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Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag / dpa

Corona-Berater der Bundesregierung - „Man könnte es auch als Eiertanz bezeichnen“

Seit Beginn der Corona-Pandemie berät Maximilian Mayer die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Corona-Strategie. Der Asien-Experte kritisiert das Auf-Sicht-Fahren der Bundeskanzlerin und fordert einen dramatischen Strategie-Wechsel. Ein Gespräch darüber, wie es auch anders gehen könnte.

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

So erreichen Sie Bastian Brauns:

Maximilian Mayer ist Junior-Professor für Internationale Beziehungen und globale Technologiepolitik am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.

Herr Mayer, Sie beraten die Bundesregierung seit Beginn der Pandemie. Was ist hierbei Ihre Expertise?
Im Februar wurde ich angefragt vom Bundesinnenministerium, um als Asien-Wissenschaftler unter anderem darüber berichten, was in den dortigen Ländern passiert während der Corona-Pandemie. Aus dieser Beratung ist dann schnell eine größere, interdisziplinäre Plattform entstanden, bei der Wissenschaftler aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammengefunden haben, um Input zu geben. Ich konnte berichten, welche konkrete Maßnahmen die asiatischen Länder getroffen haben, welche Infrastrukturen genutzt wurden, welche Vorbereitungen es gab, welche Kommunikationsformen und welche politischen Narrative angewendet wurden. Es war wichtig zu verstehen: Was sind dort die grundsätzlichen strategischen Entscheidungen, die getroffen wurden, um mit der Pandemie umzugehen?

Aber gerade von politischer Seite heißt es immer wieder, das seien andere Systeme und andere geographische Bedingungen. Taiwan ist eine Insel. Japan auch. China ist eine Diktatur. Gibt es überhaupt Interesse von Regierungsseite, einzelne Strategien-Elemente zu übernehmen?
Interesse gab es natürlich. Aber es gab relativ früh die Annahme, dass es eigentlich nicht so relevant ist, was da passiert aus den von Ihnen genannten Gründen. Wiederholt  betont wurden die geographische Lage, das politische System oder kulturalistische Argumente, dass dort eben alles ganz anders funktionieren würde. Im Grunde wurde kein systematischer Versuch unternommen, sich alles genauer anzusehen. Wie machen das Länder wie Australien oder Neuseeland, aber auch Vietnam, Thailand oder die Mongolei? Natürlich gibt es große Unterschiede, und niemand möchte Blaupausen einfach übertragen. Aber das pauschale Argument: Naja, es sind Inseln, ist Unsinn. Taiwan etwa ist per Flugverkehr extrem eng verbunden mit Festlandchina, mit Hongkong, mit vielen anderen Ländern in Asien. Soweit ich weiß, gibt es bis heute keine systematische Auseinandersetzung mit Entscheidungsträgern, Epidemiologen oder der Wissenschaftscommunity in diesen Regionen.

Hat die Regierung trotzdem dazugelernt und wenn ja, was?
Man hat auf jeden Fall dazugelernt. Allein, weil unser Wissen über das Virus enorm gewachsen ist, weil die Testverfahren viel besser geworden sind und weil man versucht hat, aus Fehlern zu lernen. Aber wir haben nicht die grundsätzliche Strategie verändert. Die Bundesregierung hält an der „Auf-Sicht-fahren-Strategie” fest. Deren Ziel ist es, die Krankenhäuser nicht zu überlasten. Und wir wollen zu hohe Todeszahlen vermeiden.

maximilian mayer
Prof. Maximilian Mayer / privat

Ist das denn verkehrt?
Aus dieser Strategie lassen sich sehr schwer einfache und klar verständliche Maßnahmen ableiten. Wie sich gezeigt hat, lässt sich etwa der Wert der 7-Tage-Inzidenz schwer in klare Maßnahmen übersetzen. Die Kanzlerin nennt es auf Sicht fahren, man könnte es auch als Eiertanz bezeichnen. Hier haben wir nichts dazugelernt, und was die wichtige Zusammenarbeit zwischen den Ressorts angeht, so hat man sich sogar zurückentwickelt seit Frühling. Damals gab es eine kurze Phase, in der man über die Ressortgrenzen hinweg sehr gut versucht hat, Probleme zu lösen. Jetzt gibt es wieder Grabenkämpfe zwischen verschiedenen Ministerien, Kommunikationshürden und so weiter. Hinzu kommt die Subsidiarität unseres föderalen Systems. Alle Abläufe im Gesundheitssystem sind extrem zersplittert und zergliedert. Dem Gesundheitsminister fehlen Zugriffsrechte. Durch die Notwendigkeit von Koordination verlieren wir viel Zeit. Es läuft routinierter als noch am Anfang der Pandemie, aber es bleibt schwierig und ist definitiv viel zu langsam.

