- Die Steuersenkungstricks der FDP
Die FDP kann ihr Glück kaum fassen: Sie findet mit ihrer uralten Forderung nach der Abschaffung des Solidaritätszuschlags erstmals überhaupt wieder zu einem Thema Gehör. Wie konnte so etwas nur passieren?
Es sagt sich leicht, der Soli muss weg. Jeden Sommer fordert das irgendwer. Doch es wurde deshalb längst keine Debatte daraus; weil das Sommerloch allein eben nicht für den nötigen Widerhall sorgt. So wie der Jodler die Bergwand braucht für das Echo, so ist ein Politiker nichts ohne den Widersacher.
Nur wenn einer den Ruf möglichst laut erwidert, hören wir hin. Wenn es gut läuft für den Rufer, machen am Ende alle mit. So hat es die FDP in diesem Sommer geschafft, einen wahren Soli-Chor anzustimmen – mit sich selbst im Solo.
Bis dahin steckten die Liberalen im Sommerloch fest. Niemand hörte sie mit ihrer ewig wiederholten Forderung, den Solidaritätszuschlag abzuschaffen. Erst seitdem ihre stimmenstärkste Gegnerin in dieser Sache darauf eingegangen ist, klingen sie durch. Angela Merkel hat der FDP einen Streit geschenkt. Die FDP kann sich nun erstmals seit Jahren wieder als Steuersenkungspartei profilieren.
Denn der Soli ist nichts anderes als eine Steuer, die vor 22 Jahren eingeführt worden ist. Eine Sondersteuer wegen der gewaltigen Wiedervereinigungskosten, die Helmut Kohl 1991 anfangs nur für ein Jahr einführte, sie dann aber 1995 neu auflegte. Sein Versprechen, dass der Soli 1999 erledigt sei, konnte er nicht mehr einhalten. Da war er schon abgewählt.
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Sein Nachfolger Schröder hielt an diesem Zusatzeinkommen für den Staat fest. Es gab und gibt viele Sondersteuern aus alten Tagen: 1948 wurde die Kaffee-Steuer für die künftige Bundesrepublik beschlossen. Etwa einen Euro pro Pfund zahlen wir derzeit für Röstkaffee – in summa eine Extra-Milliarde jährlich. 1950 folgte – der Fairness wegen – die Einführung einer Tee-Steuer, die allerdings vor 20 Jahren wieder abgeschafft wurde. Auch eine Zucker- und Salzsteuer wurde damals von Bundesfinanzminister Theo Waigel als überholt gestrichen. Erhalten wiederum blieb eine hundert Jahre alte Steuer, die einst Deutschlands Kriegsmarine zu modernisieren half, und die heute Rainer Brüderle immer wieder gern als Beispiel steuerpolitischer Unverfrorenheit nutzt: „Die Flotte ist dreimal untergegangen, aber die Sektsteuer gibt es immer noch.“
Brüderle hat als FDP-Fraktionsvorsitzender im Bundestag die Soli-Abschaffung vorzubereiten versucht: Ein Drei-Stufen-Plan wurde erstellt, der das Ende des Solidaritätszuschlags fest an das Auslaufen des Solidarpakts kettet. 2019 soll demnach Schluss sein. Dabei hat das eine mit dem anderen nur bedingt miteinander zu tun.
Der Solidarpakt, das ist jenes Geld, welches die alten Bundesländer aus Solidarität an die neuen zahlen. Dreißig Jahre nach dem Mauerfall jedoch soll es damit gut sein, also in sechs Jahren. Der Solidaritätszuschlag klingt auch wie Aufbau Ost, ist aber von allen für alle. Im Bundesfinanzministerium heißt es glasklar: „Die Einnahmen des Bundes aus dem Solidaritätszuschlag dienen zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Zwischen den Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag und den Ausgaben des Solidarpakts II besteht also kein Zusammenhang."
