Dietmar Woidke (M.) auf der Wahlparty der SPD / dpa

Landtagswahl in Brandenburg - Wahlsieg für Woidke und die SPD

Hochrechnungen zufolge verteidigt die SPD in Brandenburg ihren ersten Platz – Dietmar Woidke kann damit Ministerpräsident bleiben. Die AfD ist den Sozialdemokraten knapp auf den Fersen, für die CDU läuft es auf ein Debakel hinaus – und für die FDP erst recht.

Alexander Marguier

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Er ist auf volles Risiko gegangen – und so, wie es aussieht, hat Dietmar Woidke die Wette gewonnen. Der durchaus beliebte, durchaus erfolgreiche und zweifelsfrei anerkannte Ministerpräsident von Brandenburg hat Hochrechnungen zufolge für seine SPD 31 Prozent der Stimmen geholt und damit sein Ergebnis von vor fünf Jahren (26,2 Prozent) sogar deutlich übertroffen. Die AfD liegt mit prognostizierten 30 Prozent (2019: 23,5 Prozent) nun doch etwa einen Punkt hinter den Sozialdemokraten.

Woidke hatte unmissverständlich angekündigt, nur dann Regierungschef in Potsdam zu bleiben, wenn er mit seiner Partei den ersten Platz verteidigt, und genau darauf scheint es hinauszulaufen. Damit dürfte es zu keinem Wechsel an der Spitze des 2,5-Millionen-Einwohner-Bundeslandes kommen.

Noch steht zwar nichts fest – außer, dass die SPD auch künftig das Amt des Ministerpräsidenten stellen wird. Sollte die AfD die SPD doch noch überholen, dann aber nicht mit dem 62 Jahre alten gebürtigen Lausitzer. Sondern womöglich in Person der bisherigen Finanzministerin Katrin Lange. Sie galt, ebenso wie Wissenschaftsministerin Manja Schüle, als eine der beiden SPD-Favoritinnen für die Woidke-Nachfolge.

Stimmenzuwächse für die SPD

Die SPD hat also allen Grund, sich zu freuen. Denn dass sie bei einem Urnengang Stimmenzuwächse verzeichnen kann, hat es seit der Landtagswahl im Saarland vom März 2022 in jüngster Zeit nicht mehr gegeben. Müsste Woidke sein Amt dennoch abgeben, wäre dies allerdings ein bitterer Beigeschmack an diesem Wahlsonntag für die Sozialdemokraten.

Ob sich deswegen der Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz noch weiter erhöhen würde, kann indes bezweifelt werden. Anders wäre es gewesen, wenn die SPD massive Stimmeneinbrüche erlebt hätte; in diesem Fall hätte sich womöglich eine Eigendynamik ergeben, die auch am Bundeskanzler nicht mehr folgenlos vorbeigegangen wäre. Das schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei den zwei Wochen zurückliegenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen war gewissermaßen schon eingepreist, ein SPD-Debakel in Brandenburg jedoch nicht. Und so ist es ja am Ende auch nicht gekommen. Ganz im Gegenteil.

Dennoch geht von den Resultaten der Brandenburg-Wahl kein stabilisierendes Signal für die Berliner Ampelkoalition aus. Das liegt zum einen – und insbesondere – am abermals schwachen Abschneiden der FDP, die ersten Prognosen zufolge im Bereich von unter 2 Prozent liegt. Auch vor fünf Jahren hatte es zwar nicht für einen Einzug in den Landtag von Brandenburg gereicht, aber damals landeten die Liberalen bei immerhin 4,1 Prozent. Jetzt ist es nur noch allenfalls die Hälfte, und nach den miserablen Ergebnissen jüngst in Sachsen und Thüringen wird man das in der Bundestagsfraktion nicht mehr einfach hinnehmen können – erst recht nicht ein Jahr vor der Bundestagswahl, bei der ein Wiedereinzug in den Bundestag alles andere als plausibel erscheint. Gut möglich, dass an diesem Montag ein Gewitter über dem Parteichef Christian Lindner losbricht. Denn dessen Erzählung, die Wähler würden schon merken, dass die FPD als kleinster Koalitionspartner in Berlin die schlimmsten Auswüchse der roten und grünen Ampel-Bestandteile verhindert, verfängt schon lange nicht mehr. Ein Aufstand liegt in der Luft, und womöglich könnte der aktuelle Streit über das Tariftreuegesetz den Anlass zum Ampel-Ende geben.

