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Koalitionen - Die Zukunft der CDU heißt Schwarz-Grün

SPD oder Grüne? Mit wem koaliert Angela Merkels Union? Eine Entscheidung für die Grünen, wäre eine Entscheidung für die Zukunft von CDU/CSU als Regierungsparteien. Für Merkel ist es die letzte Chance, die Grünen aus der absehbaren Phalanx mit SPD und Linken herauszubrechen

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Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Es sagt sich leicht, die Union habe nun die Wahl zwischen Pest und Cholera, also zwischen Rot und Grün. Bei aller Flapsigkeit: Das ist eine unverschämte Metapher, weil sie demokratische Parteien schmäht - und damit unsere gesunde Demokratie.

Zudem ist der Vergleich grundfalsch. Denn die Union hat nun die Wahl zwischen Land und Partei. Entscheidet sie sich für das Land, geht sie mit der SPD. Entscheidet sie sich für die Zukunft von CDU und CSU als Regierungsparteien, was sich später auch als Entscheidung für das Land erweisen kann, muss sie mit den Grünen gehen.

Für jede der beiden Möglichkeiten gibt es ehrbare Argumente. Und jede bietet Chancen für die unmittelbare wie die langfristige Zukunft der Union - anstatt „schwarzer Tod“ (Pest) oder „rasche Austrocknung“ (Cholera).

Große Koalition bedeutet für die Union Machtverzicht

Diese Chancen müssen nun in den Sondierungsgesprächen ausgelotet werden. Dabei wird allen Beteiligten klar sein: So oder so verlangt die Entscheidung ein Stück weit Selbstlosigkeit. Für die regierende Union bedeutet das Machtverzicht. Weil Verhandlungen Kompromiss um Kompromiss verlangen, das Wesen der Demokratie.

Bei einer Koalition mit der SPD wäre dieser Machtverzicht von Beginn an augenscheinlich. Denn dieses Bündnis würde bedeuten: weniger Posten für CDU und CSU, auch weniger eigene Programmatik. Es gibt bislang das Kanzleramt und 14 Ministerien zu besetzen. Eine starke CSU will bedient werden, und gewiss würde eine SPD mit ihrem Volkspartei-Anspruch mehr verlangen, als es die FDP trotz heute unfassbar erscheinender 14,6 Prozentpunkte von 2009 versuchte.

Die Union wird sich damit wehren, dass der reine Abstand damals zwischen CDU/CSU und FDP mit 19,1 Prozentpunkten nur unwesentlich größer war als heute zwischen CDU/CSU und SPD mit 15,8 Prozentpunkten.

Die „Fifty-fifty“-Forderungen aus der SPD lohnen daher nicht einmal, ernsthaft zitiert zu werden. Der gesamten sozialdemokratischen Führung ist die dreiste Postengier des Sprechers der Partei-Rechten, Johannes Kahrs heißt er, ausgesprochen peinlich. Das wird für das Gegenteil von Geschick gehalten. Prominente nennen den eigenen Genossen „saudumm“.

Für die Union gilt auch der Posten des Bundesfinanzministers als nicht verhandelbar, den Kahrs gleich mal mit für die SPD verlangt. War doch 2005 auch so, bollert der sein Argument durch den Äther. Doch die Union stellt dagegen, dass dies vor der Weltfinanzkrise war. Inzwischen habe der Bundesfinanzminister bei etlichen EU-Treffen eine Entscheidungsbefugnis wie ein Regierungschef selbst. Da könne es hochgefährlich sein für den Kurs Europas, wenn ausgerechnet Regierungschefin und Finanzminister des mächtigsten EU-Staats innenpolitische Machtspielchen wagen würden.

Ohne Schäuble und jedes zweite Ministerium zu opfern, wäre eine große Koalition für die Bundeskanzlerin die leichtere Wahl. Schon, weil der mächtige Horst Seehofer dafür ist und der gescheiterten FDP im Nachhinein Recht gibt, ein „schwarzlackierter Sozialdemokrat“ zu sein. Dieser Vorwurf hat ihn übrigens nie verletzt. Er leitete über Jahre die CSA, die Christlich Soziale Arbeitnehmerschaft. Friedrich Merz, sein alter Gegenpart und Sitznachbar im Bundestag kann etliche Lieder über den roten Horst singen, die gar nicht fröhlich klingen.

