- Einzigartig auf der Welt
Die Gründung der Bundespressekonferenz vor 65 Jahren sollte Informationsgleichheit für alle Medien herstellen, ganz gleich wie mächtig oder unbedeutend sie sind. Sie ist bis heute ein Garant für Pressefreiheit
Es sagte sich immer leicht, wir seien ein junger Staat. Aber wäre die Bundesrepublik Deutschland einer ihrer Bürger, dann hätte sie nun, im Alter von 65 Jahren und fünf Monaten, das aktuelle Renteneintrittsalter sogar schon überschritten. Im weltweiten Vergleich zählt die Bundesrepublik damit zu den alten Staaten. Die meisten Republiken der Erde sind weit jünger.
Nun wurden laufend 65. Jubiläen aus dem Geburtsjahr unseres Landes gefeiert. Zu Recht, denn das sind über die Jahreszahl hinaus wirklich viele Anlässe zum Feiern, weil diese ganzen Anfänge trotz Trümmer, Armut und begründeter Scham ideal verliefen. Der Start des Staats war Moderne durch und durch. Es begann mit der Verabschiedung des Grundgesetzes am 23. Mai 1949. Wegen dieser Konstitution ist der Staat noch immer einer der ausgewogensten der Welt. Schon an der ersten Bundestagswahl am 14. August 1949 beteiligten sich wider aller Erwartung an ein bis dato demokratieunerfahrenes Volk fast 80 Prozent der Wahlberechtigten – und schickten zwölf Parteien und Gruppierungen ins Parlament. Dennoch konnte dort am 14. September 1949, wenn auch nur mit einer – Adenauers – Stimme Mehrheit, der erste Bundeskanzler gewählt werden.
Am selben Tag hatten die Bonner Politikberichterstatter eine revolutionäre Idee, die sie einen Monat später verwirklichten: die Gründung der Bundespressekonferenz. Auch sie ist soeben 65 geworden und wurde vom Bundespräsidenten als tragende Säule unserer Demokratie bezeichnet: „Die Bundespressekonferenz hat sich eine Schlüsselposition im demokratischen Diskurs erobert – und erhalten. Sie ist eine der institutionellen Grundlagen dafür, dass die Hauptstadtpresse ihre Rolle als Teil der vierten Gewalt effizient ausüben kann. Sie ist gelebte Pressefreiheit. Sie ist auch einer der Garanten dafür, dass die Bevölkerung am Prozess von Information und Willensbildung teilnehmen kann.“
Nun könnte Joachim Gauck als Laudator vor der Hauptstadtpresse bloß besonders freundliche Worte gesucht haben. Doch ihm war bei der Vorbereitung seiner Rede selbst erst richtig klar geworden, wie einzigartig auf der Welt diese deutsche Institution ist. „Andernorts äußern sich Regierungsvertreter meist nur dann, wenn sie es für richtig halten – zu Themen, die sie formulieren, an Orten, die sie für geeignet befinden und vor einem Teilnehmerkreis, den sie festlegen.“ Der vielgereiste Gauck sprach hier aus eigener Erfahrung, schließlich erlebt er das genauso sogar in Demokratien, die viel älter sind als unsere.
Journalisten sind die Herren im Ring
Wird es Amerikas Präsident zu bunt mit dreisten Fragen, kann er einfach sagen: „Last question please.“ Auch Frankreichs Präsident und Großbritanniens Premierminister können auf diese Weise hungrigen Medienleuten vom Grill springen – in keinem Land können die Regierenden gezwungen werden, sich allen Fragen zu stellen. Außer in Deutschland, eben wegen dieses so sonderbar offiziös klingenden Vereins namens Bundespressekonferenz.
Alle für politische Berichterstattung akkreditierten Journalisten können Mitglied werden, heute sind es etwa 930. Das Ziel der BPK vor 65 Jahren war es, Informationsgleichheit für alle Medien herzustellen, ganz gleich ob sie groß und mächtig oder klein und unbedeutend sind. Hintergrundkreise und Freundschaftsklüngel sollten auf diese Weise überflüssig werden. Das gelang freilich nicht. Denn solche Treffen gibt es nach wie vor. Dennoch wird die urdemokratische Gründungsidee auch heute noch umgesetzt – und dieser Diskurs ist transparent.
Dreimal pro Woche treten die Sprecher aller Bundesministerien an. Montags, Mittwochs und Freitags stellen Sie sich den Fragen der Hauptstadtmedien. Etwa 150 dieser Regierungspressekonferenzen gibt es im Jahr. Hinzu kommen jährlich zig weitere, zu denen die Kanzlerin selbst, ihre Minister und auch die Opposition oder Verbandsvertreter eingeladen werden.
In der Bundespressekonferenz bestimmen allein die Journalisten, zu welchen Themen was gefragt wird, wer fragt, und auch, wann Schluss ist. Natürlich können die Regierenden zusätzlich zu eigenen Pressekonferenzen einladen, was sie auch tun. Doch wer von den Spitzenpolitikern bei der Bundespressekonferenz nicht mitmacht, wird sich erfahrungsgemäß auch nicht lange oben halten, sagte Gregor Mayntz, der Vorsitzende der Bundespressekonferenz, dem ZDF.
Nur ein einziges Mal beendete der Gast die Bundespressekonferenz: Bundesverkehrsminister Reinhard Klimmt hatte im Jahr 2000 genug von den Fragen nach Ungereimtheiten seiner Arbeit als Fußballpräsident des 1. FC Saarbrücken – wenige Tage später war er kein Minister mehr. Elf Jahre später verließen die Journalisten selbst erbost den Saal. Denn der wegen seiner Plagiats-Doktorarbeit bedrängte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte nur seinen Sprecher zu ihnen geschickt, während er zeitgleich im eigenen Haus eine Pressekonferenz gab. Auch er war kurz darauf alle Ministerwürden los.
Minister bitten ebenso von sich aus um Einladungen, wenn sie etwas verkünden wollen. Angela Merkel saß bereits 18 Mal vor der blauen Wand im Haus der Bundespressekonferenz an der Spree. Auch all ihre Vorgänger kamen immer. Nur der Bundespräsident steht – außer als Festredner – traditionell nie auf der Einladungsliste. Er jedoch krönt das Wirken der Bundespressekonferenz mit den Worten: „Presserecht als Bürgerrecht.“
Eben erst saß Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel wieder vor der Bundespressekonferenz in Berlin – es ging um die schwächelnde Konjunktur. Es war sein 24. Auftritt dort, damit zählt Gabriel zu den häufigsten Gästen. „Herzlichen Glückwunsch“ sagte er zu den anwesenden Journalisten. „Für 65 Jahre sehen Sie ganz schön jung aus.“ Es sollte wohl nur ein kesser Scherz sein. Doch der Vizekanzler sagte damit einen wahren Satz, der nicht nur für diesen Grundpfeiler der Republik gelten kann.
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