- Was kann der Weltklimagipfel noch erreichen?
1992 wurde in Rio das hehre Ziel formuliert, den gefährlichen Klimawandel zu verhindern. 20 Jahre später ist die Bilanz ernüchternd
Zum ersten Mal findet ein Weltklimagipfel in einem Öl- und Gasförderland statt. Von diesem Montag an bis zum 7. Dezember verhandelt die Weltgemeinschaft in Doha im Emirat Katar zum nunmehr 18. Mal darüber, wie „ein gefährlicher Klimawandel“ vermieden werden kann. Dieses Ziel wurde 1992 gesetzt, als in Rio beim ersten Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung die Klimarahmenkonvention beschlossen wurde. Um dieses Ziel zu erreichen, soll die globale Erwärmung unter zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung (zwischen 1750 und 1850) gehalten werden.
Wie hat sich der Ausstoß von Treibhausgasen
entwickelt?
2011 haben die globalen Kohlendioxidemissionen einen neuen
Rekordwert erreicht, der Trend setzt sich auch in diesem Jahr fort.
Zwar sind die CO2-Emissionen in Europa, in Osteuropa und sogar in
den USA gesunken. Doch in den schnell wachsenden Schwellenländern
von Brasilien bis Indien steigt der Treibhausgasausstoß in einem
nie da gewesenen Tempo. China hat die USA schon vor drei Jahren als
größter CO2-Emittent überholt. Beim Pro-Kopf-Ausstoß ist Chinas
Wert mit inzwischen vier Tonnen pro Kopf und Jahr etwa doppelt so
hoch, wie es für das Zwei-Grad-Ziel noch verträglich wäre. Und
damit liegt es immer noch deutlich unter den 19 Tonnen pro Kopf in
den USA und den rund zehn Tonnen in der EU. In den USA ist der
Treibhausgasausstoß deshalb gesunken, weil billiges heimisches
Schiefergas nach und nach die Kohle bei der Stromerzeugung
verdrängt. Allerdings werden die Emissionen, die bei der
Schiefergasförderung entstehen, nur unzureichend in diese
Kalkulationen eingerechnet. Abgesehen davon ist der CO2-Ausstoß in
den USA wegen der Rezession nach der Finanzkrise 2008 deutlich
gesunken.
Welche Folgen hat diese Entwicklung für das
Weltklima?
Das UN-Umweltprogramm Unep hat kurz vor dem Doha-Gipfel eine
aktuelle Berechnung vorgelegt, die den von den Ländern angebotenen
Emissionsminderungen die Ausstoßwerte gegenüberstellt, die
notwendig wären, um innerhalb des Zwei-Grad-Limits zu bleiben. Wenn
all diese Emissionsminderungen, die versprochen wurden, tatsächlich
erreicht werden, steuern wir auf eine Welt zu, die sich bis 2100 um
3,5 bis vier Grad erwärmen wird. In einem Bericht der Weltbank und
des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, der in der
vergangenen Woche erschien, ist ausgeführt, was das bedeuten würde:
Neben einer Zunahme von extremen Wetterereignissen besteht vor
allem die Gefahr, dass jenseits der zwei Grad Erwärmung
Kippelemente im Weltklimasystem ausgelöst werden, die den Prozess
weiter beschleunigen – und vor allem nicht mehr zurückgedreht
werden können. Dazu gehört das vollständige Schmelzen der Gletscher
auf Grönland mit der Folge eines Meeresspiegelanstiegs um bis zu
sieben Meter in den kommenden zweihundert oder womöglich auch
dreihundert Jahren. Dazu gehört das Austrocknen des
Amazonasbeckens, statt Regenwald entstünde dort eine trockene
Steppe.
Sind schon Klimaänderungen zu bemerken?
Welche Wucht die 0,8 Grad globaler Erwärmung, die wir aktuell
registrieren, bereits erreichen können, haben die Jahre 2010, 2011
und 2012 gezeigt. Sie waren alle reich an extremen Wetterlagen, die
zwar nicht unmittelbar auf den Klimawandel zurückgeführt werden
können, die aber genau den Prognosen entsprechen, die die
Klimaforscher seit nunmehr zwei Jahrzehnten für eine Welt im
Klimawandel abgeben. In diesem Jahr waren fast 75 Prozent der USA
von einer Rekorddürre betroffen. Buschbrände haben in einigen
Staaten zehntausende Menschen aus ihren Häusern getrieben und
Milliardenschäden hinterlassen. Vor wenigen Wochen raste der
tropische Wirbelsturm „Sandy“ bis weit in den Norden der USA und
hinterließ in New York und New Jersey eine Schneise der Zerstörung.
