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Eurokrise - Auch Spanien wird den Rettungsschirm verlassen

Nach Irland wird nun auch Spanien bald auf eigenen Beinen stehen: Im Januar soll das Land den Euro-Rettungsschirm verlassen. Das will Regierungschef Mariano Rajoy noch in dieser Woche verkünden. Wie haben die Spanier das geschafft?

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagte sich leicht Anfang des Jahres, dass der Euro untergehen werde und mit ihm die EU. Sagte! Als die Lage der Südländer noch ausweglos zu sein schien: Portugal, Irland, Griechenland und Spanien, PIGS wurde dieser Reigen genannt – und gemeint war: die armen Schweine Europas.

Notgeschlachtet oder ausgesetzt wurde keines, gepäppelt mit reichlich Krediten jedes von ihnen. Mit gewissem Erfolg: Portugal und Griechenland haben jedenfalls als Demokratien überlebt, deren Regierungen die stramme Leine der Troika akzeptierten. Vor allem aber können Irland und Spanien stolz verkünden, dass sie ab 2014 nicht mehr den Schutz des Euro-Rettungsschirms brauchen.

Irland hat den ESM-Schirm bereits verlassen. Am dritten Advent fühlte es sich nach vier Jahren Sorge und eisernen Sparens sowie fast 70 Milliarden Euro Hilfskredit wieder fit genug für eine eigene Zukunft.

Auch aus Madrid gibt es gute Nachrichten. Jetzt am Freitag trifft sich das Kabinett zur letzten Sitzung vor Weihnachten im Regierungspalast „La Moncloa“. Regierungschef Mariano Rajoy wird da den Wendepunkt verkünden können – und zwar einen für die ganze EU: Am 23. Januar 2014 wird Spanien den Rettungsschirm verlassen!

Wirtschaftsminister Luis de Guindos kann sein Siegergrinsen aufsetzen. Denn er hatte vor zwei Jahren, als die Krise erst richtig los brach und Spanien unter den Rettungsschirm schlüpfen musste, dramatisch ausgerufen: „Die Schlacht um den Euro wird in Spanien geschlagen!“

Noch vor einem Jahr hätte die spanische Regierung selbst nicht geglaubt, dass nun schon diese Schlacht geschlagen sein soll. Bevor Rajoy und seine konservative Volkspartei im Winter 2011 mit absoluter Mehrheit gewählt wurde, hatte er zwar im Wahlkampf baldige Besserung und kurze Wege aus der Krise versprochen. Doch die Wahrheit sah anders aus.

Jeder vierte Spanier ist arbeitslos


Ratlos war das Team um Rajoy und zierte sich, Geld aus Brüssel zu nehmen. Erst als der Absturz des ganzen Landes drohte, weil die drei verstaatlichten Großbanken wankten, akzeptierte man die Nothilfe aus Brüssel: von den möglichen 100 Milliarden Euro nahm Spanien 41,5 Milliarden als Kredit auf und brachte damit seine Banken wieder auf Kurs. Die sollen nun, wie es auch in Irland funktioniert hat, reprivatisiert werden. Mit dem Gewinn sollen die Schulden an die EU zumindest teilweise beglichen werden binnen der nächst zehn Jahre.

Klingt alles ganz einfach. Aber Vorsicht! Rajoys Regierung hat enorm an Popularität eingebüßt. Die Parteispendenaffären und laufenden Gerichtsverfahren wegen Bestechung sind weniger der Grund für den Absturz in den Umfragen. Der Grund ist die Krise des Landes.

Jeder vierte Spanier ist arbeitslos, eine Million Jobs haben Rajoys Reformen gekostet. Die Mehrwertsteuer wurde von 18 auf 21 Prozent erhöht. Zugleich sind die Löhne spürbar gesunken – in Spanien sind die Arbeitskräfte bis zu 20 Prozent billiger als sonst in der EU – dem Durchschnitt nach. Traditionell arme Regionen wie das Baskenland, Andalusien und Navarra sind davon sichtlich betroffen. In den Supermärkten sind vollgepackte Einkaufswagen kaum mehr zu sehen. Aber das gilt auch für das an sich reiche Katalonien, weshalb sich dort nun erst recht viele von der verhassten Zentralregierung lossagen wollen.

