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Politikerkarrieren - Vier Regeln auf dem Hochseil der Macht

Fachwissen stört nicht, wenn Politiker Karriere machen. Weitaus wichtiger aber sind für Spitzenpolitiker andere Qualitäten

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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An Selbstbewusstsein mangelt es Ursula von der Leyen nicht. Sie lächelt viel und redet gerne. Sie traut sich, in der Politik heiße Eisen anzupacken, ohne Rücksicht auf die Grundüberzeugungen ihrer Partei. Sie ist forsch, wirkt zuweilen arrogant. Ihre politische Karriere vollzog sich im Eiltempo. Innerhalb von zehn Jahren stieg sie von einer einfachen Stadträtin im niedersächsischen Sehnde zur CDU-Hoffnungsträgerin und einer der beliebtesten Politikerinnen Deutschlands auf. Wenn die CDU in ein paar Jahren eine Nachfolgerin für Bundeskanzlerin Angela Merkel sucht, dann ist die 55jährige eine heiße Kandidatin. Als erste Frau an der Spitze der Bundeswehr fremdelte sie nur kurz.

Und trotzdem fragen sich viele, geht das? Wie kann eine Frau, die sich bislang mit Gedöns-Themen beschäftigt hat, in der Regierung für Frauen-, Familien, und Sozialpolitik zuständig war, wie kann eine solche Frau in der harten, kriegerischen und Testosteron gesteuerten Soldatenwelt bestehen?

Wie kann es sein, dass Spitzenpolitiker ihre Ressorts wechseln, wie andere Menschen ihre Urlaubsziele? Wie kann aus dem CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der Krankenhäuser bislang nur als Patient kannte, ein guter Gesundheitsminister werden? Warum vertraut die SPD das Umweltministerium ihrer bisherigen Schatzmeisterin Barbara Hendricks an, obwohl es in der Partei eine ganze Reihe profilierter Umweltpolitiker gibt. Wie konnte die CSU auf die Idee kommen, ihren bisherigen Innenminister Hans-Peter Friedrich zum Landwirtschaftsminister zu machen?

Natürlich kann Fachwissen nicht schaden, wenn ein Politiker ein Ministerium übernimmt. Natürlich kann es sinnvoll sein, sich auf die Übernahme eines Ministeramtes fachlich vorzubereiten. Die neue Arbeitsministerin Andrea Nahles zum Beispiel hat dies über Jahre getan. Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat sogar in Merseburg eine Hochschule geleitet, bevor sie in die Wissenschaftspolitik gewechselt ist.

Aber die Frage, ob ein Spitzenpolitiker in seinem Amt erfolgreich bestehen kann, hängt nicht so sehr vom Fachwissen ab. Bundesminister absolvieren einen Höllenjob. Sie stehen sieben Tage die Woche unter öffentlicher Beobachtung. Sie arbeiten viel und schlafen wenig. Politik auf diesem Niveau ist ein permanenter Hochseilakt. Ein falsches Wort am falschen Ort kann die Karriere kosten, das falsche Thema die Beliebtheitswerte zum Absturz bringen. Der bröckelnde Rückhalt in der Partei kann sich schnell zur gefährlichen Intrige ausweiten.

Wer als Spitzenpolitiker auf dem Hochseil bestehen will, der braucht deshalb nicht so sehr Fachwissen. Fachwissen stört nicht, wenn Politiker Karriere machen, aber viel wichtiger sind andere Qualitäten. Minister sind politische Manager der Macht, als solche müssen sie, wenn sie sich behaupten wollen, vor allem vier Regeln beachten. Völlig unabhängig davon, welches Spitzenamt sie bekleiden.

