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Cyberwar - Warum sich China über die NSA-Affäre freut

US-Präsident Barack Obama hat strengere Regeln für den staatlichen Zugriff auf Telefon- und Verbindungsdaten angekündigt. Doch allzu stark wird er die NSA nicht einschränken, denn längst ist das Internet zu einer Waffe geworden. Länder wie China zeigen datenschutzrechtlich wenig Skrupel

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Malte Lehming ist Autor und Leitender Redakteur des Berliner "Tagesspiegels".

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Technik verändert die Welt. Als revolutionär erweist sich oft die Waffentechnologie. Faustkeil, Pfeil und Bogen minimierten zugunsten der Menschen die physische Stärke von Tiger, Löwe und Bär. Das Schießpulver durchlöcherte die Burgen der Adligen. Die Atombombe dient auch kleinen Staaten als ultimative Abschreckung. Kampfdrohnen erlauben Kriege per Knopfdruck. Und spätestens seit 1991 findet der ehrgeizigste Rüstungswettlauf im Internet statt. Wer ihn gewinnt, beherrscht die Welt.

Vor diesem Hintergrund erläuterte an diesem Freitag US-Präsident Barack Obama seine Pläne für eine Reform der Geheimdienstarbeit. Er kündigte an, verbündete Staats- und Regierungschefs nicht länger überwachen zu lassen. Die Reformen sollen „die Privatsphäre und Bürgerrechte aller Menschen schützen, welche Nationalität sie auch immer haben und wo immer sie sich auch aufhalten“, versprach er in seiner Rede im Justizministerium in Washington.

Der Anlass waren die Enthüllungen von Edward Snowden. Aus deutscher Sicht besteht Resthoffnung auf ein No-Spy-Abkommen. Aber Deutschland ist für Amerika unwichtig. Die Stichworte im Denken der Supermacht, wenn es um ihre Geheimdienstarbeit geht, sind andere – Irakkrieg 1991, Titan Rain, Einheit 61398, Cyberangriff auf Estland 2007, Stuxnet.

Der Cyberwar ist eine größere Bedrohung als Al Quaida

Diese Begriffe illustrieren die Verwundbarkeit der modernen Welt, in der alles – von der Strom- und Wasserversorgung über die Finanzströme bis zur Kommunikation – computergestützt und von außen infiltrierbar ist. Viren und Würmer können Großstädte und Armeen lahmlegen, Massenpaniken verursachen, Börsen krachen lassen. Im März 2013 kamen US-Geheimdienste zum Ergebnis, dass vom Cyberwar erstmals eine größere Bedrohung für ihr Land ausgeht als von Al Qaida und dem internationalen Terrorismus.

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Die Geschichte dieses Cyberwars beginnt Anfang der 90er Jahre. Damals war durch die Operation „Desert Storm“ der irakische Diktator Saddam Hussein aus Kuwait vertrieben worden. Durch den Einsatz von präzisionsgelenkten Waffen verlor der Irak bereits in der ersten Kriegsnacht sämtliche Leitzentren seiner Luftstreitkräfte sowie alle Radaranlagen und einen Großteil seiner Flugabwehrstellungen. Doch nicht allein die Führung in Bagdad war durch den rasanten Kriegsverlauf schockiert, sondern auch die in Peking.

Die Chinesen kamen zu der Erkenntnis, auf dem Hightech-Sektor schleunigst nachziehen zu müssen. Fortan wurden Milliardensummen in den Aufbau defensiver und aggressiver Cyberwar-Fähigkeiten investiert.

Seinen ersten spektakulären Niederschlag fand das zwischen 2003 und 2005 durch die Infiltration hunderter amerikanischer Regierungscomputer und Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin, Sandia National Laboratories und Nasa. Diese Angriffe wurden von der US-Regierung mit dem Namen „Titan Rain“ bezeichnet. Amerikanische Medien lokalisierten die Hacker in Chinas Guangdong-Provinz. Noch zentraler war die Entdeckung der Einheit 61398 der chinesischen Volksbefreiungsarmee, in der mehrere tausend englischsprachige IT-Experten arbeiten sollen, die sich mit Spionage und Sabotage von Computersystemen in den USA beschäftigen. Sie dringen nicht nur in Rechensysteme der US-Regierung, des Militärs und wichtiger Wirtschaftsunternehmen ein, sondern hacken auch die Rechner großer Medienhäuser wie New York Times und Wall Street Journal.

Wer beim Cyberwar abgehängt wird, gilt als erpressbar

Was solche Macht ermöglicht, zeigte sich im April 2007, als mutmaßlich russische Hacker Estland angriffen. Ihnen gelang es, zeitgleich die Webseiten der Regierung, des Parlaments, von Banken, Ministerien, Zeitungen und Rundfunkhäusern zu übernehmen. Das führte im Weißen Haus und bei der Nato zu Krisensitzungen. Der „Web War 1“ zeigte, wie Konflikte in einer Welt ohne Weltpolizei eskalieren können. Wenig später resümierte der Economist („War in the fifth domain“): Maus und Tastatur sind die entscheidenden Waffen der Zukunft. Durch den Einsatz von „Stuxnet“ schließlich bewiesen Amerika und Israel, dass auch sie ihre Lektion gelernt hatten. Der Wurm zerstörte mehr als tausend nukleare Zentrifugen im Iran und warf das Atomprogramm des Landes um mindestens zwei Jahre zurück.

Auch Indien, Pakistan, Iran und Nordkorea investieren massiv in Cyberwar-Fähigkeiten. Datenschutzrechtliche Skrupel plagen die Verantwortlichen nicht. Wer auf diesem Gebiet abgehängt wird, gilt als erpressbar.

Das ist die Folie, vor der Obama vor die Presse trat. In Deutschland erwarten viele einen größeren Schutz ihrer Privatsphäre. In Peking, Moskau, Teheran und Pjöngjang dagegen freut man sich klammheimlich über den Druck, der seit Snowden auf Obama lastet. Transatlantischer Knatsch: Der könnte andere Nationen im globalen Cyber-Rüstungswettlauf einen Vorteil verschaffen.

Update um 17.40 Uhr. Dieser Beitrag erschien zuerst im Tagesspiegel.

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