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Ein Jahr Groko - Das Monster kann laufen

Ein Jahr ist die Groko heute alt, und siehe da: Das Ungetüm hat große Schritte gemacht. Manche allerdings auch rückwärts. Doch wider alle Erwartung hat Schwarz-Rot effektiv und weitgehend streitlos regiert. Doch der Streit muss noch kommen – im Sinne der Demokratie

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagte sich leicht vor einem Jahr, die Große Koalition für eine Zangengeburt zu halten. Ein Ungetüm, zu groß, zu unbeweglich für eine lebhafte Demokratie. Vor allem auch zu teuer, weil die die letzten Grokos mächtige Schuldenlöcher fraßen.

Zwei Schritte vor, einer zurück


Wir fragten uns vor einem Jahr, als klar war, dass wieder eine Groko entsteht, wem dieses Ungetüm diesmal wohl am ähnlichsten sehen würde. Im Entstehungsprozess, also während der Verhandlungen, schien eindeutig die SPD dominant und die Union rezessiv. Als dann die Groko dann tatsächlich das Licht der Welt erblickte, konnten bei genauerer Betrachtung durchaus die Gene der Union, genau genommen der CDU und noch genauer der Merkel'schen Politik entdeckt werden.

Nun ist die Groko eins. Zweifellos ist sie kein Ungeheuer, das nicht laufen kann. Sie hat etliche Schritte hinter sich, vorzeigbare Ziele erreicht – was immer man von den einzelnen auch halten mag. Sogar Historisches ist dabei: Die „schwarze Null“. Der Haushalt für 2015 ist der erste seit 46 Jahren, der ohne Neuverschuldung zumindest geplant ist. Und das – wie es derzeit aussieht – tatsächlich ohne Steuererhöhung. Hier hat die Union sich durchgesetzt. Da ist der Groko also ein großer Vorwärtsschritt gelungen.

Aber zugleich hat sie zwei Schritte zurück gemacht. Mitschuldig ist die vermeintlich so auf das Sparen fixierte Union nämlich auch für gewaltige Belastungen, die freilich erst die kommenden Jahrgänge spüren werden: Denn sie hat im Bund mit der SPD das milliardenteure Rentenpaket geschnürt. Sie hat die Mütterrente ermöglicht und – was vor allem das Ausland verblüfft – die Möglichkeit der abschlagsfreien Rente mit 63 Jahren. Klar, das gilt nur für Versicherte, die 45 Jahre gearbeitet haben. Doch was für ein Signal ist das an all jene Staaten Südeuropas, denen Merkel neben Sparen auch strenge Arbeitsmarktreformen diktiert?

Auf der Haben-Seite die geringe Arbeitslosigkeit, auf der Soll-Seite die Maut


Die SPD wiederum hat ihren Mindestlohn erreicht und im Grunde auch die Frauenquote durchgesetzt. In beidem ist noch nicht absehbar, wie sinnvoll es tatsächlich für den Arbeitsmarkt sein wird. Es mag sein, dass die Warner aus der Wirtschaft hier hysterisch alarmiert haben. Aber wahr ist auch, dass in wirtschaftlich trüben Zeiten der Mindestlohn Arbeitsplätze kostet.

Doch derzeit herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Noch nie waren so viele Menschen in Deutschland erwerbstätig: 43 Millionen. Und weil das eine halbe Million mehr sind als noch vor einem Jahr, kann die Groko auch das auf der Haben-Seite in ihrer ersten Jahresbilanz verbuchen.

Auf der Soll-Seite steht, sehr zum Verdruss der CSU, noch immer die Pkw-Maut. Selbst wenn sie nun käme, und das ärgert die CSU so sehr, dann gäbe es dafür kein Lob. Denn das Projekt ist so zerschreddert in der öffentlichen Wahrnehmung, dass eine stattliche halbe Milliarde Euro Mehreinnamen pro Jahr für die Infrastruktur kaum gewürdigt würden. Wenn jeder sagte, das wird sowieso nichts, mag am Ende niemand das Gegenteil bewundern.

Die Lehren aus Schwarz-Gelb ernst genommen


Offen ist auch noch der Klimaschutz, der mit der erst forschen und dann ziemlich verfahrenen Energiewende kollidiert. Ungelöst ist auch noch die digitale Agenda. Bis 2018 soll nicht nur jeder Haushalt einen schnellen Internetanschluss haben, sondern auch Schulen und Hochschulen sollen durch eine Hightech-Strategie modernisiert dastehen. Ebenfalls ist „Industrie 4.0“ ein Projekt, das die Groko noch umsetzen will.

Nach einem Jahr jedoch hat sie tatsächlich etliches abgearbeitet. Ihre größte Leistung ist, sich nicht zerstritten zu haben. Das ist die Lehre aus Schwarz-Gelb, wo nach dem Start die Stimmung schon vergiftet war durch Gurkentruppen- und Wildsau-Vokabular.

SPD und Union werden auch ernsthaft streiten. Spätestens zur nächsten Bundestagswahl müssen sie das. Denn regierten sie über 2017 hinaus weiter zusammen, fügten sie – was immer sie an erfolgreicher Politik zustande brächten – einer lebhaften parlamentarischen Demokratie Schaden zu.

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