Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Die Slowakei wählt - Robert Fico will sich nach ganz oben tricksen

Die Präsidentschaftswahlen in der Slowakei werden in einer Stichwahl entschieden: Premier Robert Fico muss Ende März gegen seinen parteilosen Widersacher Andrej Kiska antreten. Noch regiert Fico als Premier mit absoluter Mehrheit. Seine Seilschaften reichen bis in die höchsten Justizämter. Es wird sich herausstellen, ob sein Greifen nach mehr Macht gelingt

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

So erreichen Sie Vinzenz Greiner:

 

Dieser Artikel ist eine Kostprobe aus der März-Ausgabe des Cicero. Wenn Sie keine Ausgabe des Magazins für politische Kultur mehr verpassen wollen, können Sie hier das Abonnement bestellen.

 

 

Die Frage musste kommen. Robert Fico hat sie erwartet. Wie jeder der Journalisten im Raum. Wie die ganze Slowakische Republik. Verlöre er, der mächtige Premier, nicht ein gutes Stück Macht, wenn er Präsident würde? Es ist das einzige Mal, dass Fico ungehalten wird. Er lächelt, lacht beinahe seine Antwort: „Lesen Sie sich die Verfassung durch und urteilen Sie dann.“ Der Ton sagt mehr als die Worte: Darin schwingt vor allem Freude über seinen Coup, der ihn zum mächtigsten Mann machen soll, den es in der Slowakei je gegeben hat.

Nach der Verfassung des Landes wird der Präsident direkt gewählt, er vertritt die Slowakei nach außen und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Gesetzesvorhaben kann er nur verzögern. Das Land regieren vor allem der Premierminister und sein Kabinett – aber das reicht Fico nicht.

Wer die Strategie dieses Mannes verstehen will, muss in seine Vergangenheit blicken. Im Oktober 2011 soll das slowakische Parlament der Erweiterung des Euro-Rettungsschirms zustimmen. Ficos Sozialdemokraten sind damals in der Opposition. Eigentlich hat er sich für den Rettungsschirm ausgesprochen. Als aber klar wird, dass die Regierung keine eigene Mehrheit hat, ändert Fico seine Linie und setzt sie in der Partei durch. Das Nein der Sozialdemokraten zwingt die Regierung zu Verhandlungen. Fico winkt die Erweiterung erst durch, als die Regierung ihm etwas zusagt: Neuwahlen. Im März 2012 gewinnt er die absolute Mehrheit im Parlament. Fico ist am Ziel. Sein Gespür für die Machttektonik und die Stimmung im Volk hat ihn nicht getäuscht. Es hat ihn noch nie getäuscht.

Zu Beginn seiner politischen Karriere wägt Fico bereits kalt ab
 

Bereits zu Beginn seiner politischen Laufbahn weiß Fico seine Möglichkeiten kalt abzuwägen. Mitte der Neunziger ist er einer der Hoffnungsträger der reformierten kommunistischen Partei, ahnt aber, dass sie ihm keine Perspektiven bietet. Er gründet 1999 Smer („Richtung“), die 2005 als Smer-SD alle linken Parteien aufgesogen haben wird. Ein Jahr später schmiedet er eine Koalition mit der rechtsextremen Nationalpartei und den Nationalkonservativen. Eine Allianz, die jenseits der slowakischen Grenzen auf Kritik stößt. Die Sozialdemokraten im EU-Parlament schließen die Smer-SD aus ihrer Fraktion aus. Fico rührt das nicht. Er erkennt, dass romafeindliche Töne und Hetze gegen die ungarische Minderheit bei den Wählern größere Zustimmung finden als Europa und Freiheit.

Ein Ideologe ist Fico nicht. Er erkennt nur Möglichkeiten und nutzt sie. Im Fußball brauchen Stürmer dieses Gespür für Chancen – und Durchsetzungsstärke. Der fußballbegeisterte Premier hat beides. Auf dem Platz wie in der Politik greift er an. Als Kind hat er jede freie Minute beim Bolzen verbracht. Heute sagt er: „Fußball ist der Sport eines Burschen vom Dorf.“

 

Fico ist der Dorfjunge geblieben. In ungeschliffenem Slowakisch spricht er nicht von erfolgreichem Regieren, sondern von „gemachten Hausaufgaben“. Ständig ist er unterwegs, um Alte zu herzen, Arbeiterhände zu schütteln und, wie er sagt, „irgendwelche Grundsteine“ zu legen. Aus den schwachen ländlichen Regionen zieht er seine Stärke. Ficos Mantra von Sicherheit und paternalistischem Staat bedient die Sehnsüchte vieler Slowaken. Er versteht die kleinen Leute, er betrachtet sich als einen der Ihren – einen, der es geschafft hat.

Gegen Ficos Populismus haben seine Gegner – Konservative, Intellektuelle und liberale Medien – kein Mittel gefunden. Jeder ihrer Angriffe ist am 49-Jährigen abgeprallt. Zwar gibt es ein Abhörprotokoll, das den Verdacht nahelegt, Fico sei in den größten Korruptionsskandal des Landes verwickelt – beweisen konnte man ihm nichts. Auch dass Fico zwei seiner Vertrauten in Schlüsselpositionen des Staates platziert hat – den einen als Generalstaatsanwalt, den anderen als Präsidenten des Obersten Gerichtshofs –, war ganz legal. Ohnmächtig sehen Ficos Widersacher seiner jüngsten Volte zu: sein plötzliches Bekenntnis zu seiner „starken katholischen Prägung“. Scheinheilig sei das, rufen sie.

Fico hat nicht vergessen wie er als Arbeiterkind kämpfen musste
 

Fico verachtet seine Gegner: die Eliten, die Städter. Er hat nicht vergessen, wie hart er als zweites von drei Arbeiterkindern kämpfen musste, um in Bratislava Jura studieren zu können. Bei den vermeintlich Privilegierten, denen „Tennis wichtiger als Recht“ war. Wie können ausgerechnet diese Leute es wagen, sein „starkes soziales Empfinden“ infrage zu stellen?, empört er sich. Das ist, als wäre die gegnerische Mannschaft in seinen Strafraum eingedrungen – aber er kontert und beschimpft die Gegner.

Nun die Kehrtwende. Seit Wochen vermeidet Fico Konfrontationen. Nichts soll seinen wichtigsten Spielzug gefährden: Sein Zögling und Vertrauter, Innenminister Robert Kalinák, steht bereit, die Regierung in Ficos Sinne weiterzuführen. Seine Freunde hat er bereits in der Justiz postiert. Es fehlt nur noch der Einzug in den Präsidentenpalast, nur noch der Sieg in der Stichwahl gegen den parteilosen Millionär Andrej Kiska. Wenn Ficos Strategie aufgeht, wird er nach dem 24. März alle Gewalt in der Slowakei – formell oder informell – in den Händen halten.

Aktualisiert am 17.03.2014.

 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.