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Bayerns Grünen-Chef - „Die CSU ist nicht zu seriöser Politik fähig“

Bayerns Grünen-Chef Dieter Janecek wirft der CSU Populismus vor. Vor dem ersten Spitzentreffen mit der Union am Donnerstag spricht er über die Hürden für Schwarz-Grün und erklärt, warum seine Partei ein Glaubwürdigkeitsproblem hat

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

So erreichen Sie Petra Sorge:

Herr Janecek, Katrin Göring-Eckardt ist erneut zur Fraktionschefin gewählt worden. Wo ist da jetzt der personelle Neustart der Grünen?
Wir haben mit Anton Hofreiter und Göring-Eckardt eine bewährte Mischung aus neuen und erfahrenen Kräften. Mich hat beeindruckt, wie Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae offensiv für eine inhaltliche Kurskorrektur eingetreten ist, gerade was unser Verhältnis zur Wirtschaft angeht.

Aber auch sonst bleibt alles beim Alten: Cem Özdemir wird wieder Parteichef; Trittin und Roth sind bei den Sondierungsgesprächen mit der Union am Donnerstag dabei.
Natürlich werden wir die inhaltliche und personelle Neuausrichtung auch auf der Bundesversammlung diskutieren; wir werden einen komplett neuen Bundesvorstand und Parteirat wählen.

Göring-Eckardt galt im Wahlkampf als Hoffnungsträgerin der Realos. Stattdessen blieb sie die blasse christliche Sozialpolitikerin.
Wir haben sie heute mit großer Mehrheit als neue Fraktionschefin gewählt. Und ihrer Bewerbungsrede habe ich entnommen, dass sie die ökologische Modernisierung mit der Wirtschaft und den Unternehmen gestalten will und die Klimafrage als zentrale Gerechtigkeitsfrage sieht. Das sind die richtigen Schwerpunkte. Und sie zeigt sich offen für die Debatte, ob es richtig war, mit diesem Finanzkonzept als Priorität Nummer eins in den Wahlkampf zu ziehen. Auch das halte ich für richtig.

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An den Sondierungsgesprächen wird die Reala Kerstin Andreae damit nicht teilnehmen; Göring-Eckardt war in jedem Fall gesetzt. Ist der realpolitische Flügel der Grünen damit geschwächt?
Wieso? Winfried Kretschmann wird bei den Gesprächen dabei sein, und auch Sylvia Löhrmann. Und Kerstin Andreae hat mehr als einen Achtungserfolg erzielt mit ihrem Ergebnis heute.

Mit wem verhandelt die Union am Donnerstag eigentlich: Mit einer Steuererhöhungspartei oder einer, die vor „Steuererhöhungsorgien“ warnt, wie Winfried Kretschmann das ausgedrückt hatte?
Weder noch. Wir wollen gerechter besteuern. Wir wollen höhere Vermögen einbeziehen – das ist nur gerecht und folgerichtig nach der Finanzkrise. Es geht vor allem auch um die Frage, wie wir mit der Wirtschaft zu mehr Ressourceneffizienz und grünen Produktlinien kommen, wie wir die Energiewende in Gang kriegen und als viertgrößte Industrienation der Welt ein Signal setzen als Hoffnungsträger für den Klimaschutz.

Das heißt, die Grünen bleiben bei Steuererhöhungen?
Wir halten natürlich an unserem Programm fest. Gerechtigkeit muss sich auch über Steuern äußern. Und das ist nicht umstritten bei den Grünen. Es fragt sich nur, in welcher Form.

Sie haben die Grünen auf Ihrer Webseite aufgerufen, sich nicht länger links der SPD zu orientieren.
Ja, denn zwischen SPD und Linken ist für eine eigenständige grüne Partei kein Platz. Aber trotzdem führen wir weiter die wichtigen Gerechtigkeitsdiskurse. Wie können wir bessere Infrastruktur und Schuldenabbau gegenfinanzieren? Möglicherweise war das konkret vorliegende Finanzkonzept nicht in allen Punkten das richtige. Aber die Richtung stimmte schon.

Am Donnerstag sitzt auch die CSU mit am Tisch. Sie als bayerischer Landeschef aber nicht. Wissen die Grünen eigentlich, auf was sie sich da einlassen?
Da muss man inhaltlich deutlich sein und klare Kante zeigen. Im Moment torpediert die CSU ja die Gespräche mit uns. Sie führt sich auf wie eine nicht-bürgerliche Partei. Solange dieser Populismus nicht aufhört, geht da gar nichts.

Sie spielen auf die Aussage des CSU-Generalsekretärs Alexander Dobrindt an, die Grünen hätten das Wählervotum nicht ganz verstanden, weil sie mit Jürgen Trittin den „größten Wahlverlierer“ in die Sondierungsgespräche schicken.
Es kann nicht sein, dass eine Partei einer anderen vorschreibt, welche Personen sie in die Sondierungen schickt. Das ist keine Grundlage für Gespräche. So etwas kann man nicht ernst nehmen.