Was wäre die Alternative zu diesem Auf-Sicht-Fahren?
Wenn man davon ausgeht, dass wir die Massenimpfung bis zum Jahresende 2021 abgeschlossen haben, dann ist wohl ein großer Teil der Bevölkerung noch in den Herbst hinein noch immer immunologisch naiv. Das heißt, bis dahin könnte es zu weiteren Wellen kommen, weitere Lockdowns würden notwendig. Darum müsste man eigentlich hin zu einer konsequenten Eliminierungsstrategie.

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Walter Bühler | Do., 17. Dezember 2020 - 17:02

... welche schweren Versäumnisse unsre bundesdeutschen Obrigkeiten in den letzten Monaten gemacht haben.

Diese politischen Versäumnisse tragen eine größere Schuld an der Entwicklung als das Verhalten der Bevölkerung im Alltag.

Nötig ist ein unbefangener Blick nach Asien sowie die Anerkennung der Notwendigkeit, die Datenverarbeitung in der Medizin auf eine moderne und effektive Grundlage zu stellen.

ein Staatsversagen auf ganzer Linie.
Herr Mayer hat die ganze Planlosigkeit der "Entscheidungsträger" schnonungslos offengelegt.
Muss das nicht Frustrierend sein, wenn man konkrete Vorschläge unterbreitet die dann doch in der Schublade landen?
Da fällt mir nur ein: "Deutschland schafft sich ab"-oder der Virus sorgt dafür!
Salute

Erklären Sie mal einem Querdenker, er sollte gefälligst eine App als Hilfsmittel zur Eindämmung der Pandemie benutzen.
Erklären Sie ihm außerdem, er solle die minimalen AHA-Regeln befolgen.

Erfolgsaussichten? Null. Wozu denn? Es gibt doch angeblich gar keine Pandemie.

In den asiatischen Ländern werden App und Masken entweder verordnet (China), oder einsichtig akzeptiert (Taiwan, Südkorea usw.)

Bei uns schreien die Empörten bei einem simplen Mund-Nase-Schutz schon los: "Maulkorb!"

Die, die den Lockdown ablehnen, haben ihn zu einem großen Teil selbst verursacht. Würden sich alle Menschen an minimale Regeln halten, gäbe es weniger Ansteckungen.

Stattdessen wird auf Teufel komm raus argumentiert, dass irgendwelche Zahlen die Maßnahmen nicht rechtfertigen würden, und das Virus wird weiter verbreitet.

Und gleichzeitig sterben bei uns täglich 500, manchmal noch weitaus mehr Menschen.

"Ich weiß nicht, warum ich mich jetzt permanent mit Dingen beschäftigen sollte, die - Gott sei Dank - nicht auf der Tagesordnung stehen." Zitat Merkel am 17.06. in der BPK auf einen Frage nach den Vorbereitungen für eine zweite Welle.

Seitdem wird ein Sündenbock nach dem anderen zu präsentiert: feiernde Jugendliche, arabische Hochzeiten, Querdenker-Demos, schamlose Glühweintrinker. All die haben sicherlich dazu geführt, dass zeitweise Berchtegesgaden und Delmenhorst an der Spitze der Infektionszahlen standen, denn dort sind die ja alle so zahlreich vertreten... Derweil wird im Dezember (!), seit dieser Woche, damit begonnen Pflegeheime mit Schnelltestets und FFP2-Masken auszustatten. Steht ja jetzt auf der Tagesordnung. "Die Krise zeigt, dass Deutschland offenbar verlernt hat, im großen Stil organisatorisch zu mobilisieren", kritisiert Herr Mayer völlig zurecht. Wer ist denn dafür auf Bundesebene zuständig? Oder in Bayern? Stattdessen werden Schuldige gefunden. Funktioniert ja.

400 Menschen pro Tag also, das wären dann etwa 12 000 pro Monat. Rechnen wir, wenn Ihre Zahlen stimmen, die Summe auf das Jahr hoch, landen wir bei 144 000. Wo haben Sie solche Zahlen her, wer stellt solche ungeheuerlichen Prognosen auf? Menschen mit unbewiesenen söderschen Schreckensmeldungen zu verunsichern ist mehr als kontraproduktiv.