Grüne verlieren deutlich

Die Brandenburger Grünen liegen nach den ersten Hochrechnungen bei unter 5 Prozent – sie hätten damit den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. In diesem Fall richten sich die Blicke auf die Grünen-Kandidatin Marie Schäffer: Holt sie im Wahlkreis 21 (Babelsberg, Potsdam West, Innenstadt, Berliner Vorstadt) das Direktmandat und sorgt aufgrund der Grundmandatsklausel dafür, dass die Grünen entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis ins Parlament kommen? Vor fünf Jahren hatte Schäffer den Wahlkreis überraschend (wenn auch sehr knapp) gewonnen, diesmal trat sie dort gegen die schon erwähnte SPD-Kulturministerin Manja Schüle an. Und wurde bei diesem Wettrennen vom Online-Kampagnen-Verein „Campact“ finanziell massiv unterstützt, der die Grünen unbedingt wieder in den Landtag verhelfen wollte, um eine mögliche Sperrminorität der AfD zu verhindern. Die 72.000 Euro Wahlkampfhilfe waren übrigens nicht nur vonseiten der AfD stark kritisiert worden. Auch Schüle selbst gab sich aufgrund des Wettbewerbsvorteils für ihre grüne Konkurrentin aus naheliegenden Gründen verschnupft. Und der Potsdamer Politologe Fabian Schuppert sprach soeben im Spiegel mit Blick auf Kampagnen wie der von Campact von einem „großen Gefahrenpotenzial“ für die Demokratie.

Ob die Finanzhilfe genutzt hat, wird sich im Verlauf des Wahlabends zeigen, in jedem Fall erleben die Grünen auch in Brandenburg mit dem heutigen Ergebnis einen sehr empfindlichen Dämpfer. Denn selbst wenn sie doch noch die Fünfprozenthürde überspringen sollten, bedeutet das im Vergleich zur zurückliegenden Landtagswahl (2019 lagen sie bei 10,9 Prozent) eine Halbierung des Stimmenanteils – und das im Bundesland, wo Außenministerin Annalena Baerbock zuhause ist, die sich zuletzt nochmal stark für ihre Partei ins Zeug gelegt hatte. Nach den jüngsten Schlappen in Sachsen (5,1 Prozent) und Thüringen, wo der Wiedereinzug in den Landtag mit 3,2 Prozent klar verfehlt wurde, lässt sich konstatieren: Die Grünen sind – zumindest in den östlichen Ländern – untendurch. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, ob die Parteifunktionäre daraus ihre Lehren zu ziehen bereit sind, ist eine andere Frage.

Debakel für Jan Redmann von der CDU

Sehr unerfreulich ist das Ergebnis für die Brandenburger CDU und ihren Spitzenkandidaten Jan Redmann. Noch vor ein paar Monaten konnte sich der 44-Jährige berechtigte Hoffnungen darauf machen, die SPD zu schlagen und Woidke als Ministerpräsidenten abzulösen. Doch dann ging es in den Umfragen stetig bergab, jetzt liegen die Christdemokraten den ersten Prognosen zufolge bei beklagenswerten 12 Prozent. Damit sind die blamablen 15,6 Prozent von vor fünf Jahren sogar noch einmal klar unterboten worden. Die Ursachenforschung dürfte die CDU noch eine Weile beschäftigen; ob Redmanns Trunkenheitsfahrt auf einem E-Scooter wahlentscheidend war, dürfte bezweifelt werden. Jedenfalls hatte der Fraktionsvorsitzende im Potsdamer Landtag auch von außerhalb keinen Rückenwind erfahren, ganz im Gegenteil: In einem FAZ-Doppelinterview mit Dietmar Woidke hatte Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer mehr oder weniger offen eine Wahlempfehlung für seinen Brandenburger Amtskollegen Woidke abgegeben: ein ziemlich einmaliger Vorgang, der offenbar auch CDU-Chef Friedrich Merz entsetzt zurückließ. Merz selbst hätte sich wenige Tage nach seiner Kür zum Kanzlerkandidaten der Union sicherlich auch ein anderes Signal aus Brandenburg erhofft. Das heutige Wahlergebnis ist jedenfalls ein Dämpfer für die großen bundespolitischen Ambitionen der Christdemokraten und ihres Vorsitzenden.

