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Gewalteskalation - Sollten die Europäer ihre Hilfen für Ägypten einfrieren?

Der Kampf in Ägypten zwischen Militär und Muslimbruderschaft verschärft sich, erneut starben etliche Menschen. Die Europäische Union ist unsicher, wie sie sich verhalten soll. Am Montag kamen die 28 EU-Botschafter für Beratungen zusammen

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Martin Gehlen ist Journalist und berichtet aus der arabischen Welt.

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In Ägypten droht der Machtkampf zwischen islamistischen Extremisten und den Sicherheitskräften mit unabsehbaren Folgen zu eskalieren. In Brüssel kamen die EU-Botschafter aller 28 europäischen Mitgliedstaaten zu einem Krisentreffen zusammen.

Wie ist die aktuelle Lage in Ägypten?

Gotteskrieger im Nordsinai nahmen am Morgen nahe der ägyptischen Grenzstadt Rafah zwei Kleinbusse mit Polizisten unter Feuer und töteten 25 Beamte. Nach Angaben des Innenministeriums in Kairo starben die Polizisten, als ihre beiden Kleinbusse aus dem Hinterhalt heraus mit Panzerfäusten angegriffen wurden. Das Massaker ist die seit Jahren schwerste Bluttat auf der Halbinsel, deren nördlicher Teil mehr und mehr in Anarchie versinkt.

Die neuerliche Terrortat schürt Befürchtungen in Ägypten, dass solche Massenmorde demnächst auch im Kernland der Nilregion verübt werden könnten. Letzte Woche hatten Bewaffnete bereits eine kleine Polizeistation nahe Kairo überfallen und elf Polizisten hingerichtet.

Am Vorabend waren nach Angaben der Behörden mindestens 36 Untersuchungshäftlinge an Tränengas erstickt, als während eines Gefangenentransports von Kairo zu einem Gefängnis im Nildelta eine Meuterei ausbrach. Wie es zu dem Tod der Männer kam, die offenbar alle in einem fensterlosen Gefangenentransporter starben, ist unklar. Von offizieller Seite hieß es, die Gefangenen hätten einen Notfall vorgetäuscht, einen der Polizeioffiziere ins Innere gelockt und als Geisel genommen. Bei dem Versuch, die Geisel mit Tränengas zu befreien, seien die Häftlinge erstickt.

Die Muslimbruderschaft dagegen erklärte, die Polizisten hätten nicht nur Tränengas in den Lastwagen geleitet, sondern die Kabine auch von außen unter Feuer genommen. Die Gefangenen seien zuvor mehrere Tage in zwei Polizeistationen im Stadtteil Nasr-City vernommen und misshandelt worden.

Das inzwischen vierte Massaker an Anhängern der Muslimbruderschaft, diesmal in Polizeigewahrsam, sorgte nun auch unter den Mursi-Gegnern und Unterstützern des Militärputsches für Entsetzen.

Mohammed el Baradei, der letzte Woche bereits aus Protest gegen die exzessive Gewalt der Militärs bei der Räumung der Muslimbrüder-Lager sein Amt als Vizepräsident niedergelegt hatte, flog am Sonntag nach Wien, weil er offenbar um sein Leben fürchtet.

Derweil erklärte der Anwalt von Ex-Diktator Hosni Mubarak, sein Mandant werde bereits Ende der Woche aus dem Gefängnis freikommen. Ein solcher Schritt könnte die Stimmung in dem extrem polarisierten Land weiter verschärfen.

Stoppen die EU-Länder die Militärhilfe für Ägypten?