Innenminister Peter Friedrich (CSU) sprach im Zusammenhang mit den Armutseinwanderern nach Deutschland von „Leistungserschleichung“, „Missbrauch von Freizügigkeit“ und forderte eine Wiedereinreisesperre.
Das ist wirklich frappierend. Wenn die Antwort des Innenministers auf das schreckliche Unglück vor Lampedusa noch mehr Kontrolle, noch mehr Schikane ist, dann kommen wir da gar nicht zusammen. Im Moment ist die CSU offenbar nicht zu seriöser, verantwortungsvoller Politik fähig.

Können die Grünen denn das Betreuungsgeld schlucken?
Wenn es zu Verhandlungen kommt, wird jeder seine Forderungen auf den Tisch legen und dann wird man sehen, was rauskommt. Da werde ich nicht schon vorher spekulieren.

Sylvia Löhrmann hat sich schon geäußert: Sie kann sich den Erhalt des Betreuungsgeldes vorstellen.
Wenn die Inhalte stimmen, sind natürlich auch Kompromisse möglich. Darauf kommt es an.

Was wäre denn so ein Inhalt, der unbedingt durch müsste?
Der Klimaschutz. Wir haben gerade den erschütternden UN-Report zur globalen Erwärmung gesehen. Dann: die Energiewende, die Gleichstellung von Lesben und Schwulen, mehr Frauen in Führung durch eine verbindliche Frauenquote.

In Hessen verlief das Sondierungsgespräch zwischen Grünen und CDU äußerst entspannt, obwohl der hessische CDU-Landesverband als besonders konservativ gilt. Was machen denn die Bundes-Grünen falsch?
Zumindest kann man sich den hessischen Fraktionschef Tarek Al-Wazir als Vorbild nehmen. Ich finde es gut, dass er vor der Wahl gesagt hat, dass seine Partei im Zweifelsfall hinterher auch mit der CDU sprechen werde. Das ist der Kurs, für den ich seit Jahren werbe und der sich jetzt abzeichnet: Auch der neue Bundestagsfraktionschef Toni Hofreiter sagt, die Grünen müssten künftig die Inhalte für sich sprechen lassen und gleichzeitig für Rot-Rot-Grün, aber auch  Schwarz-Grün offen sein.

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Vor der Wahl hat Ihre Partei aber noch Schwarz-Grün ausgeschlossen. Veralbern Sie damit nicht Ihre Basis und die Wähler?
Wir haben da in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Das können wir nur auflösen, wenn wir beweisen, dass wir auch bei den Inhalten klar grüne Kernthemen durchsetzen.

Wenn das nicht klappt, dann landen die Grünen in der Opposition. Als kleinste Partei, noch hinter den Linken.
Das ist gar nicht so schlimm, mit unseren Kernthemen Energiewende und ökologischer Wandel würden wir die Große Koalition treiben. Nach dem Ausscheiden der FDP muss zudem klar sein, dass wir nicht die Bevormundungs-, sondern die Freiheitspartei sind. Wir treten für mehr Selbstbestimmung und Datenschutz ein.

Sie sind Landesvorsitzender in Bayern und jetzt neu in den Bundestag gewählt. Werden Sie nächstes Jahr noch einmal für Ihren bayerischen Vorstandsposten antreten?
Mein Ziel ist, die Grünen in Bayern und im Bund besser zu vernetzen. Die beiden Wahlkämpfe liefen nebeneinander, mit unterschiedlichen Botschaften. Das hat uns gerade in Bayern viele Stimmen gekostet. Trotzdem gehe ich aufgrund der Arbeitsbelastung in Berlin nicht davon aus, dass ich nächstes Jahr nochmals antrete. Bis dahin will ich aber noch an erfolgreichen Kommunal- und Europawahlen mitarbeiten.

Sollte es doch zu Schwarz-Grün kommen, auf wie viele Prozentpunkte wird Merkel die Grünen bis 2017 herunterregiert haben: auf sieben Prozent, auf sechs oder noch unter die Fünf-Prozent-Hürde?
Ich glaube, wenn es wirklich zu einem solchen Bündnis kommt, dann nur, wenn wir uns wirklich auf breiter Front mit grünen Kernthemen durchgesetzt haben. Wenn die Inhalte stimmen, hätten wir auch trotz sicher schwieriger Diskussion die Chance, uns in vier Jahren deutlich zu verbessern. Um die Inhalte geht es, nichts anderes: Das gilt es jetzt deutlich zu machen.

Herr Janecek, vielen Dank für das Gespräch.

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