Die AfD, um schließlich auf den prognostizierten Vize-Wahlsieger dieses Sonntags zu sprechen zu kommen, ist in Brandenburg mit um die 30 Prozent offenbar zweitstärkste Partei geworden. Der Abstand vor der SPD ist denkbar knapp, und so geht auch von diesem Ergebnis das klare Signal aus: In den „neuen“ Bundesländern haben die Rechtspopulisten es zur regelrechten Volkspartei gebracht. Sie haben sich dort, ähnlich wie das erst im Januar gegründete „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) als politische Kraft im Osten etabliert, werden jedoch trotz ihrer Stärke – aus den hinlänglich bekannten Gründen – nicht in Regierungsverantwortung kommen. 

Ganz anders hingegen das BSW: Laut den ersten Prognosen (um die 12 Prozent) könnte es, wie auch in Thüringen und in Sachsen, jetzt auf die Wagenknecht-Partei ankommen, wenn es darum geht, eine Regierungsmehrheit in Brandenburg hinzubekommen. Zumindest dann, wenn die Grünen es nicht in den Landtag schaffen sollten. Die Kollateralrisiken einer Koalition, an der sowohl CDU wie auch das BSW beteiligt sind, wurden schon intensiv beschrieben – für die Christdemokraten könnte ein solcher Schritt eine regelrechte Zerreißprobe bedeuten.

Etwas ist ins Rutschen geraten

In jedem Fall zeigt auch die heutige Wahl in Brandenburg, dass in der deutschen politischen Landschaft etwas ins Rutschen geraten ist. Wohin die Reise genau geht, ist zwar noch nicht klar. Aber die Parteien-Demokratie, wie wir sie bisher kannten, ist Geschichte. Was übrigens auch für die Linkspartei gilt: Sie dürfte mit prognostizierten 3 Prozent im nächsten Landtag wohl nicht vertreten sein (2019 lag sie in Brandenburg noch bei 10,7 Prozent) – und damit schon bald in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns über eine konstruktive Debatte. Bitte achten Sie auf eine sachliche Diskussion. Die Redaktion behält sich vor, Kommentare mit unsachlichen Inhalten zu löschen. Kommentare, die Links zu externen Webseiten enthalten, veröffentlichen wir grundsätzlich nicht. Um die Freischaltung kümmert sich die Onlineredaktion von Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr. Wir bitten um Geduld, sollte die Freischaltung etwas dauern. Am Wochenende werden Forumsbeiträge nur eingeschränkt veröffentlicht. Nach zwei Tagen wird die Debatte geschlossen. Wir danken für Ihr Verständnis.

Jochen Rollwagen | So., 22. September 2024 - 19:35

Es war in der BRD immer so, daß zwei große "Volks"-Parteien etwa gleichauf lagen und dann eine dritte, kleinere Partei letztlich über die Koalition und damit die Regierung bestimmt hat. Diese Rolle kam historisch zuerst der FDP, dann den "Grünen" zu. Im Osten ist das jetzt offensichtlich die Bunte Sozialistische Wundertüte, äääh, das "Bündnis Sarah Wagenknecht".