Für das ganze Land gilt: Von dem nachweislichen Wachstum – nach neun Quartalen Rezession nun wieder das erste mit Zahlen über der Null – spüren die Spanier noch nichts. Rajoy sagt, eben das sei sein Ansporn. Er müsse die zwei Jahre bis zur nächsten Wahl dazu nutzen, das Land dauerhaft zu stabilisieren. Als Vorbild gilt die deutsche Agenda 2010. Das wird jedoch öffentlich selten gesagt, weil Rajoy natürlich nicht Schröders Schicksal erleiden, sondern Ende 2015 wiedergewählt werden will.

Drei gigantische Probleme muss er bis dahin in den Griff bekommen: die Arbeitslosigkeit senken, das Staatsdefizit und die öffentliche Verschuldung abbauen und das spanische Wirtschaftsmodell ändern. Aus der Immobilienflut ist eine Dürre geworden. Die spanische Regierung macht das in Zahlen deutlich. Wurden im Jahr 2006 zum Höhepunkt des Baubooms noch 700.000 Wohnungen gebaut, waren es 2013 bloß 50.000. Es heißt am Kabinettstisch in Madrid, wenn wieder 150.000 Wohnungen im Jahr gebaut würden, sei das eine gesunde Zahl.

Genau damit hängt das Hauptproblem zusammen: die Arbeitslosigkeit. Sie ist mit die höchste in der EU. Um sie zu senken, soll die Tarifpolitik gelockert und mehr Teilzeitarbeit möglich werden. Es soll nicht nur besser, sondern überhaupt mehr ausgebildet werden. Wegen des Baubooms vor einem Jahrzehnt haben immer mehr Jugendliche ihre Schule abgebrochen, weil sie am schnellen Geldverdienen beteiligt werden wollten. Diese Ungelernten sind heute das eigentliche Problem für den heimischen Arbeitsmarkt. Denn die Fachkräfte können sich Jobs im Ausland suchen.

Anzeichen für einen Weg bergauf


Rajoy und seine Leute machen den Eindruck, als wollten sie diese Probleme tatsächlich angehen. Das Ende der Rezession gebe ihnen die Kraft dazu, sagen sie. Denn noch nie zuvor sei es Spanien gelungen, wieder Wachstum zu generieren, ohne dass – wie vor der Euro-Einführung üblich – die Währung abgewertet wurde.

Es ist längst nicht ausgemacht, dass Spanien das Tal wirklich durchschritten hat. Aber Anzeichen für einen Weg bergauf gibt es. Das gilt für Spanien wie für Irland und auch für Portugal. Griechenland und Zypern werden auf Dauer schwach bleiben. Aber selbst sie scheinen zumindest ansatzweise in der Lage zu strukturellen Reformen, wie sie Deutschland auf seine Weise vorgemacht hat. Reformen, welche Frankreich bislang verweigert – was das eigentliche Problem der EU 2014 werden könnte.

Die PIGS jedenfalls haben im Jahr 2013 bewiesen, dass das hochumstrittene Investment in sie richtig war. Übrigens in jeder Hinsicht. Eben erst meldete das Bundesfinanzministerium: Die beiden Euro-Rettungsfonds EFSF und ESM erzielen dank der Zinszahlungen für Hilfskredite Gewinne. Der dauerhafte Rettungsfonds ESM, der zuvor Verluste machte, wies nun ein Plus von rund 185,7 Millionen Euro aus. Der zeitlich befristete Fonds EFSF konnte sogar seinen Gewinn um 5,7 Millionen auf rund 74 Millionen Euro erhöhen.

Mit anderen Worten: Gesegnete Weihnachten, EU!

Wulf Schmiese hat Mariano Rajoy in Madrid getroffen. Sein Porträt über Spaniens Regierungschef steht in der Januar-Ausgabe des Cicero. Das Magazin erhalten Sie ab sofort im Onlineshop oder ab Donnerstag am Kiosk.

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