1. Fokussierung auf die wichtigen Themen

Die Minister sind so etwas wie die Außenminister ihrer Ressorts, zuständig für die Darstellung eines Politikfeldes in der Öffentlichkeit und für die politischen Initiativen. Sie müssen nicht über jedes Problem Bescheid wissen, über jedes Detail des Fachgebietes. Dafür haben sie einen großen Apparat und ihre Staatssekretäre. Für einen erfolgreichen Minister reicht es, sich auf drei vier Projekte und Initiativen zu konzentrieren sowie die wesentlichen politischen Grundlinien des Ressorts vorzugeben. Zuviel Detailverliebtheit hingegen lenkt nur ab. Expertise lässt sich jederzeit heranschaffen. In den Ministerien gibt es Fachleute für alles und jedes. Und wenn das nicht reicht, werden Beratungsfirmen oder Wissenschaftler engagiert.

2. Professionelle Öffentlichkeitsarbeit 

In der Politik und in der Mediendemokratie gilt das Motto, tue Gutes und rede darüber. Die Öffentlichkeit muss von einem Spitzenpolitiker gezielt gesteuert und beeinflusst werden, vor allem dann, wenn politische Initiativen geplant sind und Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht werden sollen. Die Medien wollen mit immer neuen Geschichten bei Laune gehalten werden. Zufrieden sind die Journalisten, wenn sie mit tatsächlichen oder vermeintlichen Exklusivgeschichten versorgt werden oder wenn es menschelt. Die Pressestellen der Ministerien sind dafür längst zu großen Stabstellen ausgebaut worden. Zudem verfügen Minister über riesige PR-Etats. Mit effektivem PR-Management kann sich der Politiker mit jedem Thema in Szene setzen.

3. Effektives Krisenmanagement

Ob ein Politiker sein Handwerk versteht, zeigt sich vor allem dann, wenn politische Konflikte eskalieren, wenn völlig unvorhersehbare politische Katastrophen über einen Minister hereinbrechen oder wenn die Medien an persönlichen Skandalgeschichten stricken. Dann ist effektives Krisenmanagement und reibungslose Krisen-PR gefragt. Weht dem Minister der Wind ins Gesicht, muss die Maschine schnurren. Ob dies gelingt, hängt nicht vom Fachgebiet oder Ressort ab, sondern davon, dass die Regeln des PR-Gewerbes beherrscht werden. Noch besser jedoch sind ein funktionierendes Frühwarnsystem und proaktives Handeln. Denn die meisten Probleme lassen sich effektiver aus der Welt schaffen, solange die Schlagzeilen noch klein sind.

4. Innerparteiliche Vernetzung

Kein Spitzenpolitiker würde je vergessen, wem er Karriere, Amt und Macht verdankt: der Partei. Und jeder Spitzenpolitiker weiß deshalb, er muss die Partei, die einfachen Mitglieder und die vielen Funktionäre gleichermaßen bei Laune halten. Die meisten Politiker stürzen nicht über Skandale, sondern über den schwindenden Rückhalt in den eigenen Reihen. Wenn sich Parteifreunde abwenden, hinter vorgehaltener Hand lästern oder im verborgenen Intrigen stricken, dann nützt auch die beste Krisen-PR nichts mehr. Parteitage sind für Minister deshalb genauso Pflicht, wie regelmäßige Besuche an der Basis. Die Fachpolitiker im Parlament wollen die Nähe zur Macht genauso genießen, wie die vielen kleinen Funktionäre in der Partei. Ein funktionierendes innerparteiliches Netzwerk ist für einen Spitzenpolitiker eine innerparteiliche Machtbasis, eine Jobgarantie, die ihn von Posten zu Posten zu trägt.

Politiker werden in ihrer politischen Karriere darauf getrimmt, diese vier Regeln der Macht zu beachten. Nur wer sie virtuos beherrscht, schafft es auf das Hochseil. Und wer es schafft, dort oben politisch zu überleben, kann die unterschiedlichsten Ämter übernehmen. Deshalb konnte Hermann Gröhe in der Großen Koalition Gesundheitsminister werden, Barbara Hendricks Umweltministerin und Ursula von der Leyen Verteidigungsministerin. Das bisschen Fachwissen, das sie auch noch brauchen, lässt sich schnell aneignen. 

 

 

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