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AfD - Warum die Eurogegner mit am Koalitionstisch sitzen

Im Mai des kommenden Jahres will die AfD ins Europaparlament einziehen. Aber ein Selbstläufer ist dies nicht. Über die Zukunftschancen der Eurogegner entscheiden auch die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es ist wieder ruhig geworden um die Alternative für Deutschland, um jene Partei von Eurogegner die bei der Bundestagswahl am 22. September mit 4,7 Prozent eine politische Sensation knapp verpasst hat. Die AfD diskutiert über ein Programm, dass über die Ablehnung des Euros hinaus geht und sie streitet über die Abgrenzung nach rechtsaußen. Die innerparteilichen Richtungskämpfe finden allerdings wieder weitgehend außerhalb der Medienöffentlichkeit statt. Derweil ist Bernd Lucke an seinen volkswirtschaftlichen Lehrstuhl an der Universität Hamburg zurückgekehrt, zumindest in Teilzeit. Statt Reden hält der Professor wieder Vorlesungen.

Rosige Zukunft für die Eurokritiker

Nur der Bundespräsident sorgt für etwas billige mediale Aufregung um die Partei der Eurokritiker. Bei einer Diskussionsveranstaltung in Frankfurt (Oder) hatte Joachim Gauck kürzlich erklärt, er sei „sehr dankbar“, dass im Bundestag keine populistischen Parteien vertreten seien und damit offensichtlich die AfD gemeint.  Bernd Lucke gibt sich empört, weil das Staatsoberhaupt seine Neutralitätspflicht verletzt habe und droht sogar mit rechtlichen Schritten. Auch das Etikett populistisch gefällt dem AfD-Chef nicht, schließlich würde er lieber das Erbe der FDP antreten.

 

 

Die nahe Zukunft scheint für die AfD indes rosig auszusehen. Irgendwie gehen alle politischen Beobachter und selbst der Bundespräsident davon aus, dass es für die Partei ein Kinderspiel sein wird, im kommenden Jahr in das Europaparlament einzuziehen. Zumal es bei der Europawahl am 25. Mai in Deutschland nur eine Drei-Prozent-Hürde gibt. Brüssel soll für die AfD die nächste erfolgreiche Etappe bei dem Versuch sein, das bundesdeutsche Parteiensystem aufzumischen.

Dabei ist der Sturm auf Brüssel für die Eurokritiker alles andere als ein Selbstläufer. Der Parteiaufbau  kommt jetzt in seine entscheidende Phase. Nach dem Wahlkampf muss sich die Partei nun zusammenraufen, ein politisches Profil und politische Strukturen entwickeln. Das birgt erhebliche politische Sprengkraft. Auch die Frage, wie deutlich sich die Partei gegen den rechten Narrensaum, gegen Demokratiefeinde, Rassisten und rechte Verschwörungstheoretiker abgrenzt, ist nicht geklärt. Die Gefahr, dass rechtsextreme U-Boote die honorige Professorentruppe in Verruf bringen, ist groß.

Keine Partei rechts von der Union

Zum dem werden CDU und CSU sicherlich nicht tatenlos zusehen, wie die AfD in ihren politischen Gefilden wildert und sich zur politischen Alternative für konservative Wähler, die mit dem Kurs der Merkel-CDU unzufrieden sind, mausert. Die politischen Strategen der Schwesterparteien wissen sehr genau, sie verdanken ihre einzigartige Vormachtstellung im bundesdeutschen Parteiensystem auch der Tatsache, dass es ihr anders als der SPD über Jahrzehnte gelungen ist, parteipolitische Konkurrenz im eigenen Lager zu verhindern. Noch gilt in der Union das Wort des legendären CSU-Vorsitzenden Franz-Josef Strauss, rechts von der Union dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben.

Aber die Gefahr, dass sich dies ändert, ist so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Erstens ist der Union bei der Bundestagswahl mit der FDP jener natürlicher Koalitionspartner abhandengekommen, den die bürgerlichen Wähler stärken können, wenn CDU und CSU mit der SPD koalieren müssen.

Zweitens stehen in Sachen Euro-Rettung neue unpopuläre Entscheidungen an, die der AfD in die Hände spielen. Der Kanzlerin wird es kaum gelingen, alle unpopulären europäischen Entscheidungen auf die Zeit nach der Europawahl zu verschieben.

Rechtsruck der CDU?

Drittens ist der politische Spagat, den CDU und CSU in der Großen Koalition vollführen müssen, groß. In der Sozialpolitik und in der Gesellschaftspolitik muss die Union auf die SPD zu gehen, weiter nach links rücken. Die Sozialdemokraten wollen sich ihre Zustimmung zu einem Bündnis mit der Union etwa mit Zugeständnissen bei der Arbeitsmarktpolitik, beim Mindestlohn oder der doppelten Staatsbürgerschaft abkaufen. Doch um die konservativen Wähler bei Laune zu halten, wird es nicht reichen, am Betreuungsgeld festzuhalten.

Man darf also getrost davon ausgehen, dass im Konrad-Adenauer-Haus längst über zwei Fragen nachgedacht wird: Wie lässt sich die AfD als unseriös, gefährlich oder gar rechtsextrem diskreditieren und mit welchem Zuckerli können konservative Wähler von CDU und CSU zurückgewonnen werden?

Bereits im Wahlkampf hatte Merkel in einem Interview mit den Sendern Phoenix und Deutschlandfunk öffentlich darüber nachgedacht, ob es nicht nicht überlegenswert wäre, Kompetenzen aus Brüssel in die Nationalstaaten zurückzuverlagern. Es wäre also keine Überraschung, wenn sich die Union jetzt daran erinnern würde. Auch die Einführung einer PKW-Maut für Ausländer wäre ein Signal der Renationalisierung, das bei konservativen Wählern ankäme. Die AfD sitzt also heimlich mit am Tisch, wenn CDU und CSU in diesen Tagen mit der SPD über die Bildung einer großen Koalition verhandeln.

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