Dieses Bild ist leider nicht mehr verfügbar
picture alliance

Frauenrechte in Saudi-Arabien - Erstmals dürfen Frauen wählen

Erstmals in der Geschichte des wahabitischen Königreiches dürfen Frauen mit abstimmen und auch kandidieren. Für Saudi-Arabien ein Erdrutsch. Doch noch immer werden Frauen im Namen der Scharia diskriminiert. Eine wirkliche Modernisierung oder gar Öffnung des Landes ist das nicht

Autoreninfo

Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

So erreichen Sie Martin Gehlen:

Für die Heimat des Propheten Mohammed ist es eine historische Premiere, für Jamal al-Saadi ein persönlicher Triumph. In aller Frühe erschien die Lehrerin kürzlich in traditioneller schwarzer Abaya auf dem Meldeamt von Mekka, wo man sie als erste Frau in ganz Saudi-Arabien für die Kommunalwahlen am 12. Dezember 2015 registrierte.

Vier Wochen lang bis Mitte September können sich die weiblichen Untertanen des Königshauses in die Listen eintragen lassen – als Kandidatinnen und als Wählerinnen. Möglich macht dies ein Dekret von 2011 des im Januar verstorbenen Monarchen Abdullah, welches Nachfolger Salman nicht rückgängig machte. Und so könnten diesmal die 284 neuen Kommunalparlamente, anders als 2005 und 2011, bunter, lebendiger und demokratischer ausfallen.

Denn zum ersten Mal dürfen Frauen antreten und mitbestimmen. Der König wiederum ernennt nicht mehr die Hälfte, sondern nur ein Drittel aller Deputierten, so dass die wirklich Gewählten künftig eine eigene Mehrheit bekommen. Wirklich zu entscheiden aber haben die Mandatsträger weiterhin nicht viel, vor allem weil die Hoheit über die städtischen Budgets in der Hauptstadt Riyadh liegt.

Benachteiligung der Frauen immer noch groß
 

Trotz solch kleiner Fortschritte, Saudi-Arabien hat bei Frauenrechten nach wie vor enormen Nachholbedarf. Auf dem „Gender Gap Index“ des Genfer Weltwirtschaftsforums, der Fortschritte bei der Gleichstellung der Geschlechter bewertet, rangierte Riyadh 2014 unter den Schlusslichtern auf Rang 130 von 142. Die Benachteiligung der Frauen ist flächendeckend, ihre Abhängigkeit von den Männern lückenlos.

Frauen dürfen nicht Autofahren. Ohne schriftliche Zustimmung ihres männlichen Vormunds, egal ob Ehemann, Bruder oder Onkel, können sie nicht reisen, arbeiten, zum Arzt gehen, ihren Pass erneuern oder ein Bankkonto eröffnen. Die weibliche Beschäftigungsquote liegt unter 20 Prozent, Negativrekord auf dem gesamten Globus.

Bei der Heirat gibt es kein gesetzliches Mindestalter, eine 13-Jährige kann zur Hochzeit mit einem 50-jährigen Mann gezwungen werden, was auf der Arabischen Halbinsel nicht selten passiert. Und das erste und einzige weibliche Kabinettsmitglied, Vize-Erziehungsministerin Norah al-Fayez, wurde vom neuen König Salman auf Druck konservativer Kreise entlassen, weil sie sich für Sportunterricht an Mädchenschulen eingesetzt hat.

Gerade junge Frauen jedoch pochen immer selbstbewusster auf ein Ende ihrer Diskriminierung im Namen der Scharia. Zehntausende haben mit staatlichen Stipendien im Ausland studiert und andere Welten kennengelernt. Sie sind hoch qualifiziert und mit neuen Ideen zurückgekommen. Zuhause aber müssen sie sich wieder behandeln lassen, wie kleine Kinder.

Weibliche Vorwahleuphorie bleibt aus
 

Ungeachtet dessen jedoch will sich eine weibliche Vorwahleuphorie bislang nicht recht einstellen. Zur Halbzeit der Registrierungsphase verzeichneten abgelegene Provinzen im Süden erst ein Dutzend Meldungen, weil die meisten Wählerinnen nichts von ihren neuen Rechten wissen, niemand sie zum Amt fahren kann oder sie keinen eigenen Personalausweis besitzen.

Selbst in der relativ aufgeklärten Hafenstadt Jeddah blieb der Ansturm bisher aus. Landesweit stagniert die Quote momentan bei etwa fünf Prozent. Lediglich 70 Frauen aus der 28-Millionen-Nation planen nach der Zeitung „Arab News“, als Kandidatinnen anzutreten. Bei den Männern dagegen wollen mehr als 5000 um die 2100 Mandate konkurrieren.

Porträtfotos auf Wahlplakaten sind verboten. Rund ein Drittel aller 1263 Wahllokale sind für Frauen reserviert, da in dem puritanischen Gottesstaat beide Geschlechter nicht zusammen an den Urnen anstehen dürfen. Und trotzdem machen konservative Kleriker und ihre Anhänger dieser Tage auf Twitter gegen den neuen Trend mobil. „Ich wähle nur eine Frau, wenn sie Muffins für alle im Viertel backt“, höhnte einer der Gegner.

Aktivistinnen wie Nouf al-Sadiq, die lange für das Frauenwahlrecht gestritten haben, lassen sich davon nicht irritieren. „Das ist ein wichtiger Schritt zur besseren Beteiligung von Frauen am öffentlichen Leben – und zur inneren Mäßigung unserer Gesellschaft.“

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.