Am Montag kamen die 28 EU-Botschafter in Brüssel zusammen, um über eine gemeinsame Reaktion der Europäer auf das blutige Vorgehen der Übergangsregierung in Kairo gegen die Anhänger der Muslimbrüder zu beraten. Endgültige Beschlüsse sollen erst bei einem Sondertreffen der EU-Außenminister am kommenden Mittwoch fallen, das die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vorbereiten soll. Nach den Worten des EU-Sonderbeauftragten Bernardino Leon soll beim Treffen der EU-Außenminister auch die Frage eines Waffenembargos gegen Ägypten zur Debatte stehen. Laut EU-Diplomaten zeichnete sich bei der Diskussion der Botschafter aber ab, dass es den einzelnen Staaten überlassen bleiben soll, ob sie die Militärhilfe für Kairo einfrieren oder nicht.

Zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende einen Stopp der deutschen Rüstungsexporte als Druckmittel ins Gespräch gebracht. Rüstungsexporte könnten „auch Gegenstand von Maßnahmen sein, mit denen man deutlich macht, wir sind sehr skeptisch gegenüber dem, was in Ägypten im Augenblick vorgeht“, hatte die Kanzlerin am Sonntag gesagt. Die Situation in dem Land sei „außerordentlich brisant, auch besorgniserregend“.

Allerdings ist das Volumen der europäischen Militärhilfe für Ägypten vergleichsweise gering – und entsprechend klein ist auch dieser Hebel. Zwischen 2009 und 2011 belief sich die Militärhilfe der EU-Staaten für Kairo auf insgesamt 140 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die US-Militärhilfe für Kairo beträgt 1,3 Milliarden Dollar – pro Jahr.

Wird auch die wirtschaftliche Hilfe für Kairo eingefroren?

Die EU-Botschafter berieten zudem darüber, ob das milliardenschwere Hilfspaket, das die Europäische Union Ägypten im vergangenen November zugesagt hatte, zumindest teilweise auf Eis gelegt werden soll. Die EU und ihre Mitgliedstaaten hatten Ägypten im vergangenen November Zuschüsse und Kredite in Höhe von insgesamt fünf Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Die Finanzhilfen können allerdings nur dann fließen, wenn am Nil demokratische Reformen eingeleitet werden. Daher konnten die zugesagten Hilfsgelder von Ägypten bislang auch kaum in Anspruch genommen werden.

Vor dem Treffen der EU-Botschafter hatten besonders Dänemark und Italien für einen harten Kurs gegenüber der Übergangsregierung in Kairo plädiert. Bei den Beratungen am Montag waren die Vertreter der 28 EU-Länder allerdings einhellig der Meinung, dass die ägyptische Bevölkerung durch eventuelle Gegenmaßnahmen der Europäer nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfe. „Ägypten ist ein entscheidender Partner“, sagte der EU-Sonderbeauftragte Leon nach den Beratungen.

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Welche Folgen hat es, wenn die Europäer die Finanzhilfen stoppen?

Für die Übergangsregierung dürfte es keine gravierende Konsequenzen haben, wenn die EU-Staaten ihre Hilfe für Ägypten einfrieren sollten. Saudi-Arabien hat bereits angekündigt, den Machthabern in Kairo aushelfen zu wollen. „Die arabische und islamische Nation“ werde nicht zögern, den Ägyptern mit finanziellen Hilfen zur Seite zu springen, verkündete am Montag der saudi-arabische Außenminister, Prinz Saud al Faisal. Saudi-Arabien ist der wichtigste Partner der Übergangsregierung am Nil; der Golfstaat unterstützt das brutale Vorgehen des Militärs gegen die Muslimbrüder.

Dass ein Stopp der Hilfszahlungen des Westens die Ägypter weiter in die Hände Saudi-Arabiens treiben könnte, war auch am Sonntag beim Besuch al Faisals in Paris deutlich geworden. Der Prinz traf mit dem französischen Staatschef François Hollande zusammen, der ihn an die Verantwortung des Golfstaats in der Krise erinnerte. Al Faisal beschwor wie Hollande die Bedeutung freier Wahlen in Ägypten. Er bemerkte aber auch, dass die „Drohungen“ der Europäer, den Ägyptern den Geldhahn zuzudrehen, zu nichts führen würden.

 

 

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