelegt. Da ist es für die Heerschar der wissenschaftlichen Mitarbeiter leicht, ein formales Haar in der Suppe zu finden. Insbesondere, wenn die Sache politisch oder gar rechtsstaatlich brisant erscheint.
Und schon ist er zur Hand, der Nichtannahme-Beschluss, der dem Kläger gegenüber natürlich nicht zu begründen ist.
Aus die Maus.
Und sei die Beschwerde sachlich noch so verfassungsrechtlich schwerwiegend und begründet.
Dann bietet sich noch die die Möglichkeit der Verschleppung der Verhandlung an. Wegen der „Überlastung des Gerichts“. Bis sich die Angelegenheit unumkehrbar erledigt hat.
April April !
Deutschland wurde von der EU wegen überlanger Verfahrensdauer des Öfteren angemahnt. Erfolglos.
Man könnte problemlos zwei weitere Senate für das BVerfG schaffen.
Aber bitte ohne Einmischung der Parteien, der Legislative oder der Exekutive. Beides will man dort aber nicht, die Gründe sind ersichtlich.