In den zwei Jahren vorher versank halb Pakistan in den Fluten
starker Monsunregenfälle. Und ebenfalls in den zwei Jahren vorher
wurden auch Teile Australiens Opfer gigantischer Überschwemmungen.
Die Rekorddürre 2011 in Ostafrika hat zehntausende Menschen in die
Flucht geschlagen und eine unbekannte Zahl von Menschen verhungern
lassen. Alle drei Jahre gehören zu den zehn wärmsten je gemessenen
Jahren. Das ist vor allem für 2011 bemerkenswert, weil das ein
La-Nina-Jahr war – dieses pazifische Klimaphänomen senkt
üblicherweise die Temperaturen global.
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Was wird in Doha verhandelt?
Das wichtigste Ergebnis des Doha-Gipfels sollte eine Verlängerung
des Kyoto-Abkommens sein. Die erste Verpflichtungsperiode einer
kleinen Gruppe von Industriestaaten, ihre Treibhausgasemissionen
zwischen 2008 und 2012 um 5,2 Prozent zu senken, endet am 31.
Dezember. Da sich inzwischen Kanada und Japan vom Kyoto-Abkommen
verabschiedet haben – Kanada ist offiziell ausgetreten, Japan will
keine zweite Verpflichtungsperiode akzeptieren –, deckt das
Kyoto-Protokoll nunmehr lediglich noch 15 Prozent der globalen
Emissionen ab. Zu einer Verlängerung sind neben der EU die Schweiz,
Norwegen, Liechtenstein, Monaco, Island, Kroatien, Kasachstan, die
Ukraine, Weißrussland und Australien prinzipiell bereit. Allerdings
ist zu befüchten, dass eine Verlängerung des Abkommens eher
unambitioniert ausfällt.
Abgesehen vom Kyoto-Protokoll müsste in Doha ein konkreter Fahrplan für Verhandlungen vereinbart werden, damit ein umfassendes Klimaabkommen bis 2015 ausgehandelt werden kann, um das Zwei-Grad-Ziel doch noch zu halten. Dass dieser Fahrplan zustande kommt, ist nicht sehr wahrscheinlich, weil Gastgeber Katar mit sehr geringen Zielvorgaben in die Verhandlungen gegangen ist.
Einzig in der Finanzierungsfrage könnte der Gipfel vielleicht einen Schritt weiterkommen. Denn die Entwicklungsländer, speziell diejenigen, die mit dramatischen Folgen des Klimawandels rechnen müssen, drängen massiv auf ernst zu nehmende Zusagen. Nachdem nun klar ist, wo der dafür geschaffene Grüne Klimafonds seinen Sitz haben wird, nämlich in Südkorea, und wer ihn steuern wird, könnte es in Doha eine Reihe von Zusagen für den Fonds geben – trotz Finanz- und Schuldenkrise.
Welche Positionen vertritt die EU?
Die EU hat sich selbst nach jahrelangen Diskussionen nicht dazu
bereitfinden können, ihr Angebot zur Emissionsminderung auf ein
Niveau zu bringen, wie es der Weltklimarat IPCC schon 2007 für
Industriestaaten gefordert hat. Die EU ist bereit, ihren
Treibhausgasausstoß bis 2020 um 20 Prozent im Vergleich zu 1990 zu
senken – sie ist bereits bei 18 Prozent angelangt. Seit Jahren
verlangen deutsche Umweltminister eine Erhöhung des EU-Ziels auf 30
Prozent, wogegen deutsche Wirtschaftsminister diese Erhöhung des
EU-Ziels in Brüssel zu untergraben versuchen. Bundeskanzlerin
Angela Merkel (CDU) hat sich jedenfalls noch nicht erkennbar für
ein höheres Niveau der EU eingesetzt. Ein EU-Ratsbeschluss für die
30 Prozent ist jedenfalls nicht zustande gekommen. Deshalb hat der
Umweltminister aus Zypern, der für die EU gemeinsam mit
EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard verhandeln wird, kaum
Verhandlungsmasse anzubieten. Umweltminister Peter Altmaier (CDU)
warnt deshalb vor einem Klimawandel, der „außer Kontrolle zu
geraten“ drohe.
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