FDP und Grüne waren zumindest noch irgendwo politisch zu verorten, egal ob man das gut oder schlecht fand. Das BSW ist eine reine Kader-Organisation mit Fluffi-Programm, da etwas politisch zu verorten ist wie einen Pudding an die Wand nageln. Eine reine Sarah-mach-Ostalgie-DDR-war-ja-eigentlich-super-Freibier-für-alle-gegen-den-Klassenfeind-russische-Propaganda-Soße. Natürlich mit einigen Horch&Guck-Genossen im Kollektiv, das gehört dazu.

Und die holen im Osten über 10%.

Die Deutsche Einheit ist gescheitert.

Der Osten hat fertig.

Sabine Lehmann | So., 22. September 2024 - 20:10

Antwort auf von Jochen Rollwagen

Und zwar im besten Sinne, Herr Rollwagen. Der Osten zeigt den Etablierten, wo sie sich ihre bisherige Politik hinschieben können und müssen, nämlich dahin wo die Sonne nie scheint. SO geht es jedenfalls nicht weiter. Der Westen schwimmt noch etwas in sozialromantischem links-grünen Wackelpudding, aber damit wird es demnächst vorbei sein. Und wenn alle diese auf links gedrehten Clowns, all diese Nancys, Ricardas und Svenjas & Co. mit ihren atemberaubendem Immatrikulationshintergrund In der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden sind, erst dann wird es in diesem Land wieder aufwärts gehen!

Ingofrank | So., 22. September 2024 - 19:46

Wunschergebnis für die AfD, dennoch aber beachtlich.
Was mich wirklich ärgert, genau wie beim Einzug der Linken in den BT, ist der Einzug der Grünen Sekte durch ein möglicherweise gewonnenes Direktmandat …..
Ein kleines „Schmankel“ für die CDU gab’s ja auch noch ….. Immerhin Platz 4 nach SPD, AfD, BSW und d a n n erst die CDU….. wenns so kommt. Genau das hätte ich mir für unser schwarzes Gehacktesbrötchen Voigt in Thüringen gewünscht 👍👍👍👍 auch wegen der im Vorfeld stattfindenden Diskussion um den zu besetzenden Landtagspräsidenten im Thüringer Landtag.
Mit freundlichen Gruß aus der neuen Erfurter Republik

Urban Will | So., 22. September 2024 - 20:18

Wahlkampfes war: bloß niemanden aus Berlin herholen. Am allerwenigsten Scholz. Maximale Distanz zu den Trotteln aus der Hauptstadt, deren Politik de facto niemand mehr haben möchte.
Er hat gewonnen, weil er Woidke ist. Nur deshalb. Punkt aus. Ohne Woidke wäre die AfD wohl mit Abstand die stärkste Partei.
Aber: die Sekte (vermutlich) raus, die Gelben marginalisiert.
Die CDU zur Kleinpartei abgestempelt. Von wegen Merz und so...
Kubicki hat, wenn ich das richtig mitbekommen habe (habe das Interview nicht live gesehen) das Ende der Ampel noch vor Weihnachten angekündigt.

Da bin ich mal gespannt. Möge er Recht behalten!

Die Blauen haben ihr Ziel verfehlt, das wird die Alten jubeln lassen. Aber die Blauen haben die höchsten Zuwächse, wenn man vom Neustart BSW absieht.
Der Osten hat abermals gezeigt, dass er die Schnauze voll hat und er hat erneut gezeigt, dass es nicht weitergehen kann mit Brandmauern.

Tomas Poth | So., 22. September 2024 - 20:19

Das Ergebnis macht Hoffnung, die Grünen und die Linke sind raus!
Die bittere Pille, BSW ist drin, der Ersatz der Linken in der alten SED-Tradition. BSW das ist Sozialismus/Kommunismus mit Sahra im nationalen Gewand. Damit will ich nicht Nationalsozialismus unterstellen. man wird Sahra und ihr Welche Ihrer Versprechen sie alle fallen läßt. Bei der Brandmauer hat sie schon mal die erste Kehrtwende hingelegt.

Ihr Kommentar zu diesem Artikel

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.