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Krise der FDP - Rösler ist nur ein Symptom, nicht das Problem

Philipp Rösler ist nur ein Symptom der Krise der FDP, trotzdem sind seine Tage als Parteivorsitzender gezählt. So funktioniert die Politik, aber selbst zum Putsch sind die Liberalen nicht mehr in der Lage, fast scheint es, als hätten sie die Partei bereits aufgegeben

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Die Nachricht zuerst. Ob sie gut ist oder schlecht, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. Auf jeden Fall ist Philipp Rösler auch nach dem Dreikönigstreffen der Liberalen am Sonntag in Stuttgart noch FDP-Vorsitzender. Er hat eine nette Rede zum Thema Freiheit gehalten und alle Demütigungen von Parteifreunden runtergeschluckt. Die Gäste im Staatstheater haben artig Beifall geklatscht und kein innerparteilicher Widersacher hat das Schwert erhoben. Einzig der launig, populistische Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle hat kurz gezeigt, dass er das Zeug zum Königsmörder hätte. Nur getraut hat er sich nicht.

Also erhält Rösler, der auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler in der schwarz-gelben Bundesregierung ist, noch eine Gnadenfrist. Bis zur Landtagswahl in Niedersachsen, bis zum Parteitag, der aller Voraussicht nach nicht erst im Mai stattfindet, sondern um zwei Monate vorgezogen wird. Die Demontage des Oberliberalen geht also weiter, der Überlebenskampf der FDP im Wahljahr 2013 ebenso.

Eigentlich hat Philipp Rösler keine Chance mehr. Niemand in der FDP glaubt, dass dieser als Parteichef noch eine Zukunft hat und seine Partei in den Bundestagswahlkampf führt. Längst wurde er von seinen Parteifreunden zum Abschuss freigegeben. Er habe als Krisenmanager versagt (Wolfgang Kubicki) heißt es, er sei nicht der geborene Spitzenkandidat und spiele als Torwart linker Verteidiger (Dirk Niebel). Er müsse sich also fragen, ob er seine Aufgaben noch schaffe (Wolfgang Gerhardt). Auch die veröffentlichte Meinung hat den Daumen gesenkt.

[gallery:Eine Partei zerlegt sich selbst: Die Krise der FDP]

Die Verzweiflung, mit der der FDP-Vorsitzende nach neuen Themen für die liberale Profilierung sucht, ist zugleich mit Händen zu greifen. Über Freiheit redete Rösler dieses Jahr in Stuttgart, im vergangenen Jahr redete er dort über Wachstum. Statt auf Steuersenkung setzt er auf solide Staatsfinanzen. Vergeblich. Selbst mit klassischen wirtschaftsliberalen Thesen, mit der Forderung nach Privatisierung von Staatsunternehmen und der Ablehnung des Mindestlohns etwa, dringt er nicht mehr durch.

Röslers Tage an der FDP-Spitze sind also gezählt, selbst dann, wenn es der Partei doch noch gelingen sollte, wieder in den niedersächsischen Landtag einzuziehen. Das ist durchaus möglich. Sogar ein schwarz-gelber Wahlsieg ist in Hannover nicht ausgeschlossen. Trotz Rösler, werden seine Kritiker anschließend sagen, auf dem anschließenden Parteitag wird abgerechnet.

Seite 2: Das Problem der FDP ist nicht allein Rösler

Natürlich ist es wohlfeil und billig, die Krise der FDP einzig dem Parteivorsitzenden anzulasten. Einerseits trägt Rösler als Parteivorsitzender eine besondere Verantwortung. Doch das liberale Versagen ist andererseits kollektiv, alle führenden FDP-Politiker haben sich in den letzten zehn Jahren an der programmatischen Verengung der Partei auf Steuersenkungen beteiligt. Die Performance der FDP-Minister in der Bundesregierung ist insgesamt wenig überzeugend. Die liberale Ratlosigkeit hat mittlerweile die gesamte Partei erfasst. Eine neue zugkräftige liberale Idee ist nirgendwo zu hören, nicht bei Dirk Niebel und vor allem nicht bei Wolfgang Kubicki. Und wie die strahlende Zukunft des Liberalismus sieht auch der vermutliche Nachfolger Rainer Brüderle nicht mehr aus. Es ist noch nicht lange her, da galt dieser in der FDP bereits als muffig, ewig gestrig und nicht mehr satisfaktionsfähig. Jetzt gilt der 67-Jährige plötzlich wieder als liberaler Hoffnungsträger.

Rösler kann darüber hinaus auch nichts für die strategischen Verschiebungen im Parteiensystem. Es ist nicht seine Schuld, dass die FDP nicht mehr der Mehrheitsbeschaffer der großen Volksparteien und auch nicht mehr der geborene Koalitionspartner von CDU und CSU ist. Das letzte Argument, das der FDP in früheren Existenzkrisen blieb, hieß: Wer Merkel will, muss FDP wählen. Es zieht längst nicht mehr. Merkel kann auch mit der SPD oder wohlmöglich sogar mit den Grünen regieren. Deshalb hat die CDU keine Stimme mehr zu verschenken. 

Die Krise der FDP ist also existenziell, mit oder ohne Rösler. Aber an den Gesetzen der Politik und der Medien kommt die Partei trotzdem nicht vorbei.  Die verunsicherte Basis sehnt sich nach einem Heilsbringer (selbst wenn kein Heil in Sicht ist), die Wähler mögen keine Loser auf dem Wahlzettel und die Medien fordern frische Gesichter. Die Krise tobt und verlangt ein Opfer.

Weil dies so ist, weil auch die FDP nicht über dem Gesetz steht und weil die Zeit drängt, fragt man sich eher, warum zaudern die Liberalen? Warum ziehen sie mit einem politisch Halbtoten in den überlebenswichtigen Landtagswahlkampf. Warum haben sie Rösler nicht schon längst gestürzt? Möglichkeiten und Anlässe hätte es in den letzten Monaten viele gegeben. Fast scheint es, als habe die FDP nicht nur ihren liberalen Kompass verloren und nur das Regieren verlernt, sondern auch das Intrigieren. Fast scheint es, als hätten sich viele Liberale bereits aufgegeben.

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