Genau betrachtet gibt es viele Seehofers auch in der CDU. Für die war das Streben nach sozialer Gerechtigkeit der Grund, überhaupt Parteimitglied geworden zu sein. Die christlich-soziale Wurzel ist die dickste in der Union neben der kargen liberalen und der gebrochenen konservativen. Ein britischer Tory etwa, der von außen auf Deutschland blickte, würde dort in SPD und Union eher zwei einander sehr ähnliche sozialdemokratische Lager sehen – und die Union nicht als konservatives, wie er es in seiner Heimat mit seiner Partei zur Labour-Party hat.

Mit der SPD ließe sich für die Union weitgehend synchron regieren, effektiv wie geräuschlos. Das haben die Koalitionen von 1966 bis 1969 und von 2005 bis 2009 bewiesen. Merkel würde sich damit also – für die nächste Zukunft jedenfalls - für das Land entscheiden; für eine weitgehend professionelle Mannschaft, die Deutschland bis 2017 unfallfrei lenken könnte.

Grün heißt Zukunft, rot Stabilität

Doch was dann? Wie weiter? Die SPD muss am Ende rauswollen aus dem Bündnis, allein der Demokratie wegen. Österreich zeigt, dass es eine Unwucht für die Demokratie bedeutet, wenn beide Volksparteien ständig miteinander koalieren. Solche Regierungspartner werden von Wahl zu Wahl kleiner und an den oppositionellen Rändern werden populistische Parteien stärker und stärker.

Die SPD wird auch nicht den Anspruch auf das Kanzleramt aufgeben wollen. Sie könnte da schon jetzt einziehen, wenn sie nicht ihr Nein zu Rot-Rot-Grün aufrechterhielte. Sie wird diesen vor der Wahl geleisteten Schwur wohl nicht brechen aus Angst vor zu großem Vertrauensverlust. Aber sie wird diesen Schwur auch nie mehr wiederholen. Spätestens 2017 würde sie ein Bündnis mit der Linken und den Grünen einer Juniorrolle in der großen Koalition vorziehen.

Deswegen wäre eine Entscheidung Merkels für die Grünen eine Entscheidung für die weitere Zukunft von CDU und CSU als Regierungsparteien. Es sieht so aus, als sei jetzt die letzte Möglichkeit gekommen, die Grünen aus dieser absehbaren Phalanx mit SPD und Linken herauszubrechen.

Das wollen vor allem all diejenigen in der CDU, die noch etwas werden wollen. Auffällig ist, dass Landesfürsten wie Thomas Strobl, Armin Laschet, Julia Klöckner, ja selbst der als ultra-schwarz geltende Volker Bouffier auf einmal die Grünen für die eigentliche Verwandtschaft halten. Sie alle sehen ihre Funktionspartei FDP auch in den Ländern sterben und glauben, ohne Grüne an ihrer Seite niemals mehr ihr jeweiliges Bundesland regieren zu können.

Dieses Schicksal würde ab 2017 auch der Union im Bund drohen, käme es nun nicht zu einer schwarz-grünen Regierung. Dann könnte eine für die CDU/CSU bittere Phase beginnen, welche sie 13 Jahre gegen die Kanzler Brandt und Schmidt durchlitten hat: Kanzlerkandidat Kohl holte 1976 sagenhafte 48,6 Prozentpunkte – und blieb mangels Partner Oppositionsführer.

Die Grünen geben sich derzeit alle Mühe, dass es auch diesmal nicht zu Schwarz-Grün kommt. Besonders skeptisch geben sich nun jene, die es sich mit den Linken bei den Grünen nicht verscherzen wollen.

Simone Peter etwa will Parteichefin erst noch werden. Um dieses Ziel nicht zu gefährden, stänkerte sie gegen Schwarz-Grün: „Das Silbertablett der Energiewende ist das eine, der kulturelle Unterschied und die gesamtgesellschaftliche Perspektive das andere.“

Hallo, Frau Peter? Die Welt verlangt, dass Taliban und Mudschaheddin wieder miteinander regieren, Assad mit den Rebellen eine Lösung findet und China die Lebensweise der Tibeter endlich akzeptieren soll. Und bei Ihnen ist es ein „kultureller Unterschied“, der eine Koalition unmöglich macht? Das klingt wie Kahrs in grün. Es zeigt, wie wenig Grüne und Union tatsächlich noch inhaltlich trennt.

Entschiede sich Merkel für Schwarz-Grün, würden ihr das viele in der Union als selbstlos und parteistrategisch anrechnen, weil sie damit vor allem für die Zeit nach ihrer Kanzlerschaft den Weg ebnen würde. Aber sie würde sich selbst die dritte Amtszeit enorm erschweren, allein schon wegen einer dann aussichtslosen Minderheitenposition im Bundesrat. Ein Bündnis mit der SPD könnte sie hingegen nobel rechtfertigen: Erst das Land, dann die Partei.

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