- Eine Lösung für Syrien – auf dem Papier
Unter dem Eindruck der Anschläge in Paris hat sich die internationale Syrien-Konferenz in Wien erstmals auf einen konkreten Fahrplan geeinigt, um den Krieg zu beenden. Auch wenn viele Zweifel bleiben: Angesichts von Terror und Flüchtlingsansturm sind jetzt die USA, Europa und Russland die treibenden Kräfte
Erschütterung stand in den Gesichtern. Die zweite Syrienkonferenz in Wien begann am Samstag mit einer Schweigeminute. Die Diplomaten gedachten der Ermordeten von Paris, aber auch Hunderter weiterer Terroropfer des „Islamischen Staates“ während der vergangenen vier Wochen – beim Doppelanschlag in Ankara mit 86 Toten, bei der Katastrophe der russischen Urlaubermaschine über dem Nordsinai mit 224 Toten, beim Bombenmassaker unter Schiiten in Beirut mit 44 Toten und beim Blutbad unter Betern in Bagdad mit 18 Toten.
Noch nie zuvor war der Druck auf die zwanzig Nationenvertreter so hoch, endlich eine politische Lösung für den syrischen Bürgerkrieg zu finden und gleichzeitig das militärische Vorgehen gegen die IS-Terrormiliz besser zu koordinieren. Und so lobten am Ende alle Seiten die ungewöhnlich konstruktive Atmosphäre im Verhandlungssaal des Hotels Bristol.
Der vereinbarte Fahrplan sieht vor, möglichst rasch einen Waffenstillstand zwischen dem Assad-Regime und moderaten Rebellengruppen auszuhandeln. Bis Mitte 2016 soll unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eine Übergangsregierung aus Regime und Opposition installiert sowie eine neue Verfassung ausgearbeitet werden. 18 Monate später sollen dann Neuwahlen folgen, an denen auch die Millionen Flüchtlinge teilnehmen können.
Stiller Abschied vom Kampf gegen den „Islamischen Staat“
Der Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und die radikale Al-Nusra-Front dagegen geht ohne Einschränkungen weiter. „Paris stärkt die Entschlossenheit von uns allen zurückzuschlagen“, unterstrich US-Außenminister John Kerry. Seite an Seite mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow beschwor er ein gemeinsames Vorgehen gegen diesen „mittelalterlich-modernen Faschismus“. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, dessen Streitkräfte sich erst seit zwei Monaten an den Luftschlägen gegen die Kalifatskrieger beteiligen, forderte eine breitere internationale Anstrengung. Denn bislang tragen die Vereinigten Staaten die Last der alliierten Luftangriffe über Syrien weitgehend alleine.
Die regionalen Verbündeten Saudi-Arabien und Vereinigte Arabische Emirate haben sich seit dem Frühjahr stillschweigend verabschiedet und lassen ihre Kampfjets nur noch im Jemen bombardieren. Bahrain macht seit Februar nicht mehr mit, Jordanien stieg im August aus. Die Türkei greift vor allem Stellungen der kurdischen PKK an. Und von russischen Kampfjets wurde die Terrormiliz bislang auffällig geschont.
Übergangsfrist für Assad
Dagegen scheint der bisher unlösbare Konflikt über die Zukunft von Syriens Diktator erstmals überbrückbar. Vor dem Syrientreffen ließ die russische Seite ein Papier kursieren, das ein 18-monatiges Übergangsregime mit Baschar al-Assad vorschlägt – von John Kerry sofort als indiskutabel verworfen. Inzwischen scheint sich Moskau mit einer kürzeren Assad-Frist arrangieren zu können, auch wenn das Wiener Schlusskommuniqué die künftige Rolle des Präsidenten offen lässt. „Wir sind nach wie vor uneins, was mit Assad geschehen soll“, räumte Kerry ein.
Ungeachtet dessen versuchte der Machthaber von Damaskus am Samstag ungeniert, aus der Pariser Tragödie für sein Regime Kapital zu schlagen. Die französische Politik habe dazu beigetragen, den Terrorismus zu verbreiten, belehrte er eine Delegation französischer Abgeordneter, die sich in der syrischen Hauptstadt aufhielt. „Die Terrorangriffe in Paris können nicht getrennt werden von dem, was sich kürzlich in Beirut abspielte, und was seit Jahren in Syrien passiert“, dozierte Assad und brüstete sich, er habe jahrelang vor dem gewarnt, was jetzt in Europa geschehen sei. „Doch leider wollten das europäische Politiker nicht hören.“
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