Tomas Poth | Do., 17. Dezember 2020 - 17:57

Schaut man auf die Auswertung der Überterblichkeitsstatistik der LMU-München und die aufsummierten Covid Todesfallzahlen des RKI nach Altersgruppen so ist sehr klar zu erkennen wo das Problem liegt:
Die Menschen der Altersgruppen über 60 sind die wahren Betroffenen und die Orte Alters- und Pflegeheime sind die HotSpots hinsichtlich Erkrankungen und Todesfolgen.
Wo ist hier die Strategie dieses Problem gezielt anzugehen und den Schutz so einzurichten daß die Folgen verringert werden?
Die Rasenmäher Methode Lockdown mit all seiner öffentlichen Aufmerksamkeit überdeckt diese fatale Situation!
Stellt sich mir die Frage ob hier ein "sozialverträgliches Ableben" stillschweigend hingenommen wird, um eine Entlastung der Sozialversicherungskassen als Haben einzufahren bzw. als Gegenfinanzierung der Coronahilfen einkalkuliert wird? Wer kann zu dieser Überlegung etwas beitragen?

Den Verdacht, daß das Unterlassen einer ja durchaus möglichen, gezielt unsere betagten Heimbewohner schützenden Strategie garnicht der Unfähigkeit der zuständigen Stellen geschuldet, sondern als Ersatz für die überfällige, schon wieder verschobene große Rentenreform geplant ist, muss auch ich immer öfter unterdrücken. Noch schaffe ich es. Meistens.

Tomas Poth | Sa., 19. Dezember 2020 - 11:37

Antwort auf von Maria Arenz

auch nicht unterstellen! Auf der anderen Seite wäre ein sofortiger wirksamer Schutz gewesen verteilte man FFP3 Masken in die kritischen Bereiche. Diese haben auch eine Wirksamkeit gegenüber Viren. Die jetzt zur Verteilung an Ü60jährige kommenden FFP2 haben dagegen nicht diese Schutzwirkung gemäß EN 149. Das wird leider nicht thematisiert und kommuniziert. Vielleicht sogar beschwiegen?

Manfred Sonntag | Do., 17. Dezember 2020 - 18:46

Herr Prof. Mayer legt seinen Standpunkt dar. Ist der richtig? Ich weiß es nicht. Was soll denn mit den ganzen Lockdown-Varianten erreicht werden wenn doch der Schutz der Menschen in den Pflegeeinrichtungen seit März total vernachlässigt wurde? Deshalb sind auch weit über die Hälfte der Coronapatienten in unseren Spitälern hochbetagte Bürger aus diesen Einrichtungen. Was soll die Unersättlichkeit der Nachverfolgung? 2019 hat die Polizei ~60% der Verbrechen aufgeklärt. Wie wollen wir 100% Nachverfolgungs-Aufklärung erreichen wenn nicht ansatzweise so viele Spezialisten wie bei der Gendarmerie verfügbar sind? Wo sind die Anregungen von Herrn Kohn vom BMI? Er hat Vorschläge zur Erarbeitung von Strategievarianten durch Fachleute in den Ministerien gemacht. Die Entscheidungen wären durch die Regierung zu treffen gewesen. So aber kommen die Herren Mayer, Drosten, Lauterbach etc. direkt vor das Kabinett und jeder versucht die eigenen Interessen durchzusetzen. So wird das nix.

Heidemarie Heim | Do., 17. Dezember 2020 - 19:02

So sehr mich die Ehrlichkeit und Schnörkellosigkeit von Herr Prof. Mayer freut bei der Beantwortung Ihrer Fragen lieber Herr Brauns, so entmutigend finde ich sie andererseits! Wie Herrn Bühler und anderen hier im Forum war es auch mir ein Rätsel warum man nicht dahin hinschaut wo es offensichtlich besser läuft. Wo man sich statt dessen im Ruhm und Lob der anderen Europäer sonnte, zumindest in diesem Kreis der Primus zu sein. Diese fast schon arrogant abweisend anmutende Beratungsresistenz, von einem wie ich annehme, nicht mehr so engen Berater der Regierung derart deutlich gemacht zu bekommen finde ich traurig. Was die dadurch verpassten Chancen, die Versäumnisse sowie die doppelbödigen Durchhalteparolen betreffen bis hin zur Verurteilung von nicht konformen Kritikern der Vorgänge machen mich darüber hinaus nicht wenig wütend! Es wird wirklich Zeit und ich hoffe, dass sie es mit dem rettenden Ausweg Impfung nicht ebenso versemmeln. MfG