Das belegen auch die Zahlen allein für den Solidarpakt II, der seit 2005 gilt: Bis 2019 werden dann laut Bund der Steuerzahler 156 Milliarden Euro von West nach Ost geflossen sein. Hingegen wird der Staat im selben Zeitraum von 2005 bis 2019 insgesamt 208 Milliarden Euro an Solidaritätszuschlag einnehmen.
Der Soli-Zuschlag ist auch nicht zweckgebunden – eine normale Steuer eben. Das Werkeln der FDP gegen diese Mehreinnahmen und ihre Darstellung als Ost-Förderung blieb aber weitgehend ungehört - bis die Kanzlerin sich als Schallwand aufbaute.
Sie tat das zur freudigen Überraschung der FDP ausführlich in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“: „Der Solidaritätszuschlag ist zwar im Zusammenhang mit der deutschen Einheit eingeführt worden, wird aber nicht nur für Einheitsaufwendungen ausgegeben. Er ist eine reine Bundessteuer von derzeit 13 Milliarden Euro. Wenn ich auf die nächsten Jahre blicke, sehe ich großen Investitionsbedarf, und zwar in ganz Deutschland, etwa in Straße und Schiene. Außerdem wollen wir in der nächsten Legislaturperiode endlich Staatsschulden zurückzahlen. Ich sehe nicht, wie wir einen Betrag in dieser Höhe an anderer Stelle einsparen könnten. Die Union hat deshalb keine Pläne zur Abschaffung des Solidaritätszuschlags."
Damit kündigte die Kanzlerin an, dass sie auch nicht für das Jahr 2019 mit einem Ende des Soli rechnet, mag der Solidarpakt da auch auslaufen. Die FDP hätte Amok laufen müssen, doch sie konnte ihr Glück kaum fassen über diese Aussage. Ein besseres Echo auf ihr „Soli weg“-Gejodel hätte sie sich nicht wünschen können.
Doch es sollte noch besser kommen. Denn nun stimmte jede Partei mit ein – und zwar in einen großen Kanon gegen die FDP. Die SPD warf der FDP vor, „isoliert über den Solidaritätszuschlag zu schwadronieren“, wie es Joachim Poß ausdrückte. „Eine Diskussion über den Soli steht jetzt nicht an“, schloss sich CSU-General Alexander Dobrindt der Diskussion an. Die Grünen-Haushälterin Hinz warf der FDP „blinde Steuersenkungswut“ vor. Und der Fraktionsvize der Linken im Bundestag tat den Liberalen einen besonderen Gefallen. Sie betrieben „Klientelwahlkampf“, schimpfte er. Vor allem die „Bestverdienenden“ hätten vom Streichen des Solis Vorteile.
So treffend hätte die FDP für ihren Drei-Stufen-Plan gar nicht selbst werben können. Holger Zastrow, der stellvertretende FDP-Vorsitzende, machte sogleich die Zukunft von Schwarz-Gelb nach der Bundestagswahl vom Ende des Soli abhängig. Nur hier könne der Bund – da der Soli nur dem Bund und nicht den Ländern zustehe – ohne die Mehrheit im Bundesrat handeln. Man habe eine „Bringschuld“ und müsse damit „Entlastungszeichen setzen“. Nun ist sie also wieder sichtbar auf der Brücke: die Entlastungspartei FDP!
„Ich habe nicht recht verstanden, warum diese Debatte jetzt geführt werden muss“, gab sich Finanzminister Schäuble irritiert. Die Frage, was mit dem Zuschlag geschehen solle, „steht erst in der nächsten Legislaturperiode an – und zwar für die Zeit der übernächsten Legislaturperiode“.
Aber der Wahlkampf steht jetzt an. Und natürlich würde Schwarz-Gelb auch mit Soli weiterregieren. Vielleicht nennen sie ihn dann Infrastrukturabgabe. Dann kann sich auch die CSU freuen, die so etwas schon längst fordert.
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