Jens Böhme | Do., 17. Dezember 2020 - 22:02

Gut, dass die Bundesregierung nicht auf Prof. Mayer hört. Gut ist die Strategie der Bundesregierung ohne Prof. Mayer auch nicht. Den Inzidenzwert noch weiter nach unten ziehen, obwohl 50 nicht mal im schlimmsten Winter erreicht werden kann, ist wissenschaftlich noch weiter entfernt als der praktizierte Eiertanz. Testen bis zur Schmerzgrenze ist insofern unsinnig, weil es hierfür gar keine Infrastruktur gibt, der jetzige Testwahn bei Verdacht überfordert bereits Gesundheitsämter und Labore. Mit Permanenttests wird zudem der ethische Weg verlassen. Es gibt noch mehr in einer (hoffentlich) funktionierenden Gesellschaft und Volkswirtschaft als das Starren auf ein Virus und die darauf ausgerichteten Entscheidungen, die tief in Wirtschaft und ins Private sowie in Grundrechte gehen. Schon sind wir bei der Verhältnismäßigkeit. Wir werden nicht umhin kommen, Corona wie Influenza zu händeln. Sonst gehen viele gesellschaftliche Bereiche Wege, dagegen sind Querdenker harmlose Folklore.

Ernst-Günther Konrad | Fr., 18. Dezember 2020 - 13:35

Antwort auf von Jens Böhme

Ich stimme Ihnen absolut zu Herr Böhme. Schauen wir mal, wie lange der Berater noch der Regierung zuflüstern darf, ohne dass die ihn und seine Meinung berücksichtigen. Heute Morgen lese ich, wie der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung gerade medial von Lauterbach und den anderen Corona Tröten niedergemacht wird. Uns Gesundheitsökonom spricht dem Mann ab, sich über die sinnlosen Maßnahmen zu äußern. Das ist es ja, was viele hier und inzwischen im Volk so langsam spüren. Es gibt nur eine Meinung und das ist die der Regierung.

Norbert Heyer | Fr., 18. Dezember 2020 - 05:25

Von Anfang an habe ich die Zettelwirtschaft in Lokalen, Gaststätten und Cafés nicht verstanden. Wenn ich als positiv getestet würde, müsste ich doch angeben, welche Lokalitäten ich in der betreffenden Zeit besucht habe. Dann müssten die Nachweise in den besuchten Stätten terminlich/zeitlich abgestimmt werden und alle gleichzeitigen Besucher informiert werden. Es ist doch ganz klar, dass mit Zunahme der Betroffenen dieses System ganz schnell an seine Grenzen kommt. Und dann kommt noch die alles entscheidende Frage: Wo habe ich mich denn überhaupt infiziert? Eine so breit gestreute Nachverfolgung muss einfach scheitern. Die Isolierung der Schwerpunkte wie Alters- und Pflegeheime, Krankenhäuser und Verbot von Massenveranstaltungen jeglicher Art wären erfolgsversprechender gewesen. Mit der
wiederholten Notbremsung hat man lediglich zur gesundheitlichen Bedrohung noch die wirtschaftliche Angst um die Zukunft verstärkt. Diese Plage zum Durchregieren ohne Widerspruch kommt sehr gelegen ...

Brigitte Simon | Fr., 18. Dezember 2020 - 12:58

Seit Beginn der Corona-Pandemie berät Maxi-milian Meyer Merkel. Sein Artikel ist ernüchternd. Was bewegt Meyer in dieser Offenheit zu sprechen? Fairness gegenüber der Bevölkerung? Wie schlimm muß das sein, was er nicht anspricht? Fragen über Fragen.

Ein großes Manko für die Planung eines Hilfspro-gramms ist der politisch gewollte Datenschutz.
Genau diese Daten benötigen die Labore.

Warum ignorierten Merkel/Spahn das RKI-Plan-spiel von 2013? Ein strukturelles Szenario zur Be-kämpfung weiterer Epidemien. Dessen Planung ermöglicht auch Zeitgewinn für antiepidemische Maßnahmen. Diese Unterlagen sind lt. Lauter-bach in dunklen Kanälen verschwunden.

Warum übernahmen Merkel/Spahn nicht das in-telligente Wissen Asiens zum Schutz vor einer neuen Notfallsituation? Dazu fehlt Deutschland die erforderliche digitale Technik Asiens.

Was passiert in Deutschland? Nicht viel. Rituelle
Events überschlagen sich und werden zum Wett-kampf sich profilierender Ministerpräsidenten.